Was hältst du von „Alpha-Männern“, Oma?

#alphamänner: Auf Tiktok wimmelt es nur so von sogenannten „Alpha-Männern“, die meinen, das Leben durchdrungen zu haben und ihre wertvollen Weisheiten in aller Ehre an ihre Community weitergeben. „Sei ein Adler, keine Ente“, empfehlen sie. Im Leben geht es um Erfolg, Geld, Macht, schöne Frauen, die den Mund zu halten haben. Völlig ohne jegliche Expertise tun die Alphas ihre Tipps kund, wie man zu solch einem Hyper-Menschen wird. Wie man das richtige „Mindset“ erreicht. Kein Psychologie Studium. Das hat meine Oma auch nicht. Völlig geeignet also dafür, ähnlich gute Tipps zu geben. Vielleicht ja sogar noch bessere. 

„Sei ein Adler, keine Ente – das finde ich saudumm. Jeder soll sein, wie er ist. Und selbst wenn er ein Dackel ist, dann ist er halt ein Dackel. Dann hat man wenigstens gelächelt. Vielleicht sollte man aber als allererstes einfach mal ein Mensch sein. Menschen haben Emotionen, auch der Mann. Es geht im Leben nicht darum, die zu verstecken. 

Großkotze mit Goldkettchen, die den Protz rausgelassen haben, gab's früher auch schon. Die waren angeberisch. Heute würde man zu denen wahrscheinlich Alpha-Männer sagen. Früher gab es die aber eher vereinzelt. Heute gibt es mehr von der Sorte. So ist zumindest mein Eindruck.

Ob ich bessere Tipps habe, hast du mich gefragt? Mach dich niemals abhängig von einem Mann! Bloß nicht nur auf Beziehungen konzentrieren. Man muss sich Freiraum lassen. Ich bin immer mit meinen Freundinnen in die Besenwirtschaft gegangen. Viele meiner Freundinnen sagen heute, dass sie nicht mehr so früh heiraten würden. Die Jugend ist so wichtig, die kann dir keiner nehmen. Ich habe mit 26 geheiratet – und das war schon spät zu meiner Zeit. Heute würde ich vielleicht auch erst mit 30 heiraten. 

Du musst dein Leben genießen. Auf jeden Fall reisen. Ich denke immer: Was hab ich für eine tolle Jugend gehabt! Da kann keiner groß mitreden. Arbeiten muss man natürlich trotzdem – dabei ist es wichtig, dass man einen guten Beruf hat. Arbeit und Geld sind aber nicht das Wichtigste: Zufriedenheit, eine gute Clique, viele Bekannte, Familie – das zählt. Man muss einen Punkt haben, wo man weiß, da kann ich hin – das sind Familie und gute Freunde. 

Wenn ich nochmal jung wäre, würde ich nicht noch einmal als Hausfrau zu Hause bleiben. Das hat mich nicht erfüllt. Als Hausfrau war man damals nichts wert. Es war natürlich trotzdem eine schöne Zeit mit meinen Kindern aber erfüllend war es nicht. Die Anerkennung hat gefehlt. Und man macht sich abhängig vom Mann. Merk dir das: Was nützt mir eine schöne Schüssel, wenn nichts drin ist? Man hat keine Garantie für eine Ehe – siehst du ja bei mir. Jetzt bin ich geschieden und kann mit meiner Rente nicht in den Urlaub und nichts, weil das Geld fehlt. Das war der große große Fehler. Wenn ich jetzt also TikTokerin wäre, dann wären meine Sprüche: „Wer wagt gewinnt“ – die Unerschrockenen kommen weiter im Leben.“

– Ich bin froh, dass meine Oma auch kein Adler sein möchte. Sonst hätte ich mein Lebenskonzept nochmal überdenken müssen. Aber das sollte ich als „Unerschrockene“ vielleicht sowieso nicht haben. Viel ausprobieren, Dinge wagen, Freundschaften pflegen, sich auf die Familie verlassen – eine Erlebnissammlerin sein. Das gefällt mir besser, als dem großen Geld hinterherzurennen. Und wenn man dabei doch mal scheitert: „Hinfallen, aufstehen Krone richten“, um es in den Worten der TikTok-Philosophen wiederzugeben. Oder noch besser, um es in den Worten meiner Oma zu sagen: „Man kann aus jedem Scheißdreck noch was machen.“