Nachhaltige Mode

Eine runde Sache

Biologisch abbaubare Kleidung nach Cradle-to-Cradle
22. Dez. 2020
Wenn aus alten T-Shirts neue Pflanzen blühen, schließt sich ein Kreislauf. Der Ansatz der dahinter steckt nennt sich Cradle-to-Cradle. Wie schafft es das Kreislaufmodell die Modeindustrie nachhaltiger zu gestalten?

Wir alle haben jede Menge Kleidungsstücke in unseren Schränken, manche auch so viel, dass sie gar nicht alles tragen können. Mode ist in den letzten Jahren immer mehr zum Massenprodukt geworden. Doch durch die Herstellung leidet unsere Umwelt. Wie kann man da noch ohne schlechtes Gewissen shoppen? Einer der führenden Experten, der sich seit über 20 Jahren mit diesem Problem befasst, ist Albin Kälin. Er erklärt, wie der Ansatz von Cradle-to-Cradle (C2C) versucht die Textilindustrie grüner zu machen, ohne dass wir auf die Freude an Mode und neue Trends verzichten müssen.

Nimmt man den Namen des Ansatzes wörtlich so fragt man sich: von Wiege zu Wiege, was genau bedeutet das? Der Ansatz wurde Ende der 1990-er Jahre von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entworfen. Die Idee dahinter ist es, eine funktionierende und konsequente Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Abfall war gestern, das neue Motto lautet Upcycling. Rohstoffe werden zu Nährstoffen, die in einem stetigen Kreislauf zirkulieren. In der Differenz zum konventionellen Recycling wird hingegen die Qualität der Rohstoffe im Kreislauf über mehrere Produktlebenszyklen erhalten.

Das Kreislaufprinzip – Ein T-Shirt wie jedes und doch anders

Bei der Gewinnung von Rohstoffen für C2C-Textilien wird in hohem Maße auf ökologische und soziale Standards geachtet. Fertigt man beispielsweise ein T-Shirt aus Baumwolle nach dem Kreislaufprinzip, darf ausschließlich natürliches Saatgut für den Anbau verwendet werden. Gentechnisch veränderte Saat sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sind nach C2C-Richtlinien untersagt. Gedüngt wird ausschließlich mit Mist und Kompost.

Nach der Ernte beginnt der Herstellungsprozess unseres T-Shirts. Hierfür wird die Baumwolle gereinigt, gekämmt und zu einem Garn versponnen. Aus dem Garn wird dann in einer Wirkerei oder Strickerei Stoff für unser T-Shirt hergestellt. Anschließend geht es weiter mit der Färbung. Es dürfen ausschließlich Färbemittel verwendet werden, die nach human- ökologischer Bewertung als unbedenklich eingestuft wurden. Die Färbemittel werden hierfür optimiert, indem bedenkliche Substanzen entzogen und durch positiv definierte Wirkstoffe ersetzt werden.

„Die eingesetzten Chemikalien sind wie Kieselsteine, sie sind nicht abbaubar, aber sie schaden dem biologischen Kreislauf und der Umwelt nicht.“

Albin Kälin Geschäftsführer von Epea Switzerland GmbH

Der gefärbte Stoff gelangt anschließend in die Schneiderei, wo aus ihm T-Shirts gefertigt werden. Für die Zertifizierung wird das Produkt anhand der fünf Kriterien Materialgesundheit, Wiederverwendung, erneuerbare Energie, soziale Fairness und Wasserverwaltung bewertet. Die Kreislauffähigkeit des Produkts entscheidet über die Stufe der Zertifizierung.

Kleidung für den Kompost

Wenn unser T-Shirt nun ausgedient hat, tritt es zur letzten Phase im Kreislauf an. Da unser Produkt vollkommen biologisch abbaubar ist, kann das T-Shirt ganz einfach kompostiert werden. Der Experte betont: „die Kleidung ist nicht nur kompostierbar wie andere Textilien aus Naturfasern, sondern auch umweltverträglich“. Der Unterschied liegt darin, dass C2C-Textilien trotz ihrer Färbung mit Chemikalien keine toxischen Bestandteile aufweisen.

Was am Ende übrig bleibt, sind Abbauprodukte, die als Dünger dienen und wasserlösliche Mineralstoffe wie Nitrate, Ammoniumsalze und Kohlenstoffdioxid, die zu einer Verbesserung der Bodenqualität beitragen und Grundnährstoffe für neues Leben sind. Hiermit schließt sich der Kreislauf und der Prozess kann von neuem beginnen.

"Der biologische Kreislauf ist wichtig, weil eine massive Reduktion an Biomasse vorliegt. Der Landwirtschaft gelingt es nicht diesen Rückgang zu kompensieren. Biomasse ist Lebensgrundlage wie Wasser."

