„Dieser alltägliche Sexismus in der Deutschrap-Szene ist nicht nur wahnsinnig dumm, verletzend und menschenverachtend, sondern er zeugt auch davon, dass viele eine ganz wesentliche Idee von HipHop nicht verstanden haben: Es geht um Respekt und Selbstermächtigung – und zwar auch von Frauen.“
Mach dich sexy
„Mach dich Sexy“ – die Rede ist nicht von Detlef D Soosts Fitness-Kampagne, sondern dem Titel einer Instagram-Story des Rappers Bonez MC, in der er Frauen „Tipps“ gibt, was sie sexy macht und was nicht. Er plädiert dafür, dass Frauen nur dann interessant sind, wenn sie etwa wissen, wo der indische Ozean liegt oder sie Schach spielen können. Ansonsten müssten sich Frauen nicht wundern, wenn sie nur auf „Titten und Arsch“ reduziert werden, weil sie sonst ja „gar nix“ können. Klar, die Message dahinter soll vermutlich sein: Für ihn ist es attraktiv, wenn Frauen Hobbies und Interessen haben. Daran ist per se nichts auszusetzen.
Damit Frauen auch für ihre Persönlichkeit geschätzt und nicht nur auf ihren Körper reduziert werden, gibt der Rapper folgenden Rat: „Geht euch in der Tanzschule anmelden oder macht euch irgendwie interessant, dann will man euch auch nicht nur ficken!“
Solch ein Post auf Instagram ist von einem Rapper der Hip-Hop-Gruppe Strassenbande 187, die für provokante sowie frauenfeindliche Songtexte bekannt ist, vermutlich nichts Besonderes. In ihren Songs geht es hauptsächlich um Geld, Drogen und Frauen. Im Song „10 Dinger“ fallen unter anderem Zeilen wie: „Dass ich Töchter fick‘, das ist kein Geheimnis; Sie geben Arsch ungefragt, weil ich reich bin.“ Witzelnde Ironie oder tatsächliches Frauenbild?
Bedenkliches Frauenbild
Was dem Rapper den Anlass gegeben hat, Frauen mitteilen zu wollen, wie sie sein müssen, damit er sie sexy findet und wie nicht, weiß man nicht. Jeder Mensch hat Ansprüche an seinen (Wunsch)Partner und jeder hat andere Vorlieben. Und das völlig zurecht. Allerdings hat er einen bedenklichen „Aufruf“ gestartet, den mit einer Reichweite von über zwei Millionen Followern ganz schön viele Menschen gelesen haben. Sicher haben viele Frauen den Post gesehen und fanden ihn nicht beleidigend, sondern höchstens lächerlich. Dennoch zeigt er ein allgegenwärtiges Problem der Musikbranche: Viele Musiker erschaffen ein Frauenbild, in dem Frauen nur eines sollen: Männern gefallen.
Doch das Problem von Sexismus in der Musikbranche schließt andere Musikgenres nicht aus, im Gegenteil. Auch in anderen Songtexten fallen bedenkliche Worte oder Sätze.
Sexismus ist kein Deutschrap-Problem
Denkt man an deutsche Schlager-Songs, fällt einem direkt die ein oder andere sexistische Zeile ein. Mickie Krause singt etwa: „Zeig doch mal die Möpse.“
„Nein heißt ja, wenn man lächelt so wie du“, kommt aus dem Mund des Schlagersängers G.G. Anderson bereits im Jahr 2000. Das sind nur wenige Beispiele eines riesigen Konstrukts solcher Songs. Jedes Jahr singen Millionen Menschen auf dem Oktoberfest, dem Cannstatter Wasen oder dem Ballermann bei Liedern wie „Ein Bett im Kornfeld“ oder „Geh mal Bier holen“ lauthals mit. Weil das lustig ist? Und man einmal im Jahr einfach mal die betrunkenen Augen vor einem grundlegenden Problem verschließen möchte? Oder weil man an Texten wie diesen schlichtweg gar kein Problem sieht?
