„Den Zahnarzt, den Friseur und den Optiker wechselt man nicht.“
Altbewährt und jung geblieben
Herr Blannarsch, Sie sind der Inhaber des traditionellen Optikergeschäfts Kästner, das seit 1889 in Stuttgart besteht. 134 Jahre - eine beachtliche Zahl. Wie fühlt es sich an, ein Unternehmen mit derart langer Tradition zu führen?
Ich glaube, gar nicht so anders. Wir verstehen uns schon als ein Augenoptikergeschäft auf der Höhe der Zeit. Wir haben nicht ständig diese Tradition im Nacken und sagen: „Wir sind irgendwie alt.“ Ich glaube, das würde nicht zu uns passen.
Gibt es trotzdem etwas, das Ihren Optiker als Traditionsgeschäft von anderen unterscheidet?
Sicherlich, denn das ist ein Thema der Treue und Verbundenheit gegenüber den Stammkunden, die über Jahrzehnte hinweg zu uns kommen. In unserer Branche sagt man immer: „Den Zahnarzt, den Friseur und den Optiker wechselt man nicht.“ Das drückt die tiefe Vertrauensbasis aus, wegen der viele Stammkunden seit Jahrzehnten oder schon in zweiter Generation zu uns finden und sich wohlfühlen.
Welche Werte verbinden die Menschen aus Ihrer Sicht mit einem Traditionsgeschäft?
Der Kunde möchte vielleicht nicht immer vom Chef bedient werden, aber er möchte wissen, wer der Chef ist. Es ist ihm wichtig, auf Augenhöhe mit den Inhabern reden zu können. Außerdem scheint es den Kunden ein gutes Gefühl zu geben, dass bei uns auch Familienmitglieder mitarbeiten.
Ist das in gewisser Weise das Erfolgsrezept solcher Läden?
Geschäfte haben immer etwas mit Beziehung zu tun. Eine Beziehung kann zu einem inhabergeführten Unternehmen besonders leicht aufgebaut werden. Ein Beispiel: Wenn ich mein Auto zur Inspektion bringe, kann es sein, dass ich jedes Mal jemand anderem erklären muss, was mir wichtig ist. Aber es macht einen Unterschied, wenn ich auf einen Hof fahre, wo mich der Inhabermeister fragt: „Und, ist alles in Ordnung, funktioniert dein Auto noch?“ Das ist Beziehung. Da ist dann auch der Preis manchmal zweitrangig.
Wenn ich allerdings gegenüber Studierenden in meinem Alter Namen wie Kästner, Tritschler oder Lederwaren Acker erwähne, haben die wenigsten davon schon einmal gehört. Glauben Sie, die Traditionsgeschäfte könnten in Vergessenheit geraten?
Wir als Brillenladen haben zwei Ausrichtungen. Zum einen den augenoptischen Fokus mit Brillenkorrektur, Kontaktlinsen und so weiter. Der andere Bereich ist die Sonnenbrille. Da nehme ich das eigentlich nicht so wahr. Da haben wir auch sehr viel junge Kundschaft, die auf die Themen Qualität und Lifestyle achtet. Und wenn zum Beispiel ein prominenter Blogger für uns eine Sonnenbrille postet, dann sieht man, das läuft und geht ab. Damit erreiche ich zwar nicht den 55-Jährigen, aber die Generation, die auf Instagram aktiv ist.
„Wir müssen unsere Schaufensterdekoration auf das Smartphone bringen.“
Sie tun also gezielt Dinge, um auch die nächste Generation anzusprechen. Welche Strategien verfolgen Sie dabei?
Früher war es wichtig, dass das Personal schön angezogen war und man eine schöne Ladendekoration hatte. Heute ist unser Mindset viel größer. Wir müssen unsere Schaufensterdekoration auf das Smartphone bringen. Da ist Social Media enorm wichtig. Wir haben Verschiedenes ausprobiert und machen jetzt vieles selbst, wie zum Beispiel Reels oder auch mal eine kleine Bilderstrecke. Dabei wollen wir authentisch sein und das widerspiegeln, was uns ausmacht.
Der Großteil der Geschäfte in Stuttgart setzt sich aus Filialen großer Ketten zusammen, auch in der Optik-Szene. Haben Sie Angst, dass Ihnen diese Läden irgendwann die Kundschaft wegnehmen?
Eigentlich nicht, wir empfinden sie eher als Ergänzung. In unserer Branche wird der Markt in gewisser Weise aufgeteilt. Fielmann zum Beispiel hat zwar schon auch Markenprodukte, aber dort suche ich keine Moscot-Brille, wie sie Johnny Depp trägt. Da geht es einfach um unterschiedliches Kaufverhalten unterschiedlicher Menschen.
Wie sieht es mit der Konkurrenz im Internet aus?
Der Online-Vertrieb ist auch in unserer Branche ein Thema. Manche Online-Händler sind aber mittlerweile ebenfalls in der Stuttgarter Innenstadt zu finden. Sie haben festgestellt, dass auch sie den stationären Handel brauchen. Und das finde ich irgendwie ermutigend.
Der Zusammenschluss der Traditionsgeschäfte gehört zur City-Initiative Stuttgart e.V. Deren Geschäftsführer, Sven Hahn, meint, die Tendenz zum Online-Shopping sei eine größere Gefahr für die Traditionsgeschäfte als die lokale Konkurrenz. Wie sehen Sie das?
Die Frage ist hier: Was will eigentlich der Kunde? Um neues Druckerpapier zu kaufen, gehe ich nicht extra in die Stadt. Aber bei einem emotionalen Produkt wie einer Brille braucht es den stationären Handel. Ich glaube allerdings, da könnten wir im Einzelhandel noch eine spezialisiertere Ausrichtung finden, auf das, was der Kunde will. Mit dem Partner oder der Partnerin durch die Stuttgarter Innenstadt zu schlendern, sich am Samstag auch mal dafür schönzumachen und das Shopping im lokalen Handel, das gehört zu einem gewissen Lebensglück dazu.
Das heißt, Sie werden auch in Zukunft noch Kundschaft haben?
Das hoffen wir natürlich immer. Und daran arbeiten wir jeden Tag.