Kinderkriegen

Meine Baby Born Puppe und der Feminismus

Als ich zwei Jahre alt war, wollte ich unbedingt für mein neues Plastikbaby sorgen.
14. Febr. 2023
Meine Zwanziger sind aufregend. Und sie machen mir Angst. Zwischen der Sorge etwas zu verpassen und der Suche nach mir selbst, versuche ich Antworten auf die großen Fragen zu finden. Eine Kolumne über das Älterwerden.

Es war Weihnachten im Jahr 2004 als ich auf dem alten Ledersessel im Wohnzimmer meiner Oma saß. Ich schaute auf die eingepackten Geschenke – ich hatte mir eine Baby Born Puppe zu Weihnachten gewünscht. Als ich das Geschenkpapier zerreißen durfte, sprang mir schon die Verpackung entgegen. Einen Kinderwagen bekam ich auch dazu. Enthusiastisch packte ich meine neue Puppe aus und fing direkt an, sie zu füttern. Meine Mutter fotografierte mich dabei und hielt damit den Moment in meinem Leben fest, in dem ich mich das erste Mal in eine fürsorgliche Mutterrolle begab. Damals war ich zwei Jahre alt.

Jetzt, wo ich Anfang 20 bin, liegt meine geliebte Baby Born Puppe in irgendeiner verstaubten Kiste im Keller und ist für mich eher ein Symbol meiner heutigen feministischen Überzeugungen. Auch wenn sie nur ein Spielzeug ist und ich damals natürlich nicht über das Kinderkriegen nachgedacht habe, beinhaltete mein Wunsch für dieses Plastikbaby zu sorgen, die Erfüllung einer Rolle, die für mich damals noch nicht greifbar war.

Wem gehört mein Körper eigentlich?

Von dem Mädchen mit der Baby Born auf dem Schoß entferne ich mich immer weiter. Trotzdem scheine ich die verstaubte Kiste immer wieder gedanklich aufzumachen und die Puppe anzustarren. Wem gehören unsere Körper, wenn wir über das Kinderkriegen nachdenken? Wie autonom sind wir in unserer Entscheidung für oder gegen Kinder? Wie kann ich diese Fragen für mich so selbstbestimmt beantworten, dass mein Körper unabhängig von gesellschaftlichem Druck ist?

Bei der nächsten Familienfeier bekommen Frauen Ende 20 die Frage: „Wann ist es denn endlich soweit?“ so beiläufig gestellt, als würde man sie fragen, was sie heute morgen zum Frühstück gegessen haben. Antworten sie darauf mit einem Schulterzucken oder gar einem klaren Kopfschütteln, hebt Tante Gertrud schon Widerspruch einlegend den Zeigefinger und Opa Helmut wischt sich den ersten Schweißtropfen von der Stirn.

Als ich meiner Mutter vor einiger Zeit offenbarte, dass ich darüber nachdachte, keine Kinder zu bekommen, schaute sie mich bestürzt an und sagte: „Celina, das wird sich schon noch ändern“. Um sie zu beruhigen, sagte ich nichts dazu. Den Gedanken, dass das Leben von Frauen auch ohne Kinder einen Sinn hat, behielt ich für mich.

„Typisch weiblich“

Es ist schwieriger als ich dachte, mich von dem erlernten Blick auf Femininität und der gesellschaftlichen Forderung eines liebevollen Altruismus zu lösen. Unbewusst verbarg sich hinter dem Wort Weiblichkeit für mich immer Wärme, Fürsorge und Aufopferungsbereitschaft. Dass in Weiblichkeit auch Stärke, Willenskraft und Unabhängigkeit steckt, klammerte ich lange aus. Dabei sind Frauen so viel mehr als ihre Entscheidung darüber, ob sie später lieber ein Kinderzimmer einrichten oder die Welt bereisen wollen. 

In meinen Zwanzigern möchte ich das Gefühl haben, in meinen Entscheidungen vollkommen frei zu sein. Genau das macht diesen Lebensabschnitt schließlich so besonders. Trotzdem stört mich an der Diskussion ums Kinderkriegen, dass ich mir als Frau gewisse Freiheiten einräumen muss, die Männer einfach so besitzen – damit meine ich nicht den gesellschaftlichen Druck, sondern die Möglichkeit, sich nicht rechtfertigen zu müssen.

Mein Leben ist meine Sache

Versteht mich nicht falsch, Frauen haben heutzutage viel mehr Entscheidungsfreiheit darüber, wie sie ihr Leben gestalten wollen. 2018 lag die Kinderlosenquote in Deutschland bei 21 Prozent, was doppelt so hoch ist, wie noch Anfang der 80er-Jahre. Dass wir gesellschaftliche Normen und unsere Rollen in ihnen hinterfragen können, ist ein Privileg. Wir müssen jedoch anfangen, über neue Lebensentwürfe nicht nur zu reden, sondern sie auch zu normalisieren – Neue Lebenswege, die die Wichtigkeit von Gemeinschaft, Freund*innenschaft und die mögliche Entscheidung gegen Kinder genauso einschließen, wie den Wunsch, eine Familie zu gründen. 

Wir sind auf einem guten Weg. Den kleinen Mädchen mit ihren Baby Born Puppen sollte in Zukunft nur eine Wahl gelassen werden, ob sie über ihre Spielzeuge hinauswachsen, oder sie in einer Kiste wegschließen – ohne dafür ständig händeringend nach Erklärungen zu suchen. 

Eine weitere Folge meiner Kolumne „Zwanzig und ein Mal gefragt“ findet ihr hier