Einer der beliebtesten Hits auf dem Oktoberfest 2019 heißt „Anneliese“ von voXXclub, die romantisch trällern: „Ganz alloa auf der Theresienwiese, die geilste Kuh der Welt ist diese.“ Für viele gehören Songs wie diese einfach zu einem Event wie dem Oktoberfest dazu. Absurderweise gibt es davon einige Leute, die noch am Abend mit drei Maß Bier intus fröhlich zu sexistischer Musik hin und her schaukeln und sich am nächsten Morgen im Büro über diese ach so verwerflichen Deutsch-Rapper aufregen können. Das eine sei Tradition, das andere menschenverachtend und unangebracht. Finde den Fehler?
Zwischen den Zeilen verschleiert
Die Anzahl an kontroversen deutschen Schlagerliedern verdeutlicht, dass frauenfeindliche Songtexte schon lange vor Rappern wie SpongeBOZZ, Kollegah, Farid Bang oder Bonez MC existieren. Bei Schlagern werden meistens zwar keine Ausdrücke in den Mund genommen, das macht die Sache allerdings nicht besser. Hier liegt der Sexismus verschleiert in den Zeilen. Subtiler Sexismus ist mindestens genauso gefährlich, wenn nicht sogar problematischer als der klassische Sexismus, der offensichtlich Beleidigungen oder Herabwürdigungen verwendet. Er wird von vielen Menschen gar nicht, nur teilweise oder erst später wahrgenommen. Auch ohne sexistische Wörter kann ein herablassendes Frauenbild durch Musik propagiert werden. Es ist die Kuschelrockvariante der sexistischen Texte, die von den Medien viel weniger Aufmerksamkeit bekommen als die Texte deutscher Rapper.
Seit geraumer Zeit dominiert Deutschrap in den deutschen Charts. Dass Schlagersongs damit in der medialen Berichterstattung und Auseinandersetzung in den Hintergrund rücken macht Sinn. Deutsch-Rapper*innen haben im Vergleich zu Schlagermusikern viele junge Fans. Gerade dann sollte man überlegen, was für ein Frauenbild an junge Menschen herangetragen wird, die teilweise noch gar nicht verstehen, was sie da eigentlich hören und mitsingen.
Ironie oder Verachtung?
Musik als sexistisch zu bezeichnen ist manchmal gar nicht so einfach. Auf der einen Seite gibt es grundlegend sexistische Zeilen in Liedern, die die Figur der Frau in ein veraltetes Rollenbild stecken, Frauen vorschreiben wie sie auszusehen und sich zu verhalten haben oder was ein Künstler gerne mit ihnen anstellen würde. Auf der anderen Seite existieren ironische Songtexte, bei denen offensichtlich zu erkennen ist, dass die Inhalte nicht ernst gemeint sind. Natürlich gibt es dabei für jeden Menschen andere Grenzen. Die einen empfinden die offensichtliche Ironie und den Sarkasmus der Hip-Hop-Formation K.I.Z. als witzig, die anderen können damit nichts anfangen, fühlen sich eventuell angegriffen.
Female Empowerment
Ein „Sexismus-Rechner“ des SPIEGELS hat 30.000 Songtexte aus vierzig Jahren Deutschrap untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass Juju und Nura als ehemaliges Rap-Duo SXTN in ihren Songs die meisten Wörter verwenden, die als sexistisch eingestuft werden. Doch dabei geht es nicht um frauenverachtende Musik, ganz im Gegenteil: Female Empowerment. Es macht einen Unterschied, ob Frauen sich in ihren Songs selbst als „Fotzen“ bezeichnen, oder ob das ein (männlicher) Musiker herablassend in seinen Texten tut.
„Dass Männer sich in der Szene zusammentun und Frauen nach Oberflächlichkeiten bewerten, ist fast schon wie ein fünftes Element von HipHop."
Zwei Tage später gab es übrigens eine angehauchte Entschuldigung von Bonez MC. Als er Frauen seine Tipps mitteilte, hätte er „high auf der Couch“ gelegen und seine Emotionen sind wohl mit ihm durchgegangen. Man sollte keinen Text verfassen, der „von einigen wenigen auf alle schließt, denn das könnte zu Missverständnissen führen“, postet der Rapper auf Instagram. Beinahe könnte man schwach werden und denken, sein Verhalten sei reflektiert. Doch die Realität holt einen schnell wieder ein: „Jeder der denkt ich hätte was gegen Frauen, kann mir einen blasen! (Männer auch!).“ Hätte man etwas anderes erwarten sollen?