„Talahon" sollte das UNwort des Jahres 2024 sein
Gucci-Cap, Bauchtasche, spuckt auf den Boden, statt „ich“ sagt er „isch“. Das alles macht einen „Talahon“ aus. Das wichtigste Erkennungsmerkmal ist aber schlussendlich doch nicht sein Style oder sein Verhalten: Erkennungsmerkmal Nummer eins ist für viele die arabische Herkunft. Oder einfach augenscheinlich ein Moslem zu sein. Zu einem deutschen Gucci-Cap-Träger würde man wohl maximal „Assi“ sagen.
„Talahon“ stammt aus dem Arabischen „Ta’al La’hon“ und bedeutet übersetzt „Komm her“. Entstanden ist die Bezeichnung durch das Lied „TA3AL Lahon“ des kurdisch-syrischen Rappers Hassan. Im dazugehörigen Musikvideo sieht man junge Männer mit schwarzen Skimasken, Pistolen, am Kiffen, sie werfen sich gegenseitig Waffen zu. Dabei rappt Hassan: „Ta’al La’hon, ich geb dir ein‘ Stich bin der Patron“. Mit „komm her“ ist also eher keine freundliche Aufforderung, sondern eine Gewaltandrohung gemeint. Auf TikTok wurde der kurze Videoclip dann zum Trend.
Ihr seid nicht witzig
Für kurze Zeit mag die Bezeichnung „Talahon“ vielleicht noch witzig gewesen sein. Migranten nutzen den Begriff teilweise für sich selbst. Manche boxten unangenehm in die Luft und fühlten sich tatsächlich wie der krasseste „Patron“, andere sahen den Trend eher mit einem selbstironischen Augenzwinkern. Selbstbestimmt könnte man denken.
Mittlerweile meinen aber vor allem Deutsche, jeden muslimisch aussehenden Mann als „Talahon“ beleidigen zu dürfen. Da muss nicht auf den Boden gespuckt werden, da muss keine Gucci-Cap getragen werden. Da reicht es, wenn man einen schwarzen Nike-Pulli trägt, schwarze Haare und einen Vollbart hat. Ein Synonym für „Kanake“.
Die AfD liebt „Talahons“ – den Begriff, nicht den Menschen dahinter
Allein schon die Ableitung aus dem Arabischen verleitet dazu, nur arabisch aussehende Männer so zu degradieren. Das hat auch die AfD erkannt. Die freut sich natürlich darüber, dass ein Begriff, der sich gegen muslimische Männer richtet, Jungendwort des Jahres werden soll und ruft auf Social Media prompt dazu auf, dass alle ihre Stimme dafür dalassen sollen. „Talahon“ hat sich bei Rechten längst als Beleidigung für Muslime entwickelt.
„Die Parole muss lauten millionenfache Remigration statt Talahons“ sagt Matthias Helferich im Bundestag. Der wurde erst dieses Jahr aus der AfD ausgeschlossen. Wie originell, dass er dabei eine Bauchtasche und Goldschmuck trägt.
Auch die Bild gibt ihren Senf zum Jugendwort ab: „Widerlicher TikTok-Trend „Talahon“. Sie sind 14 bis 25 Jahre alt, meistens Migranten, oft mit deutschen Pässen – und sie haben ein Weltbild aus dem Mittelalter. Sie sind ‚Talahons'! Frauenfeindlich, sexistisch, patriarchisch und gewaltverherrlichend“, schreibt sie. Widerlich ist wohl höchstens die Bild. Solche Aussagen über 14-Jährige zu treffen, ist extrem bedenklich. Und natürlich sind es auch hier wieder nur „die Migranten“. Vom Aussehen und Herkunft auf den Charakter und das Verhalten zu schließen ist eine einfache, aber schwache Erklärung. Noch origineller ist nur der Einstieg in den Bild Text: „Während in den Geschäften der Fußgängerzonen Pride-Flaggen wehen, erobert eine neue Jugend-Bewegung die Innenstädte“. Natürlich, alle Moslems sind ja bekanntlich homophob. Deshalb passen die Pride-Flaggen und die „Talahons“, die uns unsere deutschen Straßen vereinnahmen, nicht zusammen. Die „jungen Migranten“ (mit Gucci Bauchtasche) „klauen, pöbeln und strotzen nur so vor Selbstbewusstsein“, erklärt die Bild. Wie rassistisch ist das denn?
Wo bleibt der Protest?
Eine rassistische Beleidigung auf Platz zwei des Jugendwort des Jahres. Organisiert vom Langenscheidt-Verlag. Groß wäre der Aufschrei vermutlich gewesen, wenn der Verlag ein Wort wie das „N-Wort“ zum Jugendwort hätte auserkoren wollen. Bei Talahon wird geschwiegen. Kein Protest. Mit den Moslems kann man’s ja machen.