"Ich glaube, ich könnte nie wieder pendeln, da ich es mittlerweile liebe, in Stuttgart zu leben."
Vom Pendelchaos zur neuen Heimat
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Hinweis
Dieser Beitrag ist Teil eines Dossiers zum Thema "Studentisches Wohnen".
Außerdem zum Dossier gehören folgende Beiträge:
• „ Meine Mitbewohnerin hat schon Enkelkinder“
• “Alternative Wohnform: Was das Collegium Academicum bietet-add.it”
• “Fehlender Wohnraum für Studierende”
Nila Javanshad ist Studentin und pendelt täglich über eineinhalb Stunden an die Uni. Sie ist 22 Jahre alt und studiert im fünften Semester Medienwirtschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Sie lebt bei ihren Eltern in ihrer Heimatstadt Bretten. Bretten ist eine Stadt im westlichen Kraichgau mit rund 30.000 Einwohnern und liegt rund 65 km nordwestlich von Stuttgart. Das Pendeln ermöglicht es Nila, Kosten für eine Wohnung in Stuttgart zu sparen, weiterhin bei ihrer Familie zu wohnen und ihrem Hobby in ihrer heimischen Volleyballmannschaft nachzugehen. Solche Beweggründe sind typisch für Pendler*innen. Unter Pendler*innen versteht man Personen, die aus schulischen oder beruflichen Gründen regelmäßig zwischen zwei Orten hin- und herfahren. Ein weiterer Grund für das Pendeln ist der knappe Wohnraum in Stuttgart, der für Studierende schwer bezahlbar ist. Mittlerweile hat Nila die schwierige Wohnungssuche in Stuttgart überstanden und wohnt jetzt im Max Kade Wohnheim in Stuttgart. Nila erzählt wie das Pendeln sie an ihre Grenzen bringt und warum sie letztendlich in das Max Kade zieht.
Das Max Kade Wohnheim
Das Max Kade Wohnheim liegt zentral in Stuttgart. Dank der guten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist das Wohnheim eine ideale Wahl für Studierende, die eine bezahlbare Unterkunft in Uni-Nähe suchen. Das Besondere an diesem Wohnheim ist die große Anzahl an WGs. Wie sich das Zusammenleben in einer so großen WG gestaltet erfahrt ihr in dem Video.
Warum Millionen Menschen täglich pendeln
Das Pendeln gehört für viele Menschen zum Alltag. Einer der Hauptgründe ist die Suche nach besseren Arbeitsmöglichkeiten, die oft in größeren Städten liegen. Gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten in urbanen Zentren häufig hoch, sodass viele ins Umland ausweichen, wo der Wohnraum günstiger ist. Familien ziehen oft aufs Land, um mehr Platz und eine höhere Lebensqualität zu genießen, selbst wenn das längere Arbeitswege bedeutet. Auch persönliche Bindungen spielen eine Rolle: Manche Menschen pendeln, um in der Nähe von Familie und Freunden zu bleiben. Studierende und Auszubildende sind besonders betroffen, da Bildungseinrichtungen oft weit entfernt sind. Pendeln ist für viele eine notwendige Kompromisslösung, um Beruf, Wohnsituation und persönliche Wünsche miteinander zu verbinden – auch wenn es Zeit und Energie kostet.
Zwischen Verspätungen, Streiks und Unzuverlässigkeit
Das regelmäßige Pendeln stellt für Nila eine erhebliche Belastung dar. Verspätungen und Ausfälle der Züge beeinträchtigten ihren Alltag maßgeblich. Insbesondere in den letzten Jahren kam es vermehrt zu Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die unter anderem eine bessere Bezahlung und reduzierte Arbeitszeiten forderte. Für Pendler*innen stellt dies eine sehr schwierige Situation da. Für Nila bedeutet dies, dass sie oft nicht weiß, wie sie den Weg nach Stuttgart meistern kann: „Die Bahn hat oft gestreikt oder ist gar nicht gefahren. Das heißt, ich wusste oft gar nicht wie ich nach Stuttgart kommen soll“. Zudem ist sie abhängig von den Fahrplänen, da die Verbindung nach Bretten oftmals nur stündlich verfügbar war. Die Unzuverlässigkeit des Bahnverkehrs und die eingeschränkte Taktung der Verbindungen erschweren ihren Studienalltag erheblich. Sie hat lange Wartezeiten am Bahnhof, kommt zu spät zu Vorlesungen und ist gestresst in der Uni.
