Das Wilhelma Theater

Hinter dem Vorhang

Die Kleider der Damen laden zum Träumen ein
11. Dez. 2017

Das Wilhelma Theater bietet zahlreichen Studenten und Schauspielern einen Ort, um zum ersten Mal eine Bühne betreten zu können. Es entscheidet über Können und Nichtkönnen. Doch hinter dem Theater stecken viel mehr als Schauspieler und alte Gemäuer. Ein Besuch hinter die Kulissen verrät, wer alles am Laufen hält.

 

„Damals, da war das Publikum noch ganz anders. Lange Röcke, die hat man getragen! Jeanshosen? Auf keinen Fall! Verpönt waren die. Jeder hätte sich geschämt“, erzählt eine stattliche Frau mit einem Headset vor dem Mund. Sie sitzt in einem winzigen Vorzimmer mit einem überladenen Schreibtisch, so groß, dass er den halben Raum einnimmt. Ihr Name ist Elke Vonderweidt, sie ist die Empfangsdame des Wilhelma Theaters.

Sie selbst sei schon seit ihrer Kindheit vom Theater begeistert gewesen, erzählt Vonderweidt. Ihre erste Oper? Die Entführung aus dem Serail. Über 60 Mal hat sie das Stück seitdem gesehen. Zu verdanken sei dies ihrer damaligen Lehrerin Frau Geiger. Sie war es, die ihre Schüler damals mit in die Oper nahm.

Nach der Schule absolvierte Vonderweidt eine Lehre in einer Parfümerie in der Königstraße, in der sie auch das erste Mal persönlich in Kontakt mit Künstlern kam. Zwar nur als Lieferbotin, aber das reichte damals aus, um den „süßen Jungs mit nacktem Oberkörper und rosa Hosen“ zu verfallen. „Stellen Sie sich vor! Diese Ballettschühchen! Und dann ich!“, erzählt Vonderweidt, während sie an sich herunter blickt. Auch den großen Richard Cragun und seine damalige Freundin Márcia Haydée, beide durch das Stuttgarter Ballett und den Choreografen John Cranko weltberühmt geworden, lernte sie in der Parfümerie kennen. „Dieser Richard, der war ein Charmeur! Waren ja auch nur junge Damen da. Männer halt. Aber das können sie mir glauben, wenn der gelächelt hat, hab ich gestrahlt!“ 


Gerade als Elke ansetzt, um von weiteren Bekanntschaften zu erzählen, platzt ein junger Mann herein. Er stellt sich als Jochen Schneider vor, würde jedoch von allen nur Jochen genannt werden. Er erklärt sich bereit, eine kleine Einführung in sein Reich, die Technik des Theaters zu geben. Er beginnt mit den Feuerschutzbestimmungen und erzählt, dass laut Versammlungsstättenverordnung bei jeder Aufführung auf einer Großbühne eine Brandwache samt Feuerwehrmann anwesend sein muss. Der Feuerwehrmann sitzt die Vorstellung über neben der Bühne auf seinem Platz und wartet auf den Ernstfall. Außerdem gebe es das Ritual, den Vorhang vor jeder Vorstellung einmal hoch und wieder runter zu lassen, um die Funktionsfähigkeit zu testen, so Jochen.

 

Mit den Versatzkästen lassen sich die Bühnenabtrennungen bedienen

Im Ton- und Lichtraum, der so winzig ist, dass man sowohl auf seine eigenen, als auch auf die Füße der Person neben sich achtgeben muss, arbeiten „Jan und Johannes, die geilsten Typen im Theater“, wie Jochen erzählt. Jan Schellenberger, der hier von allen nur Jan genannt wird, ist seit sechs Jahren am Theater. Er erzählt, dass erst vor drei Jahren die gesamte Tontechnik erneuert werden musste, was gewaltige Umbauten am gesamten Theater mit sich brachte. Besonders stolz sei er auf ihr sogenanntes Nexussystem, welches den Ton steuert: „Das ist eigentlich Standard in den großen Opernhäusern, doch für uns ist es ein Privileg.“

