Die Zukunft der Landwirtschaft: Recyceltes Abwasser
Das Problem
„Es wird in Deutschland angenommen, dass wir noch genug Wasser haben. Dieses Argument verkehrt sich momentan ins Gegenteil. Die Landwirte blicken mit Sorge auf den dritten trockenen Sommer“, sagt Projektleiter Thomas Dockhorn von der Technischen Universität Braunschweig. „Wir konnten in den letzten beiden Jahren gut beobachten, wo Wasser war und wo nicht. Wo kein Wasser war, da ist keine oder eine ganz schlechte Ernte.“ Die Wasserressourcen, die die Landwirte verwenden, reichen nicht mehr, um ihre landwirtschaftlichen Flächen zu bewässern. „In Folge des Klimawandels wird Wasserknappheit auch in Deutschland ein Problem darstellen“, warnt Dockhorn.
Die Lösung
Hydroponischer Pflanzenanbau, bei dem mit aufbereitetem Abwasser gearbeitet wird, das könnte eine Lösung und eine Zukunftsform der Landwirtschaft darstellen. Der Landwirt baut die Pflanzen bei diesem Verfahren in Gewächshäusern in Pflanzengefäßen an und versorgt sie durch eine Nährlösung. Eine Hydroponik-Nährlösung besteht aus Wasser und wasserlöslichen Salzen. Die Salze sind essenzielle Pflanzennährstoffe. Den Ertrag und den Geschmack beeinflusst die hydroponische Nährlösung dabei maßgeblich.
Wie funktioniert die Aufbereitung des Abwassers?
Das hydroponische System ist wassersparender als der herkömmliche Pflanzenanbau mit Erde: Es versickert kein Wasser in den Boden und es verdunstet auch weniger Wasser. Um das System noch wassersparender zu machen, wird in dem neu entwickelten Verfahren nicht wie üblich Trinkwasser, sondern aufbereitetes Abwasser verwendet. Normalerweise fließt das Abwasser durch die Kläranlage, wird in einem Drei-Stufen-Verfahren gereinigt und mündet schließlich in einen Fluss. In der ersten Reinigungsstufe (mechanische Reinigung) wird der grobe Schmutz beseitigt, wie Papier, Flaschen, Äste, Kies und Sand. In der zweiten Reinigungsstufe (biologische Reinigung) werden Schadstoffe wie Schwermetalle eliminiert. Zuletzt in der dritten Reinigungsstufe (weitergehende Reinigung) werden Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor aus dem Wasser entfernt. Die würden sonst im Gewässer unerwünscht Algen und Unterwasserpflanzen düngen. Diese Nährstoffe sind jedoch für den landwirtschaftlichen Pflanzenanbau sehr nützlich, da die Pflanzen sie zum Wachsen benötigen. Allerdings sind die Nährstoffe im Abwasser zu hoch konzentriert, daher müssen sie bei der Aufbereitung reduziert werden. Ohne die Aufbereitung wirkt die hohe Nährstoff-Konzentration toxisch für den Pflanzenanbau und würde der Pflanze schaden. Ebenso muss der hohe Kohlenstoffanteil im Abwasser vollständig entzogen werden. Durch den Kohlenstoff können sich beispielsweise Biofilme bilden, in denen sich Bakterien und Algen ansiedeln. Das Reinigungsverfahren muss also einen Anteil an Nährstoffen beibehalten und den Kohlenstoff vollständig entziehen.
Die Kritik
Thomas Albers vom Vorstand des Fachverbands Gemüsebau aus dem Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland blickt kritisch auf das neue System: „Es gibt zwar schon die Bewässerung von Feldern mit Abwasser, aber bei der Hydrokultur ist das noch mal schwieriger, da die Pflanzen in direktem Kontakt mit dem Abwasser sind. Wenn ich eine Ladung Gurken liefere und die stellen fest, dass da Bakterien dran sind, dann kann ich meinen Laden dichtmachen.“
Trotz der Aufbereitung muss gewährleistet werden, dass das Wasser keine Schadstoffe aufweist. „Krankheitserreger dürfen nicht enthalten sein“, erklärt Maximiliane Kühl, Betriebsingenieurin bei der Stadtentwässerung Stuttgart. Damit das Abwasser für die Landwirtschaft genutzt werden kann, darf in der Kläranlage nur kommunales Wasser fließen - also Abwasser aus Haushalten sowie Regenwasser. „Bei größeren Kläranlagen ist meist Industriewasser dabei“, meint Kühl.
Zukunftsfähig oder zu hohes Risiko?
Mit dem Abwasser-System tragen Kläranlagen und Landwirte zum nachhaltigen Pflanzenanbau und zur effizienten Wassernutzung bei. Jedoch müssen Anreize zur Umsetzung geschaffen werden. Kläranlagen und Landwirte haben nicht die nötigen finanziellen Mittel für den Umbau. Zudem sind die Haftungsverhältnisse in Deutschland nicht ausreichend geregelt, falls Bakterien in das Gemüse gelangen sollten. Außerdem ist die Hydrokultur für den Gemüseanbau in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Zuerst müssten mehr Landwirte den hydroponischen Pflanzenanbau fördern, um diesen dann auch mit dem nachhaltigen Verfahren der Abwassernutzung zu verbinden.
Weitere Informationen
Das Forschungsprojekt HypoWave
Das Projekt: Einsatz hydroponischer Systeme zur ressourceneffizienten landwirtschaftlichen Wasserwiederverwendung (HypoWave)
Das Forscherteam: 13 Partner aus Forschung und Wirtschaft, unter der Leitung von Thomas Dockhorn von der Technischen Universität Braunschweig
Aufbau des Projekts: In einem Gewächshaus untersuchte das Forscherteam über drei Jahre die Bewässerung durch Abwasser an hydroponisch angebauten Nutzpflanzen
Der Standort: Auf dem Gelände der Kläranlage in Hattorf, einem Stadtteil von Wolfsburg
Die Förderung des Projekts: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Verbundprojekt als Teil der Fördermaßnahme WavE
Website zu HypoWave: http://www.hypowave.de/projekt/