Eingeschränkte Leistungsfähigkeit durch das Pendeln
Das Pendeln beeinträchtigt Nila’s Studienleistungen. Aufgrund der täglichen Pendelzeit von mindestens drei Stunden hat sie weniger Zeit für das Lernen zur Verfügung. Zwar versucht Nila, die Zeit in der Bahn effektiv zu nutzen, jedoch fällt es ihr dort deutlich schwerer, sich zu konzentrieren: „Ich hab später und weniger gelernt als die anderen, weil ich einfach oft nach einem langen Tag, an dem ich gependelt bin und noch Training hatte, Abends zu müde war um zu lernen. Das heißt ich habe manchmal gar nicht gelernt.“, erzählt Nila. Ähnliche Auswirkungen zeigen sich bei ihrem Hobby, denn im Volleyball Training kann sie häufig nicht die volle Leistungsfähigkeit abrufen. Insgesamt beeinträchtigt das Pendeln Nilas Leistungsfähigkeit erheblich, wodurch sie viele Aspekte ihres Studiums und ihrer Freizeit nicht uneingeschränkt genießen kann. Auch das Knüpfen von Kontakten an der Uni wird deutlich erschwert. Nila ist weniger flexibel für Aktivitäten mit ihren Kommiliton*innen und bei späten Uhrzeiten wird es für sie schwer, wieder nach Hause zu kommen. Für Nila wird nach einem Semester klar, dass sie das Pendeln nicht ihr ganzes Studium weiterführen kann. Es muss sich etwas ändern.
Pendel-Hotspot Stuttgart
Im Jahr 2023 pendelten deutschlandweit 24,42 Millionen Erwerbstätige über die Grenzen ihres Wohnorts zu ihrer Arbeitsstelle. Das statistische Landesamt konnte nach Auswertung der Pendlerrechnung feststellen, dass drei von den 20 pendelstärksten Städten in Deutschland in Baden Württemberg liegen. Der Stadtkreis Stuttgart liegt mit ca. 318.000 Pendler*innen auf Platz sieben deutschlandweit. Stuttgart besitzt durchschnittlich die längsten Pendlerwege in Baden Württemberg. Die genaue Anzahl der Studierenden in Deutschland, die täglich zur Universität pendeln, wurde hingegen nicht statistisch erfasst. Das Deutsche Studierendenwerk geht jedoch davon aus, dass aufgrund der hohen Studienanfängerzahlen und der angespannten Wohnsituation in Universitätsstädten viele Studierende pendeln müssen. Im Wintersemester 2023/2024 waren insgesamt rund 2,87 Millionen Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Etwa 23 Prozent dieser Studierenden leben bei ihren Eltern. Da Elternhäuser oft weiter von den Universitäten entfernt liegen, pendeln die Studierenden häufig.
Warum der Umzug die richtige Entscheidung war
Das tägliche Pendeln beeinträchtigte Nila so sehr, dass sie sich letztlich dazu entschied nach Stuttgart zu ziehen. Sie empfindet seit dem Umzug eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität: „Ich hab jetzt wieder mehr Zeit im Leben, bin nicht mehr so abhängig von den Bahnen, ich bin schneller daheim und bin grundsätzlich flexibler und entspannter“. Sie kann sich nun wieder verstärkt auf den Sport und das Lernen fokussieren. Es fällt ihr nach ihrem Umzug deutlich leichter sich ein Leben in Stuttgart aufzubauen und soziale Kontakte zu knüpfen. Zudem kann sie mehr am Uni Leben teilhaben. Darüber hinaus hat Nila wieder mehr Freizeit und empfindet im Alltag deutlich weniger Stress. Nila könnte sich aus heutiger Sicht, nicht mehr vorstellen wieder zu pendeln: „Ich glaube, ich könnte nie wieder pendeln, da ich es mittlerweile liebe, in Stuttgart zu leben.“Die Tatsache, dass Pendeln so viel Zeit ihres Lebens in Anspruch genommen hat, die sie sinnvoller hätte nutzen können, bestätigt das. Nila fühlt sich mittlerweile wohl in Stuttgart, obwohl es zu Beginn eine große Umstellung für sie war, nicht mehr bei ihrer Familie zu leben. Sie hat wieder mit ihrem Hobby, dem Volleyballspielen angefangen. Nila vermisst zwar ihr altes Team und ihre Heimatfreunde, jedoch hat sie sich mittlerweile einen großen Bekanntenkreis in Stuttgart aufgebaut. Besonders mit ihren WG Mitbewohner*innen versteht sie sich sehr gut. Kurz nach ihrem Umzug ist sie am Wochenende oft noch in ihre Heimat gefahren, mittlerweile verbringt sie ihre Zeit lieber in Stuttgart.
Für Nila hat das Pendeln nicht funktioniert. Es gibt aber durchaus Studierende, für die es eine gute Lösung ist. Ob jemand gut mit dem Pendeln zurechtkommt, hängt von mehreren Faktoren ab. Menschen, die ihre Pendelzeit produktiv nutzen – etwa zum Lesen, Lernen oder Entspannen – empfinden den Fahrtweg oft als weniger belastend. Auch persönliche Einstellungen spielen ein Rolle. Ein gut ausgebautes Verkehrssystem oder flexible Unizeiten können das Pendeln zusätzlich erleichtern. Die individuelle Belastbarkeit und das Umfeld bestimmen also maßgeblich, wie gut Menschen mit dem Pendeln umgehen können.