Jan wartet auf seinen Einsatz

Um seine Arbeit auf den Punkt zu bringen, nennt Jan ein Beispiel: „Einmal hatten wir ein Grammophon auf der Bühne, aber anstatt dieses selber spielen zu lassen, bauten wir einen kleinen Lautsprecher ein. Aus dem ist dann in dem Moment krächzige Musik gekommen, als der Schauspieler die Nadel aufsetzte“. Dafür seien an jeder Ecke des Saals Lautsprecher angebracht. „Sogar aus dem Kronleuchter können wir es akustisch regnen lassen.“

Noch weiter in das tiefste Innere des Wilhelma Theaters muss man, um die Person hinter den organisatorischen Aufgaben kennen zu lernen. Die Betriebsdirektorin Nina Neuburger ist meistens hinter einer Menge Papierkram an ihrem Schreibtisch sitzend anzutreffen. Das Theater sei schon immer ihr Traum gewesen, erzählt sie, allerdings als Dramaturgin. Doch nach ihrem Studium der Theaterwissenschaften merkte sie relativ schnell, dass ihr die organisatorische Arbeit doch mehr am Herzen liege. So wechselte sie von der Bayerischen Theaterakademie zum Wilhelma Theater. Die Einzigartigkeit des Theaters als Lehr- und Lerntheater für Studierende würde sie hier besonders schätzen. Jedoch auch die Mischung aus unerfahrenen Studierenden und Gastspielern, so Neuburger. „Als Theater wird man nur wahrgenommen, wenn man auch spielt. Gastspieler sind auch für Publikum attraktiv, das eher nicht zu den Stücken der Studierenden gekommen wäre.“

In diesem Moment betritt Kersten Paulsen, die Ausstattungsleiterin des Theaters, den Raum. Sie ist gerade auf dem Weg zu ihrem Büro, ein paar Straßen weiter. Fernab des Theaters findet man sich in der Welt der Kostüme wieder. Speziell bei den Herren würden sie es mit der Genauigkeit nicht so eng nehmen, da der Zuschauer in der Regel nicht erkennen kann, ob der Anzug nun aus den 50ern oder den späten 90ern kommt, so Paulsen. Der Frauenfundus würde da schon wesentlich spannender ausfallen.

 „Alles was am Theater dargestellt wird, ist erst einmal eine Figur, die eine Behauptung darstellt.“

Kersten Paulsen
Anzüge so weit das Auge reicht. Auch bei den Herren bleiben keine Wünsche offen

„Die Arbeit im Theater ist eine Arbeit der Kommunikation.“

Kersten Paulsen

Die Schuhe, im Fundus nach Größe und Farbe sortiert, sind von Trödelmärkten oder von einer Firma produzierte Einzelaufträge. Noch ein paar Türen weiter in der Kostümwerkstatt arbeitet die Schneidermeisterin Martina Marx. Sie entwirft gerade ein Kostüm, das aus einem schlanken großen Mann eine adipöse Frau machen soll. Dass ein Mann die Rolle besetzt, gibt das Stück „Viva la Mamma“ vor. Dass es eine dicke Frau wird, haben die Kostümbildner entschieden, so Marx.

Kurze Zeit später im großräumigen Büro von Kersten Paulsen: Sie selbst sei schon seit 1997 am Theater, erzählt sie und dass ihrer Meinung nach in der Professionalität wohl die größte Entwicklung stattgefunden hätte. Gerade in Bezug auf die Arbeit mit Gästen, Regisseuren und Kostümbildnern. Ein großer Unterschied zu ihrer Arbeit als Malerin liege darin, dass sich der Künstler im Atelier größtenteils mit sich alleine auseinandersetzen müsse, ganz anders als im Theater: „Das Ergebnis geht frühestens in den Dialog, wenn es in einer Ausstellung auf Publikum trifft. Die Arbeit im Theater ist eine Arbeit der Kommunikation und steht und fällt mit einem guten Team.“