Tinderst du noch, oder l(i)ebst du schon?
Es ist nicht mehr verpönt im Freundeskreis oder bei der Familienfeier zu erzählen, dass man den Partner über Onlinedating kennengelernt hat. Unsere stets schnelllebige Gesellschaft akzeptiert und integriert die Art des Datings immer mehr. Sie ist effizient. Ein Swipe nach links, der nächste nach rechts. Oh super, it’s a match.
Klar, das Swipen macht Spaß, es ist ein bisschen, als ob man Geschenke auspackt. Jedes Mal eine kleine Überraschung. Stichwort Endorphine, nach jedem Match kickt das Glückshormon.
Für mich ist es eher eine Spielerei, ein lustiger Zeitvertreib! Ernst steckt bei mir nicht dahinter, den habe ich schon lange begraben.
Mehr als ein Zeitvertreib?
Nutzer*innen verlassen sich auf Algorithmen und Filteroptionen. Eingestellt werden das Alter, der Beruf und die eigenen Hobbys. Der oder die Partner*in sollte schließlich die gleichen Interessen haben. So versprechen zumindest die Plattformen, geeignete Personen zu finden - zugeschnitten auf die Angaben der Nutzer*innen. Die Erwartungen sind hoch, höher als beim konventionellen Kennenlernen. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, Onlinedating zu nutzen, um eine langfristige Beziehung zu finden.
Das Gute: Beim Onlinedating lernt man Leute nicht nur ortsungebunden und auch zeitunabhängig kennen, sondern auch über das eigentliche soziale Umfeld hinaus. Es ist egal, wo du wohnst, wann du zurückschreibst. Das macht es leicht, online Kontakte zu knüpfen. Besonders für Minderheitsgruppen, wie Homosexuelle ist Onlinedating eine echte Alternative. Es ist viel einfacher geworden Gleichgesinnte kennenzulernen. Aber auch die breite Masse nutzt Onlinedating verstärkt, wie die Prognose von Statista zeigt. Denn die Nutzer*innen von Onlinedating-Plattformen sollen bis 2028 steigen. Gerade am Anfang kann es hilfreich sein, sich als Paar durch Ähnlichkeiten zu finden, meint Eva-Maria Klingler, Heilpraktikerin für Psychotherapie. Vor allem bei kostenpflichtigen Plattformen nehmen die Menschen Onlinedating ernster und wollen sich auch wirklich kennenlernen. Denn die Kosten schrecken „Lovescammer“ ab. Das sind Menschen, welche die Erwartungen und Wünsche vom Gegenüber vortäuschen, um sich daran zu bereichern. Wie zum Beispiel Kontodaten oder Geld, so Guido Gebauer, Mitgründer einer Online-Partnervermittlung.
Die Kehrseite des Onlinedatings
Du fühlst dich auch überfordert von der schieren Masse der möglichen Matches? Dieses Phänomen ist auch bekannt als Choice Overload. Die Vielzahl an Optionen erschwert Entscheidungen und reduziert die Zufriedenheit mit der getroffenen Wahl.
Dies geht Hand in Hand mit der Kommunikation. Sie bleibt meiner Meinung nach oft nur oberflächlich, was durch die leichte Verfügbarkeit von Alternativen begünstigt wird. Nehmen wir an, wir sind in einem gut bestückten Supermarkt einkaufen. Es gibt zu viele Produkte, die wir ausprobieren wollen. Entscheiden müssen wir uns nicht unbedingt - es wird einfach alles eingepackt, gekauft, mitgenommen und ausprobiert! Dann Ciao, Thank you next! Die vielen Optionen führen dazu, dass viele sich nicht festlegen wollen. Es könnte ja vielleicht noch jemand Besseres vorbeikommen. Jemand, der besser aussieht, mehr verdient, gebildeter ist.
Ebenfalls ein Thema ist die toxische Selbstdarstellung. Mit dem Versuch, sich selbst zu optimieren, um höhere Chancen auf ein Match zu haben. Man ist im ständigen Vergleich mit anderen. Ein Konkurrenzkampf.
Na, schon verliebt?
Durch ständige Verfügbarkeit von Matches ist man weniger bereit, sich auf Beziehungen einzulassen. Das führt dazu, dass Beziehungen oft oberflächlicher sind. Das Positive: emotional ist es weniger belastend, da durch Onlinedating noch nicht so eine tiefe Verbindung aufgebaut wurde. Im Schnitt entsteht aus 291 Matches eine feste Partnerschaft. Aber erst einmal braucht es durchschnittlich 57 Matches, um ein Date zu erreichen. Davon führen nur knapp fünf Treffen zu einer Partnerschaft. Ergo nichts für mich! Werkstudentenjob, Vollzeitstudium, Privatleben, wie soll ich bitte die benötigte Zeit nehmen, um meinen Partner über Tinder und Co. kennen zu lernen?
Wer aber den Partner oder die Partnerin über den Freundeskreis, die Arbeit, die Ausbildung oder das Studium kennenlernt, fördert direkte soziale Kontakte. Beim Onlinedating hingegen ist es eher eine anonyme Art des Kennenlernens. Wer also eine Zahl, statt einen Menschen sucht, hier Bitteschön! Es kommt also auch darauf an, ob du der Typ für Onlinedating bist. „Generell ist es wichtig, eine gemeinsame Entwicklungsaufgabe zu haben“, meint Eva-Maria Klingler. „Man bekommt von dem Partner oder der Partnerin einen Spiegel vorgesetzt und darf an sich und seinen Themen arbeiten und damit gemeinsam Entwicklung erreichen. Und somit gemeinsam wachsen. So was sieht ein Algorithmus erst mal nicht!“ Dennoch sind solche Plattformen ein zusätzliches Angebot, um den Partner oder die Partnerin zu finden.