Zu Gast bei der Alternative für Deutschland

Stimmungsmacher

Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, spricht beim öffentlichen Stammtisch anlässlich des fünfjährigen Bestehens der AfD Mannheim.
02. Juli 2018

Die Alternative für Deutschland (AfD): Stärkste Oppositionskraft im deutschen Bundestag. Eine Partei, die Political Correctness ablehnt und rechtspopulistische Grenzen ausreizt. Zu Gast bei denen, die wissen, wie man Stimmung macht.

 

Auftakt

„Gehen Sie mit mir gemeinsam nach Pakistan.“ Gelächter. „Fordern Sie dort eine gesamte medizinische Versorgung und gutes Essen. Bestehen Sie darauf, dass alles in Ihrer Sprache kommuniziert wird. Verlangen Sie Kindergeld und schaffen Sie sich vier Frauen an.“ Applaus. „Überall werden solche Menschen des Landes verwiesen, außer in Deutschland. Das muss sich ändern! Wenn wir scheitern, dann scheitert die Zukunft unserer Kinder!“ Jubel bricht aus und der Saal tobt.

Mit diesen Worten beendet Marc Bernhard, Bundestagsabgeordneter für die AfD, seine Rede in einem überfüllten Mannheimer Schützenhaus, dem Veranstaltungsort des öffentlichen AfD-Stammtisches vor einigen Wochen. Als Vorredner verlässt Bernhard die Bühne für den „Höhepunkt“ – seine Fraktionschefin Alice Weidel.

Marc Bernhard war früher bei den Jungsozialisten (Jusos) und anschließend Mitglied der Jungen Union. Heute ist er Bundestagsabgeordneter für die AfD.
Alice Weidel ist für viele Besucher das Highlight des Abends. Nach der Veranstaltung schießen sie noch Selfies mit der Fraktionsvorsitzenden.
„Die anderen Bundestagsfraktionen winken jeden Schwachsinn aus Brüssel durch“, behauptet Weidel gegenüber den Anwesenden.
Ob Intonation, Mimik oder Gestik: Alice Weidel weiß mit ihrer Rhetorik zu überzeugen.

Standing Ovations für Alice Weidel

Sie betritt die Bühne und will nach langem Applaus gerade das Wort ergreifen. „Fangt das Biest!“, schallt es da plötzlich durch den kleinen Saal. Es ist ein junger Mann aus dem Publikum, der die AfD-Politikerin meint. Ohne sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen, antwortet Weidel: „Wir pflegen hier eine offene Diskussionskultur.“ Bevor die Security ihn hinausbringen kann, verschwindet er in der Menge und sie beginnt ihre Rede.

„Ich gehöre zu der Kategorie: Die, die schon länger hier leben.“

Slogan auf dem Pullover eines 16-Jährigen, der mit Alice Weidel ein Selfie schießt.

Weidel erzählt von Witzen und Anekdoten, zwischen ihr und Alexander Gauland, ebenfalls Fraktionsvorsitzender der AfD. Sie bedankt sich mehrfach bei allen Parteimitgliedern und Unterstützern. Sie berichtet von der Ablehnung, die sie im Bundestag täglich zu spüren bekäme und skizziert das Bild eines trostlosen Deutschlands, welches sich viel zu viel von Brüssel diktieren ließe: „Die anderen Bundestagsfraktionen winken jeden Schwachsinn aus Brüssel durch.“ Und: „Unter Merkel ist das Land zu einer Bananenrepublik verkommen.“ Angela Merkel ist ein Dauerbrenner an diesem Abend. Auch wenn sie nicht anwesend ist. Wenn das Publikum für längere Zeit nicht applaudiert, streut Weidel eine Geschichte von den „Taugenichtsen“ aus dem Bundestag ein – und die Stimmung im Schützenhaus steigt wieder.

Das Highlight für das begeisterte Publikum: Alice Weidel erhält Boxhandschuhe als Dank für ihren Besuch. Am Ende belohnt die Fraktionsvorsitzende wiederum die Anwesenden mit Selfies und persönlichen Händedrücken – auch dann noch, als es draußen schon dunkel ist.

