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Wie Franzosen in Deutschland leben

Frühlingsfest in Stuttgart: Louise prostet ihren Freunden zu.
18. Mai 2019

Ist es für Franzosen schwer in Deutschland zu wohnen? Was sind die kulturellen Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland? Eine Reportage über meine Erfahrungen in Stuttgart.

Ich erinnere mich sehr gut an meine ersten Schritte in Stuttgart. Ich sprach nicht so gut Deutsch, aber dafür etwas Englisch. Ich bin Französin, dementsprechend „gut“ ist auch mein Englisch. In der Uni habe ich meinen Buddy kennengelernt – ein deutscher Student, der mir bei meinem Start in Stuttgart helfen sollte. Als er nicht verstanden hat, was ich meinte, hat er begonnen auf Englisch zu sprechen. Ich war überrascht! Er beherrscht die Sprache perfekt! Mit der Zeit ist mir aufgefallen, dass fast alle Deutschen sehr gut Englisch sprechen und es in Frankreich ganz anders ist…  Und das ist nur ein Unterschied von vielen!

Deutschland und Frankreich – eine starke Beziehung mit einer starken Geschichte, wie wir alle schon in der Schule gelernt haben. Die Vergangenheit ist ein Teil der französisch-deutschen Beziehung, aber zum Glück ist sie nicht alles! Die Beziehung hat sich weiter entwickelt.

Mittlerweile liegen die Konflikte in der Vergangenheit und die Länder sind ökonomische und politische Partner. Als Gründer der Europäischen Union sind Deutschland und Frankreich ein Beispiel für Partnerschaft. Aus diesem Grund kann ich heute mit dem Erasmus-Stipendium in Stuttgart studieren. Ist das nicht fantastisch?

Die beiden Flaggen.

Genug von der Geschichte, ich möchte über meine Erfahrungen und die anderer französischer Studenten schreiben. Wie empfinden sie die Kultur der Deutschen? Gibt es Ähnlichkeiten? Was ist hier ganz anders? Was überrascht? In diesem Beitrag geht es nicht um politische Beziehungen, sondern um meine Zeit in Deutschland.

Ich bin natürlich nicht die einzige Französin, die in Deutschland studiert. Um auch andere Meinungen zu beleuchten, habe ich einige andere Erasmus-Studenten zu ihren Erfahrungen bezüglich Stuttgart und Deutschland befragt um herauszufinden, ob sie ähnlich denken wie ich und ob es ihnen leicht gefallen ist, sich an das deutsche Leben anzupassen. Was war für sie am erstaunlichsten? Jede hat ihre eigene Geschichte.

 

Die Beziehung zu den Professoren

 

Louise Bothé | 20 Jahre alt | Nancy (Grand-Est)

Auf das Klopfen hatte ich dieselbe Reaktion. Louise hat die Deutschen gefragt: „Warum macht ihr das?“. Für uns Franzosen endet die Vorlesung anders. Wenn sie vorbei ist, verlassen wir einfach den Raum. Warum applaudieren? Um dem Dozenten zu danken? Eigentlich eine nette Geste.

Die Beziehung zwischen Professoren und Studenten ist generell anders. In Deutschland ist die Struktur klar und meistens gibt es nach einer Erklärung keine Fragen. Wenn ein Student allerdings ein Problem hat, ist der Professor immer bereit zu helfen. In Frankreich ist die Beziehung distanzierter: Wir sind nur da, um uns die Vorlesung anzuhören. Es gibt keinen Austausch.

 

Das Essen

 

Laurie Kühne | 20 Jahre alt | Bordeaux (Nouvelle-Aquitaine)

Das gemeinsame Essen scheint in beiden Kulturen ein wichtiger Punkt zu sein, aber in Frankreich ist er heilig! Wir brauchen diese Zeit, sie ist fest in jeden Haushalt integriert. In Deutschland scheint sie flexibler.

Laurie hat hier die Brezel kennen und lieben gelernt. Außerdem hat sie sich in Spätzle, Maultaschen, Schnitzel und viele andere Leckereien verliebt! Für mich sind diese Spezialitäten schon bekannt, da ich aus der Region Grand-Est komme, nicht weit von der deutschen Grenze entfernt.

Laurie und die anderen haben auch bemerkt, dass es in Deutschland sehr einfach ist, Vegetarier oder Veganer zu sein. Die Inhaltsstoffe auf den Produkten sind klar deklariert! In Frankreich rätseln wir lange, ob ein Produkt vegan ist oder nicht.

 

Hohe Standards an deutschen Hochschulen

 

Cécile Bordas | 21 Jahre alt | Bordeaux (Nouvelle-Aquitaine)

Cécile spricht über das Equipment, wie Video- oder Spiegelreflexkameras. Ich stimme ihr zu. An meiner Hochschule in Stuttgart gibt es viele Geräte, die die Studenten benutzen können und das ist sehr hilfreich. Nach ihrem Studium haben sie dann auch Praxiserfahrung und nicht nur die theoretische Ausbildung!