Albin Kälin Geschäftsführer von Epea Switzerland GmbH
Um den Inhalt anzuzeigen müssen Sie zuvor der Nutzung von Marketing Cookies zustimmen.
Wirtschaftskreisläufe nach Cradle-toCradle | Quelle: Sarah Steidel

Mehr Nachhaltigkeit

Durch das Konzept ergeben sich viele positive Auswirkungen auf die Umwelt. Aber was genau verändert sich durch Cradle-to-Cradle? Bei allen Prozessabläufen wird auf erneuerbare Energie gesetzt. Ziel ist es, alle Prozesse zu 100 Prozent mit „gesunder“ Energie anzutreiben. „Hierzu fehlt momentan noch die Technik. Die CO2-Belastung ist dann auch kein Thema mehr, wenn wir auf fossile Brennstoffe verzichten können“ sagt der Experte.

In erster Linie geht es aber darum, Produkte zu schaffen die kreislauffähig sind, um dadurch die Ressourcen unserer Erde zu schonen. Albin Kälin spricht hierbei das Problem linearer Systeme an: „Linea heißt eine Linie und am Ende steht der Abfalleimer.“

Das größte Problem stellt aus Sicht des Experten jedoch der Einsatz von Chemikalien dar, durch den die Umwelt belastet wird. Einerseits durch Pestizide „25 Prozent aller Pestizide werden für den Anbau von Baumwolle eingesetzt.“ und andererseits durch Chemikalien, die bei der Produktion genutzt werden. Letztere gelangen meist ungefiltert durch Abwasseranlagen in Flüsse, Seen und letztendlich auch ins Meer, wo sie großen Schaden anrichten, da sie nicht nur krebserregend sind, sondern auch das Erbgut beeinflussen können. „99 Prozent aller Lebewesen tragen mittlerweile Chemie in ihrem Körper“ merkt Herr Kälin an. Durch Cradle-to-Cradle wird der Einsatz von Pestiziden untersagt, wodurch Boden und Grundwasser geschützt werden. Zudem sind die Chemikalien, die zum Färben verwendet werden, durch die Optimierung umweltverträglich und können dadurch dem Ökosystem keinen Schaden zuführen.

Aber auch synthetische Textilien belasten durch Abriebe (Mikro-Plastik) unsere Gewässer. 60 Prozent aller Textilien bestehen laut dem Experten aus einer Mischung von Polyester und Baumwolle. Doch Herr Kälin weist auch darauf hin: „Wir brauchen synthetische Materialien.“ Als Beispiel für einen unverzichtbaren Kunststoff nennt er Elasthan, das in den meisten unserer Kleidungsstücke verarbeitet ist. Doch auch synthetische Fasern können die C2C-Kriterien erfüllen, wenn ihre Bestandteile 100 Prozent biologischen Ursprungs sind. Albin Kälin fordert daher: „wir brauchen Kunststoffe, die für eine moderne Gesellschaft und die Umwelt zukunftsfähig sind“.

Neuland für die Modebranche

Die Optimierung der eingesetzten Chemikalien hat viel Zeit in Anspruch genommen, weshalb das Konzept in der Modebranche noch wenig verbreitet ist. Auch die hohen Ansprüche für die Zertifizierung sind eine Hürde, die nicht leicht zu überwinden ist. „Cradle-to-Cradle ist nicht nur die umfassendste Zertifizierung der Textilindustrie, es ist auch die mit dem ganzheitlichsten Ansatz.“

Der Grundbaustein für die Anwendung des Konzepts ist jedoch gesetzt und immer mehr Unternehmen springen mit auf den Zug auf. So findet man bereits heute C2C-Produkte bei Herstellern wie Calida, Trigema, Wolford und auch dem bekannten Modeunternehmen C&A.

Sicherlich ist der Ansatz noch nicht perfekt. Allerdings schreibt er auch kein Endziel vor, sondern fordert stetige Verbesserung. Daher dürfen wir auch in Zukunft gespannt sein, wie sich das Modell weiterentwickelt.

Weitere Informationen zu dem Zertifizierungs-System von Cradle-to-Cradle

https://www.umweltgutachter.de/product-standard

Wo sind Cradle-to-Cradle Produkte zu finden?

Cradle-to-Cradle by C&A

https://www.c-and-a.com/de/de/corporate/company/nachhaltigkeit/c2c/

Cradle-to-Cradle by Wolford

https://company.wolford.com/de/nachhaltigkeit/cradle-to-cradle-certified-collection/

https://www.wolfordshop.de/C2C.html

Cradle-to-Cradle by Napapijri

https://www.napapijri.de/nachhaltigkeit-cradle-to-cradle.html