Backpacking

„Alleine reisen ist kein Urlaub“

Alleine reisen – die ultimative Freiheit? Ja, findet Svitlana Magazova.
28. Jan. 2019

Eine Frau, fünf Wochen, drei Länder – Svitlana Magazova hat das gemacht, was sich nicht viele trauen. Die heute 25-Jährige ist allein durch Südostasien gereist. Dabei lernte sie nicht nur die verschiedenen Kulturen kennen, sondern vor allem sich selbst.

Gab es auf deiner Reise allein durch Südostasien einen Moment, in dem du dich nicht sicher gefühlt hast?

Einmal bin ich alleine in den Dschungel gegangen. Das war im Norden Thailands in der Nähe von Chiang Mai. Am Morgen dachte ich mir noch: acht Kilometer, läuft. Letztendlich habe ich es unterschätzt. Es gab dort nur einen Weg, einen Trampelpfad und ich wusste, wenn ich von dem abweiche, bin verloren im Dschungel. Das Problem war, dass der Pfad nicht wirklich sichtbar war. Als ich an einer Gabelung stand, bin ich dem falschen Weg gefolgt. Ich bin gelaufen und gelaufen und auf einmal habe ich gemerkt, dass ich in einem Dickicht stehe. Dort war kein Trampelpfad mehr. Ich hab’ nichts mehr erkannt, alles sah gleich aus. 

Diese Situation zeigt, alleine reisen kann auch gefährlich werden. Was hat dich dazu bewegt, alleine nach Südostasien aufzubrechen?

Die Idee ist mehr aus der Not heraus entstanden, weil keiner meiner Freunde mich zu dieser Zeit begleiten konnte. Ich dachte mir, dann mach’ ich das halt alleine – warum eigentlich nicht? Im tiefsten Inneren wollte ich das schon immer ausprobieren und das war dann der Anreiz, es endlich mal durchzuziehen. Zunächst aber hab’ ich mich im Internet darüber informiert, wie es ist, alleine zu reisen. In Reiseblogs habe ich gelesen, dass das recht viele Frauen machen, was mich dann noch mal bestärkt hat. Trotzdem hatte ich Respekt davor. 

Warum hast du dich für Südostasien entschieden?

Ich hatte Bock auf was ganz anderes, weil ich in Europa schon sehr viel herumgereist bin. Viele haben mir geraten, Asien wäre ein gutes Reiseziel, gerade wenn man alleine reisen möchte. Im Gegensatz zu Lateinamerika ist in Südostasien die Infrastruktur gegeben und man trifft dort auf viele Backpacker. Deshalb ist es eine ganz gute Anfangsetappe. Ich habe mir dann gesagt, wenn ich alleine reisen möchte, dann gehe ich nach Asien.

Wie hast du dich auf deine Reise vorbereitet? 

Ich habe viele Reiseführer gelesen, weil ich finde, es gibt nichts Schlimmeres, als in ein Land zu fliegen und dieses nur zu konsumieren. Wichtig ist viel mehr, dass man das Land kennenlernt und die Kultur versteht. Wenn man schon vor Ort ist, sollte man wissen, was man sehen möchte und was zu erwarten ist. Dazu habe ich auch viel im Internet recherchiert: Reiseberichte gelesen, Reiseblogs verfolgt und YouTube-Videos geschaut. Ich wollte aber auch nicht zu viel machen, damit die Überraschung bleibt. Trotzdem war es mir wichtig, gewappnet zu sein. 

Wo warst du denn überall unterwegs?

Begonnen habe ich meine Reise in Bangkok, Thailand und von dort ging es dann nach Kambodscha. Auf dem Weg bin ich an verschiedenen Orten hängen geblieben. In Kambodscha bin ich dann mit der Fähre auf die Insel Koh Rong gefahren. Dort hab´ ich Home Stay gemacht, also ich hab’ bei den Einheimischen der Insel gewohnt. Vom Festland aus ging es dann in den Süden Vietnams nach Ho-Chi-Minh, die zweitgrößte Stadt des Landes. Von dort bin ich mit dem Nachtzug in den Norden gefahren. Ich war zum Beispiel in der Küstenstadt Hội An und hab’ die Halong-Bucht besichtigt, die für ihr smaragdgrünes Wasser bekannt ist. In der letzten Woche bin ich zurück nach Thailand geflogen. Dort war ich im Norden des Landes unterwegs in der Region um Chiang Mai. Danach ging es für mich wieder nach Bangkok, wo meine Reise zu Ende ging.

Svitlanas Reiseroute: Fünf Wochen reiste sie durch Südostasien. Gestartet ist sie in Bangkok. Von dort ging es über den Süden Thailands nach Kambodscha und Vietnam.

Wie bist du gereist? 

Ich bin sehr unterschiedlich gereist. Die etwas längeren Strecken bin ich geflogen. Das war dreimal. Ansonsten bin ich Zug oder Bus gefahren, was echt ein Erlebnis war – vor allem in Vietnam. 

Warum war es gerade in Vietnam ein Erlebnis mit dem Zug oder Bus zu reisen?

Die Busse in Vietnam haben Betten, die zum größten Teil echt klein sind. Es ist nicht so, dass ich sehr groß bin, aber für die Verhältnisse in Asien schon. Du liegst dann 20 Stunden zusammengekauert in deinem Bett und ziehst deine Beine und Arme an. Das war schon sehr unbequem. In Europa kennt man solche Liegebusse nicht.

Solche langen Fahrten hast du zum Teil ganz allein auf dich genommen, ohne jemanden zu kennen. Wie ist es, alleine zu reisen?

