Gesang

„Ich will jetzt einfach nur Musik machen!“

27. Jan. 2021
Eine Sängerin, die ihre Stimme nicht mag. Rachel Ackermann (27) im Gespräch: Wie sie ihre Leidenschaft zum Gesang wieder gefunden hat, was Musik für sie bedeutet und wie sie ihre Berufung entdeckt hatte.

Was ist das Schlimmste, was einer Sängerin passieren kann?

Meine Stimme war nach dem Studium kaputt. Das war das Schlimmste, was mir passieren konnte. Das, was du studierst, was du lernst, wofür du Zeit und Geld investierst, das funktioniert dann im Nachhinein nicht. Nachdem man eine Gesangsausbildung abschließt, sollte man eigentlich besser sein - aber ich war schlechter als vor der Ausbildung.

Wie hast du dich in dem Zeitpunkt gefühlt?

Ich fand meine Stimme nicht schön und das hat mich immer wieder runtergezogen. Ich konnte mir damals auch meine Aufnahmen nicht anhören, ich fand die immer schlimm.

Ihre Gesangsausbildung schloss Rachel an der Music Academy in Stuttgart ab. Sie zog von ihrem Elternhaus aus, um so ihren Wunsch, Musik zu studieren, verwirklichen zu können.

Wie bist du aus diesem Tief wieder rausgekommen?

Die Stimme hat viel mit der Psyche zu tun. Ich habe mich in Stuttgart ohne meine Familie sehr alleine gefühlt. Zusätzlich hatte ich ständig diesen Druck im Studium: Du musst besser sein, du bist nicht gut genug. In so einer Ausbildung wird man ja auch verglichen. Das hat mir schon ordentlich zugesetzt und mir das Gefühl gegeben, dass ich nicht gut genug bin. Meine Probleme habe ich erst angefangen zu beheben, als ich zurück nach Hause, zu meiner Familie in Andernach zog. Ich bin voll der Familienmensch. Ich komme aus einer großen Familie, die mir in Stuttgart einfach sehr gefehlt hat.

Wie übst du nun deinen Beruf bei dir zuhause aus?

Als ich zurück zu meiner Familie gezogen bin, hatte ich schon eine Zusage an der Musikschule in Koblenz. Ich konnte sofort in der Musikschule arbeiten und an zwei Tagen hatte ich die privaten Schüler. Ich gehe bei uns in Andernach in die Kirche. Wir sind eine große Gemeinde, da hat sich das halt schnell rumgesprochen, dass ich privat unterrichte. Das hat sich echt gut entwickelt.

Du gehst in Andernach regelmäßig in die Kirche und singst dort im Chor. In Stuttgart hast du in einem Gospelchor gesungen. Was verbindest du denn mit dem Kirchen- und Gospelgesang?

Das sind christliche Lieder und die Texte, die sind einfach zu Ehre Gottes. Ich bin Christ, ich glaube an Gott und für mich hat Gott die höchste Priorität. Deswegen möchte ich mit meiner Musik auch Gott preisen und ehren. Er hat mir das Leben geschenkt und er hat mir die Gabe geschenkt und da möchte ich ihm das mit meiner Musik zurückgeben.

Nachdem du nach Hause gezogen bist, hast du wieder die Freude am Singen gefunden und so deine Stimmprobleme behoben. Hast du jetzt wieder den Wunsch auf der Bühne aufzutreten?

Ja, als ich wieder bei meiner Familie war, habe ich gemerkt, dass meine Stimme auch wieder besser klang. Ich habe angefangen mich umzuschauen, habe meine Daten an Kontakte weitergegeben, sodass ich schon als Einzelmusikerin auf Hochzeiten auftreten konnte. Auch auf Instagram habe ich die ersten Aufnahmen hochgeladen. Das hätte ich früher als meine Stimme kaputt war, niemals gemacht. Ich habe mich dadurch irgendwie immer, wie soll ich das sagen, zurückgezogen - ich habe mich zurückgehalten an die Öffentlichkeit zu gehen und aufzutreten. Aber jetzt, nachdem es mir seelisch wieder besser geht und sich so auch meine Stimme wieder regeneriert hat, traue ich mich, Aufnahmen in die Öffentlichkeit zu stellen.

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Du bist mit 17 Jahren eine Zeit lang in Weißrussland bei Bekannten gewesen und hast dort eine Musikschule besucht. Wie hat dieser Aufenthalt dir geholfen, deine Berufung als Musikerin zu finden?

Ich war vor meinem Auslandsaufenthalt in so einer Phase, ich wusste beruflich nicht so ganz, was ich machen will. Ich habe mein Fachabi gemacht, aber es war irgendwie nicht meins. Das lief dann einfach so schlecht, dass ich das dann abgebrochen habe. Ich habe dann weitergesucht, habe mich im Reisebüro und für Minijobs beworben. Ich habe überall Absagen bekommen, irgendwie lief alles voll schlecht. Irgendwie konnte ich mich mit nichts identifizieren. Ich habe nichts gefunden, wo mein Herz aufging. Ich hatte zwar schon vor meinem Auslandsaufenthalt Gesangs- und Klavierunterricht, doch erst in Weißrussland entdeckte ich die Musik für mich als Beruf, ich konnte richtig aufblühen.

Als du nach Studiengängen gesucht hast, hast du dich bei der Music Academy in Stuttgart beworben. An was erinnerst du dich, als du die Aufnahmeprüfung bestanden hattest?

Ich war einfach so begeistert, dass ich auf einmal endlich meinen Traum verwirklichen konnte. Ich wurde bei der Music Academy direkt aufgenommen. Ein Dozent hat mir dann auch direkt gesagt, dass ich so gut sei, dass ich auch schon als Quereinsteigerin anfangen kann. Ich war einfach so erleichtert, ich habe gedacht: Lasst mich alle in Ruhe, ich will jetzt einfach nur Musik machen.

Ich wollte damals zu viel, ich machte zu viel, ich war ständig im Stress.

Rachel Ackermann

Wie würdest du deine Zeit in Stuttgart beschreiben?

Harte Zeit, aber auch einer meiner schönsten Zeiten. Es war auf jeden Fall eine sehr intensive Zeit, die mich am allermeisten geprägt hat.

Das heißt du verbindest Stuttgart mit schmerzlichen, aber auch mit schönen Erinnerungen?

Ja, ich habe mir damals in der Ausbildung zu viel Druck gemacht. Das ging alles auf meine Stimme, das hat mich alles sehr belastet und so klein gemacht. Ich wollte damals zu viel, ich machte zu viel, ich war ständig im Stress. Jetz mache ich eins nach dem anderen. Ich möchte keinen Druck mehr. Früher habe ich einfach nur gesungen, weil ich es musste. Jetzt singe ich wirklich wieder mit Leidenschaft und das macht einfach Spaß.