Schilddrüse 6 Minuten

Wenn dein Körper gegen dich arbeitet

Eine Person von vorne, die sich an den Hals fasst. Auf dem Hals ist eine Schilddrüse abgebildet.
Die Schilddrüse liegt an der Vorderseite des Halses und ist ein wichtiger hormoneller Schrittmacher für unseren Körper. Symbolbild | Quelle: Kim Ferber
12. Dez. 2024

Erschöpft, müde, antriebslos – so geht es Personen, die von Hashimoto betroffen sind. Bei der Autoimmunerkrankung ist die Schilddrüse entzündet. Dem Körper fehlen dann wichtige Hormone. Wie wirkt sich das auf den Alltag der Betroffenen aus? Und wie wird Hashimoto behandelt? 

Als junge Frau hat Anna* stark mit den Symptomen der Erkrankung zu kämpfen – Konzentrationsprobleme, Müdigkeit, Haarausfall, starkes Frieren, Gewichtszunahme. Ein normales Leben war für sie kaum möglich. Mit 26 Jahren bekommt sie endlich die Diagnose: Hashimoto-Thyreoiditis, eine chronische Entzündung der Schilddrüse. 

Zehn bis zwölf Prozent der deutschen Bevölkerung haben Hashimoto

„Bei Hashimoto-Thyreoiditis findet das Immunsystem irrtümlich, dass die Schilddrüse nicht in den Körper gehört“, sagt Prof. Dr. Onno Janßen, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie sowie Experte für die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Das Immunsystem setzt dann einen Mechanismus in Gang, das als fremd erkannte Organ zu zerstören. Die Ursache für diese Reaktion ist nicht bekannt. In Deutschland sind ungefähr zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung an Hashimoto erkrankt. Frauen sind acht bis zehnmal häufiger betroffen als Männer. „Frauen haben grundsätzlich ein höheres Risiko, Autoimmunerkrankungen zu bekommen“, sagt Onno Janßen. Warum, das wissen sie nicht. Eine familiäre Veranlagung für Hashimoto sei ebenfalls bekannt. 

Was machen Endokrinolog*innen? 

Endokrinolog*innen sind spezialisiert auf Erkrankungen von hormonproduzierenden Drüsen, zum Beispiel: Schilddrüse, Eierstöcke, Hoden, Nebennieren oder Hirnanhangdrüse. Zudem behandeln sie Personen mit Erkrankungszuständen, die durch Überschüsse, Mängel oder andere Dysbalancen von Hormonen ausgelöst werden.

Quelle: Zentrum für Endokrinologie und Stoffwechsel 

Bei Anna gab es in der Familie vermehrt Schilddrüsenerkrankungen. „Mit 16 haben dann die Symptome angefangen – ich war total schlapp, hab an Gewicht zugenommen“, erzählt sie. 2004 spitzen sich die Symptome zu: Anna hat Schmerzen an der Schilddrüse, ihre Augen jucken, sie friert ständig, hat Verdauungsprobleme, ist erschöpft und anfällig für Infekte. Zu diesem Zeitpunkt absolvierte sie ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Regelmäßig spricht sie ihren Hausarzt auf ihre Beschwerden an. Seine Antwort: Stresssymptome.

"Ich habe mich da sehr allein gelassen gefühlt." 

Anna, Lehrerin und Hashimoto-Patientin

„Ich habe mich da sehr allein gelassen gefühlt“, erzählt Anna. Die Schultage schlauchten sie enorm. Hausaufgaben und Lernen kosten viel Energie. Danach hatte sie oft keine Kraft mehr für Freizeitaktivitäten oder Aufgaben im Haushalt.

Die Hormone regulieren den Energiehaushalt des Körpers

Eine unbehandelte Hashimoto-Erkrankung ist ein Leben mit niedrigem Energielevel. „Die Schilddrüsenzellen werden irrtümlich von den T-Lymphozyten, den weißen Blutkörperchen angegriffen“, erklärt Onno Janßen. Das Problem: Die in der Schilddrüse produzierten Hormone L-Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) regulieren den Energiehaushalt im Körper und sagen den Körperzellen, wie viel Energie sie verbrauchen sollen. Wenn diese Hormone nicht mehr ausreichend produziert werden, hat der Körper weniger Energie: die Körpertemperatur ist geringer, das Herz schlägt langsamer, der Darm arbeitet langsamer, das Denken fällt schwer. Die Schilddrüse hat eine Unterfunktion (Hypothyreose), die sich auf den gesamten Körper auswirkt. 

Was sind die typischen Symptome bei Hashimoto-Thyreoiditis? 

  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
  • Antriebslosigkeit
  • Erschöpfung
  • Haarausfall
  • Gewichtszunahme
  • Frieren
  • Stimmungstiefs
  • Schwächegefühl
  • Zyklus- und Errektionsstörungen

Quelle: Medizinisches Versorgungszentrum für Innere Medizin und Allgemeinmedizin Bonn

Wie wird Hashimoto diagnostiziert?

