Therapeut auf vier Pfoten
„Also das ist eine Liebhaber-Sache, etwas, was du gerne machst“, sagt Birgit Zimmel. Anfang der 90er-Jahre hat die Psychotherapeutin mit Fokus auf Verhaltenstherapie ihr Interesse für tiergestützte Therapie entdeckt. Seit 2012 ist sie in diesem Bereich tätig, aber es ist nicht so, dass sie hauptberuflich im Feld der Therapie mit Hunden beschäftigt ist. Birgit Zimmel schmunzelt, als sie von einem ihrer Einsätze berichtet: Bei einem Besuch im betreuten Wohnen hat ein Erwachsener plötzlich angefangen, ihre Hündin Mia zu streicheln. Das war etwas ganz Besonderes, denn der Pfleger teilte ihr später mit, dass der Mann bei vorherigen Besuchen anderer Teams noch nie einen Hund gestreichelt habe.
Therapiehunde werden häufig in drei Bereichen eingesetzt: in der Geriatrie (befasst sich mit der Altersheilkunde), bei geistigen und körperlich beeinträchtigten Kindern und Erwachsenen sowie im betreuten Wohnen. Die tiergestützte Therapie umfasst psychologische, sozialintegrative und pädagogische Angebote für Menschen, die motorisch, kognitiv oder sozial-emotional eingeschränkt sind. Dabei werden unterschiedliche Methoden eingesetzt, in denen die Klient*innen etwa über die Tiere kommunizieren oder mit ihnen interagieren.
In der Praxis fängt die Therapie schon bei kleinen Dingen an, wie die Hand zu öffnen, um dem Hund Leckerlis zu geben, berichtet Birgit Zimmel. Klient*innen fühlen sich außerdem wohler, wenn ein Hund in den Sitzungen anwesend ist: Die Gesprächsatmosphäre ist dadurch viel angenehmer, als wenn man nur mit einem Menschen redet. Das Streicheln des Hundes kann dazu führen, dass Patient*innen ruhiger werden, so die Expertin. Gerade bei Kindern kann die Anwesenheit eines Hundes das Verhalten positiv beeinflussen. Beispielsweise sehen eher schüchterne Kinder im Hund einen besten Freund, dem sie alles erzählen können. Bei älteren Menschen und Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen kann der Therapiebegleithund dazu beitragen, dass nicht nur die Motorik gefördert wird, sondern auch das Gedächtnis, was etwa bei Demenz hilfreich ist.
Um sich zum Therapiehund ausbilden zu lassen, muss der Hund bestimmte Eigenschaften mitbringen: Er sollte liebevoll sein und Befehle befolgen können, so die Expertin. Eine bestimmte Therapiehund-Rasse gibt es dabei aber nicht: Neben Golden Retriever sind Rottweiler oder Border Collies dabei nur ein paar Beispiele. Die Therapeutin berichtet, dass sich kleinere Hunde jedoch oft besser eignen als ihre größeren Gefährten. Die Farbe des Fells kann auch eine Rolle spielen: So werden Hunde mit dunklem Fell oft als gefährlich angesehen und helle Hunde öfter nachgefragt.
Hunde drücken die Schulbank
Bis ein Hund allerdings ein offizieller Therapiebegleithund ist, muss zuerst eine Prüfung abgelegt werden – sowohl für den Hund als auch den Besitzer. In Deutschland und in Österreich gibt es dafür zahlreiche Anbieter. Birgit Zimmel hat die Ausbildung beim Verein „Tiere als Therapie“ absolviert: Die Ausbildung ist in einen theoretischen und praktischen Teil, an dem auch der Hund teilnimmt, gegliedert.
Der theoretischen Teil umfasst Themen von Erste Hilfe über das Verhalten von Hunden, die Einsatzmöglichkeiten in der Therapie bis hin zur richtigen Hygiene des Hundes. Danach geht es auch für den Hund an die Arbeit: Mit unterschiedlichen Übungen lernt er beispielsweise, geduldig zu sein, sich an die Anwesenheit vieler Menschen und auch Gegenstände zu gewöhnen und Hilfsmittel wie Rollstühle oder Krücken zu akzeptieren.
Zum Schluss der einjährigen Ausbildung muss der Hund in einer praktischen Prüfung verschiedene Übungen absolvieren. Die Prüfung müssen Birgit und Mia jedes Jahr wiederholen und zusätzliche Fortbildungseinheiten besuchen. Außerdem muss der Tierarzt jedes Jahr erneut eine Bestätigung über die Gesundheit des Hundes ausstellen, die auch zu Beginn der Ausbildung notwendig ist.
Therapiehunde sind vor allem ... Hunde
Generell werden Therapiehunden mit lieben, braven Hunden in Verbindung gebracht, so Birgit Zimmel. Letztlich sind sie aber ganz normale Hunde wie jede andere Hunderasse. Ausgebildete Therapiehunde müssen aber mehr über sich ergehen lassen und brauchen mehr Disziplin. Dabei ist es die Aufgabe der Hundehalter*innen, klare Grenzen zu ziehen und auf das Wohlergehen der Hunde zu achten. Die Therapeutin merkt kritisch an, dass etwa kleine Kinder dadurch nur liebe und nette Hunde kennenlernen und somit noch nicht verinnerlicht haben, „dass man einfach auf jeden Hund immer speziell zugehen soll.“
Der*die Halter*in muss klare Grenzen ziehen und auf das Wohlergehen und die Bedürfnisse ihres Hundes achten. Denn sosehr Mia den Menschen auch hilft: Sie bleibt ein Hund.