Was mich außerdem überrascht hat, ist, dass es einfacher ist einen Nebenjob in Deutschland zu finden. Und nicht nur irgendeinen Nebenjob, sondern einen Job, der zum Studium passt. So bekommen die Studenten noch mehr Praxiserfahrung. In Frankreich dagegen arbeiten viele Studenten zum Beispiel bei McDonald’s.

 

Die Lebensqualität

 

Angeline Massé | 20 Jahre alt | Bordeaux (Nouvelle-Aquitaine)

Angeline hat mir gesagt, dass sie wegen der Lebensqualität nach Deutschland kam. Das Leben hier sei nicht so teuer wie in Frankreich, man zahle für die Qualität und das liebe sie.
Für uns Franzosen ist es sehr schwer, immer Bargeld bei uns zu haben. Normalerweise bezahlen wir immer alles mit der Karte, vor allem unser geliebtes Baguette! Hier in Deutschland kann man in vielen Cafés und Restaurants nur bar bezahlen, daran muss man sich erst mal gewöhnen.  

Trotzdem ist es ein sehr entspanntes und gut planbares Leben hier. Die U-Bahnen und S-Bahnen sind nie verspätet, also hat man mehr Zeit für sich, die man besser einteilen kann… Was will man mehr?

 

Die Vorurteile

 

Magalie Beinze | 21 Jahre alt | Nancy (Grand-Est)

Alle Franzosen finden, dass die Deutschen organisiert und immer ordentlich sind. Deswegen meinen sie auch, dass die Deutschen keinen Humor oder Freude haben und dass sie viel zu gestresst sind. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass das nicht stimmt. Ich habe die Deutschen als sehr freundlich und warmherzig kennengelernt. Sie sind viel hilfsbereiter als die Franzosen.

Sehr wahr ist jedoch das Vorurteil mit dem Bier. Hier wird so viel Bier getrunken! Für mich ist es sehr komisch, dass sie ihr Bier einfach auf der Straße trinken dürfen. In Frankreich ist das verboten. Fraglich bleibt für mich, warum man Wasser oder Saft mit Wein mischt und Cola oder Limo mit Bier. Das verstehen wir Franzosen einfach nicht.

Spaß auf dem Frühlingsfest.

Bei Rot stehen, bei Grün gehen

Einmal bin ich bei Rot über die Straße gelaufen. Es war weit und breit kein Auto auf der Straße, aber die Fußgängerampel war rot. Ich habe nicht auf das grüne Licht gewartet, sondern bin als einzige über die Straße gegangen. Alle anderen warteten – unglaublich! So etwas würde in Frankreich nicht passieren.

Wie Magalie gesagt hat: „Der Respekt, die Moral und die Ethik haben eine wichtige Stelle in der Deutschen Gesellschaft.“

 

„Du bist nicht zu Hause, aber du bist auch nicht verloren“

Nach den Interviews und mit meiner persönlichen Erfahrung, habe ich festgestellt, dass die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland nicht so groß sind. Das ist nicht sehr außergewöhnlich, schließlich liegen Frankreich und Deutschland nebeneinander. Ich bin in der Region Grand-Est aufgewachsen und wohne jetzt in Baden-Württemberg. Es ist nicht das Gleiche, wie China und die USA zu vergleichen.

Letztendlich sind es die kleinen Momente im Alltag, in denen wir die Unterschiede besonders spüren. Im Endeffekt haben Deutschland und Frankreich sehr viele Ähnlichkeiten. Unterschiede bemerkt man nur immer einfacher, als Ähnlichkeiten. Von ihnen gibt es aber unzählige. Generell leben wir auf dieselbe Weise. Vielleicht sind die Franzosen entspannter, möglicherweise auch etwas zu entspannt.

Vielleicht hat diese Gelassenheit auch etwas mit dem Sprichwort „Leben wie Gott in Frankreich” zu tun, was so viel bedeutet wie „ein herrliches Leben in Freuden”. Möglicherweise genießen die Franzosen mehr, sind dafür aber viel weniger gut organisiert. Beides hat seine Vorteile!

Fun Fact: Wusstest du, dass du, wenn du auf Französisch schreibst, immer ein Leerzeichen zwischen das letzte Wort und das Satzzeichen machst? Zum Beispiel: „Comment ça va ?“ was so viel heißt wie: „Wie geht es dir?“. Findest du das komisch? Für uns ist es auf die deutsche Weise ungewohnt.

Mein Ankommen in der deutschen Kultur war überhaupt nicht schwer. Ich fühle mich gut hier.
Was mich überrascht ist, dass ich in meinem Verhalten vielleicht mehr Deutsch als Französisch bin…
Ich mag es, wenn alles organisiert und geregelt ist. Vielleicht klingt ja auch mein Name „Laurie Virtel“ ein bisschen deutsch, wenn man ihn ausspricht!