In einem Gespräch fragt Onno Janßen nach den Beschwerden. Ist der*die Patient*in müde, am Frieren und nimmt eher zu, gehe es in Richtung Unterfunktion. Daraufhin macht Onno Janßen ein Ultraschall der Schilddrüse. Ist die entzündet, ist das Gewebe dunkler als sonst. Im nächsten Schritt werden Laboruntersuchungen durchgeführt. Zuerst misst man den T4-Wert sowie den TSH-Wert. Das Thyreoida-stimulierende Hormon (TSH) bewirkt in der Schilddrüse eine vermehrte Produktion von T3 und T4. Ist der Anteil der T4-Hormone gering und der TSH-Spiegel hoch, kann davon ausgegangen werden, dass eine Unterfunktion der Schilddrüse vorliegt. „Wenn die Patient*innen nicht an der Schilddrüse operiert wurden, wird es sich meist um eine Hashimoto-Thyreoiditis handeln“, so Onno Janßen. „Wenn die Sache dann noch nicht klar ist, dann misst man die Schilddrüsenantikörper“, sagt er. Wenn die Schilddrüse von den weißen Blutkörperchen zerstört werden, setzt diese Eiweißstoffe frei, die der Körper nicht kennt: Thyreoglobulin und Peroxidase. Gegen diese Antigene werden Antikörper gebildet. Ihre Nachweise sind ein Indiz dafür, dass etwas die Schilddrüse kaputt macht.

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Bei einer Hashimoto-Thyreoditis greift das Immunsystem die hormonproduzierenden Schilddrüsenzellen an. | Quelle: Kim Ferber

Anna erhielt ihre Diagnose im Januar 2006. Erst dann misst ihr Arzt alle relevanten Werte, auch die der Antikörper. „Es hätte meine Leidenszeit deutlich verkürzt, wenn man das alles schon früher gemacht hätte“, sagt sie. Über ein Online-Forum für Hashimoto-Patienten stieß sie auf ihren Endokrinologen, der sie bis heute behandelt. „Mein Endokrinologe war als Mensch für mich da, hat mich ernst genommen in meinen Problemen.“ Seit 2006 überprüfen sie Annas Werte regelmäßig.  

„Mein Endokrinologe war als Mensch für mich da, hat mich ernst genommen in meinen Problemen.“ 

Anna, Lehrerin und Hashimoto-Patientin

„Behandelt wird eine Hashimoto-Thyreoiditis mit L-Thyroxin (T4) in Tablettenform, als Tropfen oder Gelkapseln“, so Onno Janßen. Mit T4 lasse sich häufig ein stabiler Hormonspiegel einstellen. 

Rechts befinden sich zwei Hände, die Tabletten aus ihrer Verpackung holen. Auf dem Tisch befindet sich zudem die große Verpackung zu den Hormontabletten L-Thyroxin.
Mithilfe von L-Thyroxin wird der Regelkreislauf zwischen TSH- und Schilddrüsenhormonen ersetzt. Symbolbild
Quelle: Kim Ferber

Es kann dauern, bis die Dosis richtig eingestellt ist

„Je länger Hashimoto nicht erkannt wird, umso ausgeprägter ist die Unterfunktion, umso weniger Hormone sind im Körper, und umso mehr Zeit wird benötigt, um das wieder einzustellen“, sagt Onno Janßen. Wenn die T4-Dosis verändert wird, dann dauere das vier bis sechs Wochen, bis sich die Dosis komplett im Körper verteilt und die Wirkung voll einsetzt. Bei Anna dauerte es ungefähr ein Jahr, bis die Dosis stimmte. Phasenweise musste sie diese verändern. Im Moment hat sie keine einschränkenden Symptome und ist mittlerweile Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule. 

Dass die Hormone nicht so perfekt sind wie die eigene Schilddrüse, wissen die Teilnehmer*innen der Hashimoto-Selbsthilfegruppe Freiburg. Unter der Leitung von Teresa Plate kommen monatlich acht bis zehn Personen zusammen und sprechen über ihre Symptome. Auch der Umgang mit Ärzt*innen ist ein häufiges Thema: Wie kann ich meinem Arzt, meiner Ärztin klarmachen, dass es mir nicht gut geht, auch wenn die Blutwerte im Normbereich sind? 

Die Patient*innen müssen sich mit der Dosis wohlfühlen

„Es geht nicht darum, dass einfach nur die Laborwerte richtig eingestellt sind. Es ist viel wichtiger, dass die Patienten sagen: Ich fühle mich wohl“, betont Onno Janßen. In der Regel habe er eine grobe Idee, wie viel Hormone der*die Patient*in braucht. Zwei bis drei Monate später überprüft er, ob die Werte sich verändert haben und wie es dem Betroffenen geht. Bei ungefähr zehn Prozent seiner Patient*innen ist die Einstellung eine längerfristige Geschichte. Betroffenen empfiehlt er, eine*n Arzt*Ärztin des Vertrauens zu konsultieren, von dem*der sie sich ernstgenommen fühlen, und mit dem*der die Dosis überprüft und richtig einstellt werden kann. 

In der Selbsthilfegruppe erarbeiten die Teilnehmer*innen auch Bewältigungsstrategien, wie sie unabhängiger von ihren Symptomen sein können. „Vielen hilft es, sich in stressigen Situationen zurückzunehmen und einzugestehen, dass sie diese Pause brauchen“, sagt Teresa Plate. Die eigenen Symptome zu reflektieren hilft, potenzielle Ursachen zu finden. Auch Anna dokumentiert und reflektiert ihre Beschwerden und Blutwerte. Sie betont: „Ich möchte wissen, was in meinem Körper passiert.“ 

* Der Name der Protagonistin wurde geändert. Die Identität ist der Redaktion bekannt.