Schweine auf großer Reise
Ein Transporter, beladen mit Schweinen, fährt auf die Autobahn auf. Dicht hinter ihm: ein Einsatz-Team der Animals’ Angels. Sie folgen ihm, bis er anhalten muss – zum Tanken oder um eine Pause zu machen. Sie steigen aus und gehen zum Transporter. Sie sprechen mit dem Fahrer. Ob sie sich die Tiere mal anschauen können, fragen sie. Sie dürfen.
Bei ihren Einsätzen geht es den Tierschützern darum, zu kontrollieren, ob die von der EU im Jahr 2005 erlassene Tierschutztransportverordnung eingehalten wird. Sie schauen in die Tiertransporter, machen Fotos und Videos von den Tieren. Wenn das Team Verstöße feststellt, verfasst es Beschwerden und erstattet Anzeige. Bei gravierenden Vergehen ziehen die Animals’ Angels die Polizei vor Ort hinzu. Auf jeden Verstoß folgt ein Bericht: „Wenn wir an die EU-Kommission schreiben, kommt immer ein freundlicher Brief zurück. Man nehme es zur Kenntnis. Man wisse um die Probleme und wolle Maßnahmen ergreifen“, erzählt Felix Kottmair, Projektassistent der Animals’ Angels. Doch man sehe auch heute, mehr als zehn Jahre nachdem die EU die „Richtlinien zum Schutz von Tieren beim Transport“ veröffentlicht hat, viele Mängel.
Warum werden Tiere transportiert?
Die EU unterstützt die Wirtschaft in den Mitgliedsstaaten finanziell. Zum Beispiel bekommen Länder, in denen Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, Gelder, um den Aufbau von größeren Schlachthäusern zu ermöglichen. In anderen Ländern wiederum soll die Argrarindustrie ausgebaut werden. Dort setzt die EU Finanzspritzen in die (Auf-)Zucht von Tieren. Damit die Fleischindustrie kostengünstig produzieren kann, nutzt sie diese Subventionen. Die Tiere werden daher von einem Land ins andere transportiert.
Klassische Missstände bei Tiertransporten sind, dass die Tiere auf der Fahrt nicht genug Wasser bekommen oder sich aufgrund des Platzmangels verletzen. Situationen, die die Verordnung eigentlich unmöglich machen sollte. Doch das Gesetz ist an vielen Stellen ungenau formuliert und lässt viel Handlungsfreiraum.
Ganze 53 Mal werden auf den 44 Seiten „angemessene“, „ausreichende“ oder „genügende“ Zustände gefordert – aber was heißt das?
Die vagen Formulierungen kritisiert auch Maria Heubuch, Abgeordnete der Grünen im europäischen Parlament: „Es gibt viel Interpretationsspielraum. Zum Beispiel die Frage danach, wann die Transportzeit tatsächlich beginnt. Ist das, wenn das erste Tier geladen wird, wenn alle Tiere geladen sind oder wenn der Transporter den Abfahrtsort verlässt?“
So kann ein ausgewachsenes Mastschwein bis zu 24 Stunden bei bis zu 35 Grad transportiert werden – und dieser Transport befindet sich immer noch innerhalb der Richtlinien. Aber ist das „angemessen“? Gerade wegen dieser schwammigen Wortwahl lassen sich die Richtlinien deutlich schwerer durchsetzen. Tierärzte, die entscheiden, ob die Transporte zugelassen werden, können sich bei Kontrollen nicht auf klare Gesetze berufen. Deswegen neigen sie dazu, Mängel nicht anzusprechen. Die bestehenden Regelungen lassen sich allerdings nur durchsetzen, wenn jemand die Tiertransporte kontrolliert. Die Kontrollen sind – laut europäischer Verordnung – auch hier wieder in „angemessener“ Anzahl durchzuführen. Was das heißt? Darüber will scheinbar keiner reden. Die zuständigen Behörden in Deutschland sind die örtlichen Veterinärämter. Statistiken, wie oft Transporte in den vergangenen Jahren kontrolliert wurden, gibt es nicht. Somit kann man nicht nachweisen, ob genug Kontrollen durchgeführt wurden.
Einer, der sich mit Fleisch auskennt, ist Florian Achmann. Er ist zuständig für den Fleischeinkauf bei Feinkost Böhm in der Stuttgarter Innenstatt. Weil er schon seit mehr als 30 Jahren im Geschäft ist, weiß er die guten Seiten eines vereinigten Europas zu schätzen. „Die EU hat für mich einfach den großen Vorteil, dass wir keinen Zoll mehr haben. Ich kaufe Mittwoch in der Früh in Frankreich ein, schicke die Spedition auf den Weg und Donnerstag früh ist das Fleisch hier in Stuttgart.“ Früher war das alles nur mit Zoll und Begleitpapieren möglich. Aber Tiere über den Kontinent zu fahren, kommt für ihn nicht infrage: „Die Qualität des Fleisches leidet unter einem langen Transportweg.“
Trotz EU-Richtlinien muss man sich auf Gütesiegel verlassen. Bioland oder Naturland gewährleisten beispielsweise, dass sie die Tiere insgesamt höchstens vier Stunden und 200 Kilometer transportieren. „Wir schlachten und jagen Tiere, um sie zu essen, was ein ganz normaler, legitimer Prozess ist. Aber es ist auch so: wir sollten dem Tier, sowohl dem Gejagten als auch dem Geschlachteten, mit dem allergrößten Respekt gegenüber treten“, findet Achmann.
Was macht man nun am besten, wenn man einen Tiertransport sieht? Hinterherfahren und kontrollieren, wie viele Pausen er macht? Wohl eher nicht. Fleisch kaufen, das aus der Region kommt? Schon eher. Und vielleicht seltener. „Wenn man nur zweimal pro Woche Fleisch isst, fühlt man sich einfach besser“, erklärt der Fleischexperte. Sein Tipp: „Klasse statt Masse!“