"Die Transparenz gehört dazu und es wäre sicherlich sinnvoll solche Angaben in Zukunft in die Transparenzrichtlinie mit aufzunehmen."
Fäden der Gesellschaft – grüne Netzwerker und blaue Außenseiter
Im Landtag von Baden-Württemberg sitzen aktuell 154 Abgeordnete aus insgesamt fünf verschiedenen Parteien: Grüne, CDU, SPD, FDP und AfD. Die Abgeordneten arbeiten unter anderem mit Vereinen, Stiftungen oder Organisationen zusammen. Sobald die Politiker*innen dadurch Geld verdienen, muss das im Volkshandbuch offengelegt werden. Doch wenn kein Geld fließt, ist die Angabe von Mitgliedschaften in Vereinen freiwillig. Gerade diese könnten dennoch einflussreich sein. Bei großen Vereinen, wie dem Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) oder auch bei der Gewerkschaft ver.di gibt es parteiübergreifende Beziehungen. In diesem Fall sind es vor allem die Grünen und die SPD, die sich bei diesen Institutionen engagieren.
Spitzenreiter der Beziehungen:
Der Grünen-Politiker Alexander Schoch aus dem Wahlkreis Emmendingen ist in der Analyse im Landtag am besten vernetzt. Im Volkshandbuch ist er mit 20 Mitgliedschaften aufgeführt. Dabei ist er zugehörig in sehr parteitypischen Vereinen, wie unter anderem Greenpeace, dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und NaturFreunde Deutschlands e.V. Viele dieser Mitgliedschaften seien aber aus der Zeit, bevor er Landtagsabgeordneter wurde. Aktuell besuche er lediglich die Jahreshauptversammlungen und pflege damit weiterhin die Kontakte in die Vereine, damit er wisse, mit welchen Problemen die Organisationen zu kämpfen hätten – so Schoch im Interview.
In der Politik ist der Grat zwischen Gedankenanstößen aus Organisationen mitnehmen und Lobbyismus sehr schmal. Im Interview erklärt Schoch: „Die Transparenz gehört dazu und es wäre sicherlich sinnvoll solche Angaben in Zukunft in die Transparenzrichtlinie mit aufzunehmen.“ Die Offenlegungsregel im Volkshandbuch soll die Nebenverdienste sichtbar machen, damit der Lobbyismus eingegrenzt wird. Jedoch können trotzdem Interessenkonflikte entstehen, weil politische "Gefälligkeiten" auch ohne Geld umgesetzt werden könnten. Eine Lösung wäre, alle Abgeordneten des Landtags zu verpflichten, Mitgliedschaften in Vereinen offenzulegen.
Der Mantel des Schweigens
Eine Partei, die sehr wenige freiwillige Angaben zu Mitgliedschaften in Organisationen gemacht hat, ist die AfD. Einige Abgeordnete haben gar nichts eingetragen oder nur eine Mitgliedschaft, was völlig konträr zu den eher linken Parteien steht. Wir gehen durch unsere Datenanalyse davon aus: Auch wenn die AfD in den Vergleich mit der konservativen CDU und der liberalen FDP gestellt wird, fällt klar auf, dass es kaum Verbindungen untereinander gibt – noch seltener zu anderen Parteien. Abgeordnete der AfD sind dahingehend entweder nicht engagiert in Vereinen oder wollen bewusst ihren Posten nicht offenlegen.
Es kann aber auch sein, dass die AfD einen ganz anderen Ansatzpunkt hat. Das vermutet auch Gabriele Abels, sie ist unter anderem Professorin für politische Systeme Deutschlands an der Universität Tübingen und Richterin am Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg. Abels Begründung ist, die AfD sei bei Organisationen nicht so häufig vertreten, weil die meisten Politiker*innen der Partei eher aus kleinen oder mittelständischen Unternehmen kommen. Die SPD oder auch die Grünen würden neue Mitglieder eher durch Sozial- oder Umweltorganisationen gewinnen. Die AfD würde deshalb mehr auf Berufsverbände setzen. Teilweise stimmt das mit der Netzwerkanalyse auch überein, wobei dort noch etwas auffällt: Die AfD-Abgeordneten sind zum Großteil in sehr kleinen, spezifischen Vereinen und haben wenige bis keinerlei Verbindungen mit anderen Abgeordneten.
Die AfD-Abgeordneten scheinen also gerne unter sich zu bleiben und vor allem in kleineren Vereinen Mitgliedschaften zu schließen: Schützenvereine, Obst- und Gartenbauclubs oder auch der Zentralverband Deutscher Rassekaninchenzüchter. Wohingegen zum Beispiel die konservative CDU eher darauf bedacht ist, sich auch beim Deutschen Roten Kreuz oder auch dem Deutschen Alpenverein zu engagieren.
Eingeschränkte Transparenz
Das Netzwerk rund um die Landtagsabgeordneten hat noch mehr interessante Aspekte, die beleuchtet werden können. Ein großer Punkt ist aber auf jeden Fall, die eingeschränkte Transparenz zur Offenlegung der Mitgliedschaften in Organisationen und der damit verbundenen Interessenskonflikte. Die Politikwissenschaftlerin Gabriele Abels erklärte, dass viele einerseits wollen, dass Abgeordnete gesellschaftlich verankert sind. Der Vorbehalt sei, dass die Abgeordeneten oben nicht wissen, was die Wähler*innen wollen.
„Man will einerseits auch, dass die Abgeordneten gesellschaftlich verankert sind, weil der Vorbehalt immer ist: Die sind da oben abgehoben, die bekommen gar nicht mit, was wir wollen.“
Daher sei es auch sehr wichtig, dass es weiterhin die Abgeordneten in den Organisationen gäbe. Dadurch könne die Politik wichtige Denkanstöße zu Themen mitnehmen, um Politik zu machen, die auf die Menschen eingehe, so Abels weiter.
Andererseits ist es auch ein stetiger Spagat zwischen Interessenkonflikt und Anregung. Gerade größere Institutionen können mit Forderungen Einfluss auf die Politiker*innen haben, ohne dass dafür Geld nötig ist. Daher sei auch Abels dafür, dass die Transparenzregister im Landtag weitergeführt werden und es eine möglichst weite Offenlegungspflicht geben müsse.
Die Parteien sind im Netzwerk unterschiedlich ausgerichtet, was meistens an die politische Ausrichtung geknüpft ist. Bei den Grünen fällt auf, dass es viele Verflechtungen in Vereinen gibt. Die Abgeordneten der AfD halten sich im Gegensatz zurück und sind in kleinen Organisationen verankert. Dadurch sind die Grünen, aber auch die SPD weiter vernetzt und besser aufgestellt als die liberalen und konservativen Parteien. Wodurch Vorschläge aus der Gesellschaft, die speziell aus diesen Organisationen kommen, eher den Weg in die Politik finden könnten.
Der Artikel bezieht sich auf eine im Rahmen des Moduls „226305 Netzwerk- und Beziehungsmanagement“ erhobene Netzwerkanalyse. Hierbei wurde untersucht, wie die Abgeordneten des Landtages der 17.Wahlperiode miteinander vernetzt sind.
Der Datensatz und das Codebuch sind auf Github verfügbar.