Winterkinder
Alle Jahre wieder kommt die Zeit, in der Schoko-Weihnachtsmänner, Lebkuchen und Adventskalender viel zu früh ihren Weg in die Regale der Geschäfte finden. Und jedes Mal aufs Neue frage ich mich: WTF? Das Jahr ist nicht mal ansatzweise vorbei und die Menschen fiebern schon auf Weihnachten hin. Ich hingegen trauere noch um den Sommer und möchte am liebsten mit einer überteuerten Kokosnuss in meinem selbst geschaffenen Garten-Karibik-Paradies sitzen und mich über die Hitze beschweren.
Weiße Weihnacht war einmal
Aber mal ehrlich: Wer geht bei über 20 Grad Außentemperatur in den Supermarkt und denkt sich: „Jetzt so ein paar Zimtsterne. Das wäre doch genau das Richtige!“ Wobei wir uns wohl oder übel an genau die Situation so langsam gewöhnen müssen. Klimawandel sei Dank, rückt die Idealvorstellung der weißen Weihnacht in immer weitere Ferne. Dabei habe ich das Bild genau vor Augen: morgens aufzuwachen, aus dem Fenster zu gucken und die Welt in prachtvollem Weiß aufleuchten zu sehen. Egal in welchem Alter, bei diesem Anblick steigen die innere Vorfreude und der Tatendrang bis zum Gipfel. Jede Sekunde muss genutzt werden, bevor sich das strahlende Weiß in eine braune Grütze verwandelt. Ob Schneemänner bauen, Schlitten fahren oder einfach nur durch den knirschenden Schnee spazieren und die eisige, frische Luft einatmen. Ach ja, wie sehr werde ich diese Augenblicke mal vermissen.
Eine schöne Bescherung
Apropos vermissen. Vor allem als Kind war das Weihnachtsspektakel eins meiner absoluten Highlights. Es war, als würde die Zeit in der Nacht auf den ersten Dezember stehen bleiben. Jeden Morgen bin ich mit Vorfreude auf das tägliche Türchen im Adventskalender aufgestanden und habe auf Heiligabend hin gefiebert. Nikolaus war schon mal der Vorgeschmack aufs große Fest. Bei mir spielte dieser Tag eine ganz besondere Rolle. Und das aus nur einem Grund: Ich wurde jedes Jahr aufs Neue verarscht. Aber von Anfang an.
Wir schreiben den sechsten Dezember. Nikolaustag. Meine Schwester und ich haben am Abend vorher brav unsere Stiefel geputzt und draußen vor die Tür gestellt. Für die Rentiere gab es Möhren und Wasser, damit sie sich an ihrem langen Arbeitstag noch etwas stärken konnten. Am nächsten Morgen waren die Stiefel dann prall gefüllt, das Wasser leer und die Möhren angeknabbert. Und genau das hat mich bis ins Jugendalter nicht losgelassen. Wenn es den Nikolaus nicht gibt, wieso sind dann diese verdammten Möhren angefressen? Waren das Tiere von draußen? Nein, kann nicht sein. Die hätten ja alles verputzt. Und die Spuren sehen aus wie von echten Rentieren. Das war der Nikolaus! Meine Mutter würde mich ja wohl nicht so sehr verarschen, indem sie diese Möhren höchstpersönlich halb abbeißt, dann wieder auf dem Boden platziert und das alles nur um morgens in mein verdutztest Gesicht zu gucken, während sie sich das Lachen kaum verkneifen kann. Was soll ich sagen? Auch Eltern können grausam sein…
Zwischen Besinnlichkeit und Stressbewältigung
Ach ja Weihnachten. Für die einen ist es ein besinnliches Fest voller Liebe und Familie. Für die anderen ist es eine Zeit, die nur mit viel Alkohol als Stressbewältigung zu überstehen ist. Und für wieder andere sind es einfach ein paar freie Tage. Aber trotzdem irgendwie eine besondere Zeit mit besinnlichen Familientraditionen und viel Vorfreude. Ich bin gespannt, wie sich das Weihnachtswunder in Zukunft entwickelt. Sitzen wir irgendwann an Heiligabend in kurzer Hose unter einer Palme und es gibt tatsächlich Kokosnüsse statt Schokolade? Oder stellen wir uns dann lieber Schneekanonen in den Garten, dass zumindest ein bisschen Winterstimmung aufkommt? Aber egal was noch so kommen mag, hoffe ich sehr, dass zumindest die Vorfreude bleibt.
Vorfreude für jeden Tag
Aber warum freuen wir uns eigentlich nur im Dezember über jeden einzelnen Tag? Vielleicht sollten wir uns das Adventskalender-Prinzip mal für die restlichen 341 Tage im Jahr vornehmen. Einfach jeden Tag ein Highlight setzen. Sodass man, wie als Kind in der Weihnachtszeit, jeden Morgen aufsteht und mit Vorfreude auf den nächsten Tag zusteuert. Wäre das nicht eine gute Lebensphilosophie?
Vielleicht ist das ein guter Vorsatz für nächstes Jahr. Aber jetzt heißt es erstmal mit Glühwein und Reibekuchen „unsere Jungs“ in Katar anfeuern. Oder genau das boykottieren. Wie auch immer.
So viel dazu. Fröhliche Festtage!
Eine weitere Folge meiner Kolumne "BrainStorm" findet ihr hier.