„Ich bin mental sehr stark, aber letztes Semester hatte ich extrem mentale Probleme. Mir gings in meinem Leben noch nie so schlecht, das war wirklich richtig schrecklich. Mittlerweile geht es mir besser aber während der Saison war es wirklich gar nicht gut.“
Als Student Athlete in den USA
Schon in Deutschland spielte Paula in ihrer Heimat Schwalbach am Taunus ambitioniert Volleyball. Mit der Jugend des TG Bad Soden qualifizierte sie sich mehrmals für die Deutschen Meisterschaften. Bei ihrem Heimatverein entwickelte sich Paula daraufhin zur Leistungsträgerin in der zweiten Bundesliga und erhielt mehrere MVP-Auszeichnungen.
Eigentlich wollte die Volleyballerin nie von zu Hause weg, erst recht nicht aus Deutschland. Doch genau dafür entschied sich Paula. Eine ehemalige deutsche Mitspielerin erzählte ihr, dass sie den Schritt in die USA als Student Athlete wagt. Auch für Paula hört sich das nach einer tollen Möglichkeit an, wie sie Volleyball und Studium vereinen kann.
Ihre Entscheidung für die USA fiel zügig. Ihr war bewusst, sie kann jederzeit wieder zurück nach Deutschland zu ihrer Familie kehren, wenn sie unzufrieden ist. Daraufhin hat sie Kontakt mit der Spielervermittlung „VolleyUSA“ aufgenommen, die sie schlussendlich an ihre erste Universität vermittelte. Der Youngstown State University „YSU“ im Staat Ohio.
Aller Anfang ist schwer
Paula fiel es nicht einfach, sich in den USA einzuleben. Aufgrund der Sprachbarriere saß sie oft neben ihren Mitspielerinnen und konnte sich nicht richtig an Gesprächen beteiligen. Außerdem hatte die Studentin Schwierigkeiten damit, die amerikanische Kultur in Hinblick auf Freundlichkeit zu verstehen, da die Unterschiede zu Deutschland sehr groß sind. Erst als sie Freundinnen in ihrer Mannschaft gefunden hat, konnte sie sich an die Kultur gewöhnen und sich sprachlich verbessern. Glücklicherweise fiel es Paula im Volleyball leicht, sich einzuleben. Hier konnte sie bereits in ihrer zweiten Woche als Student Athlete einen nationalweiten Rekord in der höchsten College-Liga (NCAA D1) aufstellen. Sie erzielte eine Aufschlagsserie von 13 Punkten, was im Volleyball über die Hälfte eines Spielsatzes ist.
Paula hatte ihr erstes Jahr nun hinter sich und entschied sich trotz der Erfolge wieder nach Deutschland zurückzukehren. Sie wollte wieder nach Hause in ihre gewohnte Umgebung. Nach einigen Monaten in Deutschland packte sie der Ehrgeiz, ihr Studium und den Volleyball-Traum in den USA weiterzuführen.
Mit Erfolg: Nach ihrer Rückkehr nahm Paulas Volleyball-Karriere ihren Lauf. Sie stellte zwei neue Schulrekorde auf und wurde sogar zum „Player of the Year“ an der YSU ausgezeichnet. Diese und weitere Auszeichnungen haben die Aufmerksamkeit anderer Colleges auf sie gezogen. Sie erhielt ungefähr 120 Angebote, was circa 34% aller Teams aus der NCAA D1 sind. Die anschließenden „Offical Visits“ an der Hawaii University haben die 22-Jährige überzeugt und sie entschied sich daraufhin, ihr Studium dort weiterzuführen.
So wie Paula fassen immer mehr deutsche Volleyballer*innen den Entschluss, ihr Studium mit einem Vollstipendium in den USA abzuschließen. Das Ziel ist auch, die sportliche, eigene Karriere zu entwickeln. Die Gegebenheiten, wie Trainingsumgebung und Vereinbarkeit mit dem Studium, sind oft deutlich besser als in Deutschland, wie Paula erzählt.
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Wie sinnvoll ist der Schritt zum Student Athlete?
Der ehemalige Bundesstützpunkttrainer Sebastian Schmitz sieht die Entwicklungsmöglichkeiten in den USA, vor allem in den Top 20 Teams gegeben.
Als besonders hilfreich für die Entwicklung von jungen Sportler*innen in den USA empfindet er die ausgeprägte Mentalität der Selbstüberzeugung. Schmitz kann auch bestätigen, dass das Interesse der Bundesligisten in Student Athletes aus den USA definitiv vorhanden ist. Das Problem: Es gibt sehr viele Teams, aber nur die wenigsten von ihnen spielen und bilden auf Topniveau aus. Für die Spieler*innen wird es somit schwer, dort unterzukommen. Trotzdem sieht der ehemalige Trainer die Möglichkeit, dass mehr Spieler*innen auf dem gewünschten Niveau ausgebildet werden können. Dafür müsste der DVV (Deutscher Volleyball Verband) selbst Kooperationen mit den Top 20 Colleges eingehen, so Schmitz.
