„Jeder soll sich gesehen fühlen.“
Die ganze Welt im Kinderzimmer
Eine Barbie mit Down-Syndrom. Sie ist die neueste von vielen Barbiepuppen, die Mattel in den letzten Jahren unter dem Stichwort „Diversität" vorgestellt hat. Eine Barbie im Rollstuhl, Barbies mit verschiedenen Hauttönen, eine kurvige Barbie. All diese gibt es inzwischen. Trotzdem, wenn man an die Marke Barbie denkt, denkt man zuerst einmal an die klassische Barbie – blond, dünn, hellhäutig. Am besten in pink gekleidet.
Die Barbie-Welt ist vielfältiger geworden. Vor allem beim Thema Hautfarben ist mehr Diversität zu erkennen. Doch im Vergleich zu den klassischen Barbies sind die neuen Modelle trotzdem in der Unterzahl. Dies beweist auch ein Blick auf die Homepage von Mattel. Besonders bei der Körperform bleiben die Barbies sehr einheitlich. Nämlich extrem dünn. Wirklich angekommen ist die Diversität bei den Barbies also noch nicht. Ist das denn ein Problem? Ist es wichtig, ob ein Kind mit zehn klassischen oder mit zehn vielfältigen Barbies spielt?
Sarah Röckel, die für das Start-Up „Hautfarben" arbeitet, setzt sich für mehr Diversität bei Spielzeug ein. Also dafür, dass ein Kind eben nicht nur die klassische Barbiepuppe kennenlernt, sondern die Vielfalt der Welt. Das Unternehmen „Hautfarben" stellt Hautfarben-Buntstifte her. In anderen Buntstift-Packungen gibt es nur einen schweinchenrosa Stift, um Haut zu malen. Bei „Hautfarben" stellt jeder der zwölf Stifte in der Packung eine andere Hautfarbe dar. Es gibt nicht nur ein blasses Rosa, sondern auch dunkles Braun oder einen satten Bronzeton. So möchte das Unternehmen dafür sorgen, dass alle Kinder ihre Familie, Freunde und auch sich selbst so zeichnen können, wie sie auch wirklich aussehen. „Jeder soll sich gesehen fühlen", erklärt Sarah Röckel. „Hautfarben" stellt auch Malbücher her, in denen vielfältige Kulturen und auch andere Formen von Diversität, zum Beispiel gleichgeschlechtliche Paare, dargestellt werden. So soll schon in der Kindheit gegen Vorurteile oder Rassismus gekämpft werden. Kinder sollen mit den Produkten von „Hautfarben" die Welt entdecken und sich auch selbst in den Malbüchern wiederfinden.
Dass diverses Spielzeug wichtig für Kinder ist, bestätigt auch Spielzeugforscher Volker Mehringer in einem Interview mit „Der Standard". Spielzeug bietet nämlich eine Fläche zur Identifikation für Kinder. Deshalb sollte es auch für jedes Kind eine Puppe oder einen Hautfarbenstift geben, die zu dem jeweiligen Kind passt. Außerdem verarbeiten Kinder beim Spielen Alltagserlebnisse. Und um einen schönen Tag mit Freunden nachstellen zu können, braucht es nun einmal Barbiepuppen oder Playmobilfiguren mit verschiedenen Hautfarben oder Körperformen.
Die Hautfarben-Stifte kosten allerdings mehr als eine normale Packung Buntstifte. Es fehlt noch an genug Nachfrage, um die Produkte günstiger verkaufen zu können. Ändern lässt sich das nur, wenn mehr Leute nach Diversität bei Spielzeug verlangen und solche speziellen Produkte nachfragen.
Deshalb spielen Pionier*innen bei diesem Thema eine große Rolle, wie Sarah Röckel von "Hautfarben" erklärt. Wenn Leute sich aktiv für diverses Spielzeug einsetzen und sich dem Thema annehmen, müssen die Unternehmen darauf reagieren. Ohne solche Vorreiter*innen verändert sich in diesem Bereich wenig.
Auch interessant
Auch in Kitas und Krippen spielen die Vorreiter*innen eine große Rolle. In manchen Kitas arbeiten Erzieher*innen, die sich stark für Diversität einsetzen. Das sieht man daran, dass es dort vielfältiges Spielzeug, wie Puppen mit verschiedenen Hautfarben, gibt. In anderen Kitas wird das Thema Diversität gar nicht thematisiert.
Maria-Magdalena arbeitet als Erzieherin in einer Krippe und berichtet, dass es an ihrem Arbeitsplatz nur wenig vielfältiges Spielzeug gibt. Vielleicht gibt es zwischendrin einmal ein Buch mit einem Kind im Rollstuhl. Sie wünscht sich aber mehr, zum Beispiel Bilderbücher über verschiedene Religionen und Kulturen. Bücher, in denen jedes Kind sich wiederfinden kann. Denn wie Maria-Magdalena erklärt: „Sobald Kinder Bücher anschauen können, können sie auch Bücher anschauen, die divers sind." Ihrer Meinung nach ist es wichtig, dass Kinder schon früh Diversität kennenlernen, damit es für sie später nichts Ungewöhnliches ist, wenn sie auf lesbische Paare oder gehörlose Menschen treffen. Hier können diverse Spielzeuge und Bilderbücher helfen, denn Kinder lernen von ihrer Umwelt. Also auch von den Büchern, die sie lesen oder von den Puppen, mit denen sie spielen.
„Sobald Kinder Bücher anschauen können, können sie auch Bücher anschauen, die divers sind."
Vielfältiges Spielzeug kann Kindern also helfen, die Diversität der Welt schon früh kennen und lieben zu lernen. Trotzdem denken sowohl Sarah Röckel von „Hautfarben", als auch Maria-Magdalena, dass Spielzeug wichtig und hilfreich ist, aber letztendlich nicht unbedingt entscheidend. Es braucht keine zwanzig verschiedenen Barbiepuppen und Bilderbücher für jedes Kind. Maria-Magdalena ist der Meinung, dass die Vorbilder der Kinder eine große Rolle spielen, in erster Linie ihre Eltern. Diese entscheiden darüber, welche Werte sie an ihre Kinder weitergeben wollen. Auch anhand einer einzelnen Puppe können Eltern ihren Kindern etwas über Diversität beibringen. Nämlich, dass es auch viele Menschen gibt, die anders sind als diese eine Puppe. Und dass sie alle Akzeptanz und Liebe verdient haben.