Als Dank für ihren Auftritt im Schützenhaus erhält Weidel vom Pressesprecher der AfD Mannheim (nicht im Bild) ein Paar Boxhandschuhe.
Lauter Jubel für Alice Weidel.
Ein großes Polizeiaufgebot mit Mannschaftswagen und Pferden ist vor Ort – um Konfrontationen von Besuchern und Demonstranten zu verhindern.

Wir werden diese völlig unkontrollierten Flüchtlingsbewegungen nicht überleben.

Alice Weidel

Flüchtlinge als Bedrohung

Zum Ende ihrer Rede thematisiert Weidel einen weiteren Dauerbrenner der AfD: Die Flüchtlingsbewegungen. Auch in ihren Programmpapieren nehmen die Themen Einwanderung und Asyl viel Platz ein. Im Grundsatzprogramm von 2016 herrscht zwar ein sachlicherer, differenzierterer Tonfall vor, aber es finden sich auch Formulierungen, die übertrieben wirken. Mit Blick auf Flüchtlingsströme aus dem Nahen Osten und Afrika heißt es beispielsweise: Wir stehen „erst am Anfang unvorstellbarer Wanderungsbewegungen in Richtung der wohlhabenden europäischen Staaten.“ Im Wahlprogramm zur Bundestagwahl 2017 wird die Anzahl wanderungswilliger Menschen aus Afrika auf 350 Millionen beziffert, die „unseren Kontinent in wenigen Jahren destabilisieren können.“ Als Quelle werden soziografische Fachleute genannt. Auf Frage nach den konkreten Studien gibt die Pressestelle der AfD in Berlin lediglich Links zu Artikeln des Bayernkuriers und der Welt aus, wo sich die konkreten Zahlen aber nicht wiederfinden. „Unvorstellbare Wanderungsbewegungen“ und „Destabilisierung“ eines ganzen Kontinents – woran liegt es, dass die AfD ein so düsteres Zukunftsbild zeichnet?

Spiel mit der Angst

Prof. Dr. Karin Priester, pensionierte Politikwissenschaftlerin der Universität Münster, sieht zwischen der AfD und Ängsten in der Bevölkerung einen konkreten Zusammenhang.

Das Phänomen AfD könne nicht allein durch vorhandene Ängste in der Bevölkerung erklärt werden. Wichtig bleibe noch zu erwähnen, dass auch linkspopulistische Parteien gezielt versuchen, Ängste anzusprechen. Diese Vorgehensweise finde man generell bei Parteien oder Bewegungen am Rande des politischen Spektrums.

Abseits der Bühne

Während des Stammtisches ergeben sich zwei Gespräche mit AfD-Funktionären: Alice Weidel und Malte Kaufmann, Sprecher des AfD-Kreisverbands Heidelberg, beschreiben, wie sie sich die Zukunft Europas vorstellen. Äußerungen von Weidel wie „die anderen Bundestagsfraktionen winken jeden Schwachsinn aus Brüssel durch“ in Bezug auf EU-Verordnungen, klingen nun nicht mehr durch.

Interviews in voller Länge

Aus Gründen der Transparenz sind hier alle Interviews in ihrer Gänze verlinkt: 

Malte Kaufmann (Pressesprecher des AfD Kreisverbandes Heidelberg), 

Alice Weidel (Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag), 

Karin Priester (Politikwissenschaftlerin der Universität Münster).

Stimmenfänger

Mittlerweile ist es spät. Der Stammtisch ist zu Ende und die Gäste wirken in ihrer politischen Meinung bestätigt. Weidel habe vielen imponiert, „bürgernah“ sei sie, heißt es unter den Parteianhängern. Einige Gäste teilen ihre Selfies direkt auf WhatsApp und wollen nun auch in die AfD eintreten. Für Weidel jedoch geht es morgen zurück zu den „Taugenichtsen“ in Berlin, die sich mit Populismus und Polemik wohl nicht so leicht überzeugen lassen. Die Boxhandschuhe nimmt sie mit.