Der Wechsel nach Hawaii
Paula zieht 2023 nach Hawaii, wo sie aktuell noch studiert. Leider ging es auf ihrer Hawaii Reise nicht so positiv weiter, wie ihre Zeit an der YSU endete. Es gab Probleme mit ihrem Visum, wodurch sie erst einen ganzen Monat später als geplant auf Hawaii ankam. Paula erlebte eine sehr schwierige Zeit, denn durch ihre verspätete Ankunft startete sie direkt in die „Double Days“, die bei College-Teams weit verbreitet sind. In den Double-Days werden zwei Wochen lang jeden Tag zwei Trainingseinheiten absolviert. An der Hawaii University wurden somit täglich sechs Stunden trainiert und die Trainingsintensität war deutlich höher als an ihrer alten Universität.
Die Double Days allein wären nicht das Problem gewesen, aber ihre neuen Mitspielerinnen kümmerten sich lieber um sich selbst, als Paula zu helfen, sich wohlzufühlen und einzuleben. So war sie anfangs auf sich gestellt und konnte mit niemandem über ihre Probleme reden.
Auch das angespannte Verhältnis zu ihrer Trainerin wirkte sich negativ auf ihre Stimmung aus: „Ich bin mental sehr stark, aber letztes Semester hatte ich extrem mentale Probleme. Mir gings in meinem Leben noch nie so schlecht, das war wirklich richtig schrecklich. Mittlerweile geht es mir besser aber während der Saison war es wirklich gar nicht gut.“
Die zwölfstündige Zeitverschiebung zwischen Hawaii und Deutschland erschwerten die Situation, da sie nur zu bestimmten Zeiten Kontakt mit ihrer Familie und Freunden Kontakt haben konnte. Inzwischen hat Paula auch die Krise größtenteils überwunden. Sie hat in ihrer neuen Heimat Anschluss gefunden und es fällt ihr mittlerweile leichter sich zu öffnen. Einzig das Problem mit ihrer Trainerin bleibt und überschattet für Paula das schöne Hawaii-Erlebnis.
Das Leben als Student Athlete
Trotz der vielen Herausforderungen schätzt Paula es sehr, wie US-Amerikaner den Sport ehren. Die Sport-Mentalität ist eine ganz andere als in Deutschland, wodurch der Sport sehr gefördert wird. Mit ihrem Vollstipendium, das die meisten Student Athletes erhalten, kann sie ihren Lebensunterhalt finanzieren. Der Fokus liegt auf Sport und Studium, sodass man sich keine Gedanken um einen Nebenjob machen muss. Dies bietet die Möglichkeit zwei Mal täglich zu trainieren, dazwischen Vorlesungen zu besuchen und sich zu regenerieren. Genau hieran scheitert es meist im deutschen Volleyball. In Paulas Heimatverein hat sie beispielsweise kein Geld erhalten und somit Volleyball als reines Hobby angesehen.
Auch die räumlichen Gegebenheiten lassen meist darauf schließen, dass man als Student Athlete die besseren Entwicklungsmöglichkeiten hat. Doch das ist nicht immer so, wie Paula erzählt. Ihre Uni hat nicht viel Geld und solange die Football-Mannschaft nicht gut ist, fehlt die finanzielle Möglichkeit für die ganze Universität.
Sie beschreibt, dass ihre Uni weder modern ist noch über die tolle Ausrüstung verfügt, wie es bei anderen Universitäten üblich ist. Doch das ist für sie auch nie wichtig gewesen, zwar „nice to have“ mehr aber nicht.
Generell wird sich erst nach den vier Jahren zeigen, ob sich die harte Arbeit gelohnt hat und eine Chance auf eine Profikarriere besteht. Für Paula steht fest: Wenn sie ein attraktives Angebot von einem Verein erhält, wird sie den nächsten Schritt gehen und Profivolleyballspielerin werden. Wenn sie jedoch kein solches Angebot erhält, möchte sie keine Zeit verlieren und sich auf ihre berufliche Karriere konzentrieren.
Trotz all den schwierigen Situationen, die Paula erlebt hat in ihrer Zeit, ist es eine besondere und auch positive Erfahrung für sie vier Jahre ihres Lebens als Student Athlete in den USA zu verbringen. Die Studentin findet: „Das Leben hier ist cool – aber nichts für die Ewigkeit“.
Paula hat sich nun entschlossen, für ihr letztes Semester noch einmal die Universität zu wechseln, um ihre Zeit als Student Athlete mit positiven Erinnerungen zu beenden.