Wenn du alleine reist, ist es ganz anders, als wenn noch jemand dabei ist, den du gut kennst. Ich zum Beispiel war viel konzentrierter und gefasster.

Hat dir das geholfen, wieder aus dem Dschungel zu finden?

Das Problem ist, im Dschungel ist es sehr laut, als wären dort ganz viele Bohrmaschinen. Du wirst davon wahnsinnig. Deshalb konnte ich mich nicht wirklich auf die Situation konzentrieren. Das war so ein Moment, in dem ich nicht rational denken konnte und wirklich Panik bekommen hab’. Denn du bist nicht irgendwo im Schwarzwald. Wenn du im Dschungel verloren gehst, bist du verloren. Letztendlich hat mich die App Maps.me gerettet, eine Offlinekarte, die du dir auf dein Handy laden kannst. Mit Maps.me habe ich dann versucht, zurück zum Trampelpfad zu finden. Es gab wirklich nur diese eine Linie auf der Karte und außen rum war nur grün, eine riesige Fläche. Hätte ich Maps.me nicht gehabt – ich weiß nicht, wie ich zurückgefunden hätte. Vielleicht hätte ich Glück gehabt oder Leute getroffen. 

Erinnerst du dich an eine weitere konkrete Situation, als du gemerkt hast: „Ich wäre jetzt doch nicht gerne alleine unterwegs“?

Ja, auf jeden Fall. Gerade die erste Woche war hart, weil ich davor noch nicht so oft alleine gereist bin – vor allem nicht so weit. Dann ist es eben passiert, dass ich aus dem Reisebus ausgestiegen bin, weil ich dachte, ich hab’ mein Handy auf dem Tisch an der Raststätte vergessen. Meinen Rucksack hab’ ich zurück im Bus gelassen, weil ich dachte der Busfahrer weiß Bescheid. Der hat mich wohl falsch verstanden. Denn ab dem Moment, als ich ausgestiegen bin, gingen die Türen zu und der Bus ist mit meinem ganzen Gepäck weggefahren. Wir hatten 4 Uhr nachts. Mein Handy, das lag natürlich nicht auf dem Tisch, sondern war im Bus. 

Was hast du dann gemacht?

Ich habe mir gewünscht, dass irgendjemand da wäre, der mir hätte helfen können. Denn viele haben mich auch gar nicht verstanden und Englisch ist dort eben nicht die Sprache, auf die man sich verlassen kann. Aber letztendlich muss man versuchen, Ruhe zu bewahren, freundlich und authentisch zu sein. Gerne auch mal zeigen, dass man verzweifelt ist, denn die Leute sind hilfsbereiter, als man zunächst annimmt. Ich habe dann schnell jemanden gefunden, der mich mit dem eigenen Reisebus mitgenommen hat. Da war so eine Art Verfolgungsjagd. Wir sind dem anderen Bus hinterhergefahren. Letztendlich haben wir ihn eingeholt und ich hab’ alle meine Sachen wiedergekriegt.

Du hast gerade beschrieben, dass Ruhe zu bewahren in solchen Momenten sehr wichtig ist, auch wenn man dabei an seine Grenzen stößt. Ist das die größte Hürde überhaupt, wenn man alleine reist?

Absolut. Alleine reisen ist kein Urlaub, wie wenn man das in einer Gruppe machen würde oder zu zweit. Für einen persönlich bringt es jedoch sehr viel. Am Anfang war es zwar schwierig. Da hatte ich öfters Situationen, wie ich gerade beschrieben habe. Mit denen konnte ich aber nach einer Weile umgehen. Die Gelassenheit kommt dadurch, dass man merkt, es gibt immer einen Weg. Diese Erkenntnis hilft mir heute in meinem Alltag. Im Nachhinein muss ich sagen: Alleine reisen liegt mir mehr. Das ist die ultimative Freiheit.

Für dich hast du herausgefunden: „Ja, alleine reisen, das gefällt mir.“ Kannst du es auch anderen empfehlen?

Absolut, ja kann ich. Wobei man auch der Typ dafür sein muss. Es gibt Leute, die möchten ihre Erlebnisse teilen. Ich kann mir vorstellen, dass es für sie der Horror wäre, alleine unterwegs zu sein. Wenn du alleine reist, hast du diese Momente nur bei dir. Du kannst sie zwar anderen erzählen. Trotzdem ist es etwas anderes, als wenn dich jemand begleitet, der diese Momente auch miterlebt hat. 

Du hast Lust auf eine Reise allein? Hier sind ein paar Tipps von Svitlana für dich:

1. Informiere dich vor Reisebeginn über die Kultur und das Land, das du bereisen möchtest.
2. Kümmere dich vor Abflug um deine erste Unterkunft. So kannst du entspannter starten.
3. Wenn dir Menschen irgendwie seltsam vorkommen – hör’ auf deine Intuition und nimm lieber Abstand.
4. Trinke nie so viel Alkohol, so dass du die Kontrolle über dich selbst verlierst.
5. Mach’ dir keinen zu großen Kopf und vergiss nicht, deine Reise zu genießen.

Ihre Südostasienreise trat Svitlana Magazova nach ihrem Bachelorabschluss Anfang des Jahres 2017 an. Zuvor hatte sie Medienwissenschaften in Tübingen studiert, ursprünglich kommt Svitlana aus Ulm. Derzeit macht sie ihren Master in Unternehmenskommunikation an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Auch für dieses Jahr hat sie bereits Reisepläne: Sie möchte für ein paar Tage nach Budapest, in die Hauptstadt Ungarns – natürlich allein.