Massentourismus ade: Corona enthüllt Balis wirtschaftliche Abhängigkeit
Der Tourismus auf Bali boomt. Mehr als die Hälfte von Balis Wirtschaft hängt vom Reisesektor ab. Nach Angaben des örtlichen Statistikamtes besuchten 2019 mehr als sechs Millionen internationale Gäste die „Insel der Götter“, die nur rund 5.700 Quadratkilometer groß ist – das ist in etwa das Anderthalbfache von Mallorca. Laut Jürgen Schmude, Professor für Tourismuswirtschaft und nachhaltigen Tourismus an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ist diese einseitige Abhängigkeit gefährlich. „Es ist nicht gut, auf einem Bein zu stehen. Wenn das Bein bricht, dann fällt man um. Wenn man ein zweites Bein hat, kann man sich noch auffangen“, erklärt Schmude.
Die jetzige Wirtschaftskrise können sich die Balines*innen also selbst zuschreiben. Schließlich haben sie alles auf nur eine einzige Karte gesetzt. Im Juni des letzten Jahres reisten 600.000 Tourist*innen auf die Insel. 2020 waren es im gleichen Monat 32. Die Folgen: Arbeitslosigkeit und Armut. Bali verliert durch die Pandemie rund 550 Millionen Euro monatlich. Dabei zahlte die Insel schon vor Corona einen hohen Preis für ihren ungezügelten Massentourismus. Die mit Müll bedeckten Strände und die aneinandergereihten Hotels passten längst nicht mehr zum paradiesischen Image der Insel.
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In den letzten Jahren stand nur ein Ziel auf dem Programm: Wachstum um jeden Preis. Diese Wirtschaftspolitik hatte aber auch Kehrseiten. Reisfelder wurden zerstört, um neue Hotels zu bauen. Massentourismus und Müll, Kommerz und Komasaufen überschatten die einzigartige Natur Balis. Der Tourismus hat überall seine Spuren hinterlassen. Anstatt nur so viele Gäste zu beherbergen, wie es die Kapazitäten der Insel erlauben, ging es den Balines*innen einzig um eine wirtschaftliche Vermehrung – eine Sackgasse für die Einheimischen und die Tourist*innen. Eine Reise nach Bali ist für die Menschen kein Glücksgarant mehr, sondern bloßer Stressfaktor. Balis Tourismusindustrie, die so tut, als wäre ihr Produkt pure Schönheit, ist vielmehr eine Ausbeutungs-, Verschmutzungs- und Verdrängungsindustrie. Die Probleme des Massentourismus werden gekonnt ignoriert, der Plastikmüll einfach verbrannt.
Selbst schuld also, dass die Balines*innen nun ohne Einkünfte dastehen. Vor rund zehn Jahren lebte der Großteil der Bevölkerung vom Agrarsektor. Statt die Felder abzuroden, hätten sie ihr zweites Standbein – die Landwirtschaft – ausbauen sollen. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre das weitaus sinnvoller gewesen. Aber es ging ihnen schlichtweg ums schnelle Geld. Doch jetzt hat sich die touristische Wachstumsspirale ausgedreht.
Vor kurzem lautete der Plan der Regierung noch, „zehn neue Balis“ zu erschaffen. Jetzt kann man froh sein, wenn sich das Original halbwegs erholt. Der entfesselte Massentourismus, wie er auf Bali betrieben wurde, hatte sein Maximum sowieso schon erreicht. Laut Schmude wird es eher Jahre als Monate dauern, bis sich der Fernreisetourismus erholt. Für Bali – wie auch für andere beliebte Reiseziele – werden jetzt die regionalen Märkte wichtiger. Das ist die Chance, den Tourismus in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Bei einem nachhaltigen Tourismus spielen die Natur, ein nachhaltiges Wirtschaften und der Klimaschutz eine wichtige Rolle. Das bietet gute Voraussetzungen, dauerhaft zu einer regionalen Wertschöpfung beizutragen. Hoffentlich lernen die Inselbewohner*innen aus diesem sanften Tourismus und besinnen sich auf ihre alte, balinesische Weisheit: „Tri Hita Karana“ – ein Leben im Einklang mit der Natur und den Mitmenschen.