Bundestag

Religiöse Symbole im Dienst - Zu Recht ein Tabu?

Seit diesem Jahr gibt es neue Regelungen zum Erscheinungsbild im staatlichen Dienst. Auch im Bezug auf religiöse Symbole.
03. Dez. 2021
„Guten Abend, allgemeine Verkehrskontrolle!“ Beamt*innen begegnen uns im täglichen Leben. Ein neues Gesetz bestimmt nun das Erscheinungsbild. Genauer noch: Es geht um das Verbot von Tragen religiöser Symbole im Dienst. Kurz nach Beschluss werden kritische Stimmen laut.

Bundestag und Bundesrat haben im Mai 2021 ein neues Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamt*innen entschieden. Darin enthalten sind neue Vorschriften zu Körperschmuck, Tätowierungen, Frisuren oder Bärten. Für viele überraschend: Das Gesetz enthält auch die Grundlage für ein Verbot von religiösen Symbolen im Dienst.

Anstoß der neuen Regelung war ein Berliner Polizist mit verfassungswidrigen Tätowierungen, der anschließend aus dem Dienst entlassen wurde. Der Beamte hatte mehrfach den Hitler-Gruß gezeigt und trug Tätowierungen verfassungswidriger Organisationen. Das neue Gesetz soll nun Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in staatliche Institutionen stärken und die staatliche Neutralität wahren. Neu dazu kommt die Möglichkeit, das Tragen bestimmter Kleidungsstücke oder Symbole, die eine religiöse Angehörigkeit zeigen, zu verbieten. Besonders betroffen sind muslimische Frauen mit Kopftuch oder jüdische Männer mit Kippa. Allgemein gilt das Gesetz jedoch für alle Religionen gleichermaßen.

Neutralität - Das vorrangige Ziel

Bisher war das Erscheinungsbild von Beamt*innen von Bund und Ländern durch Verwaltungsvorschriften oder Runderlasse geregelt. Das neue Gesetz soll die ausreichende Ermächtigungsgrundlage zu einer einheitlichen Regelung des Erscheinungsbildes schaffen.

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es, dass für Staat und somit auch für Beamt*innen im Dienst des Staates die Pflicht zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität bestehe. Das gelte vor allem für Situationen, in denen der Staat seinen Bürger*innen besonders hoheitlich gegenüber auftritt, also beispielsweise bei der Polizei oder in der Justiz.

Weiter wird begründet, dass das Vertrauen in die Neutralität und Objektivität von Beamtinnen und Beamten nicht unwesentlich von deren Erscheinungsbild und Auftreten abhänge. Auch die Uniform erfülle genau diesen Zweck. Die neutrale Amtsausführung soll in den Vordergrund gestellt werden. Im Gegenzug bedeute das, dass das Vertrauen der Bürger*innen in die Neutralität des Staats beeinträchtigt werden kann, wenn eine Beamtin oder ein Beamter im Dienst ein klares Zeichen einer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung trägt. Zwar könne die neue Regelung ein schwerwiegender Eingriff für Beamt*innen, für die das Tragen eines religiösen Kleidungsstücks wie Kopftuch oder Kippa als Verpflichtung wahrgenommen wird, sein. Es sei aber keinesfalls außer Verhältnis zu den Regelungszielen. Im Fokus stehe die Neutralitätspflicht des Staates, das Vertrauen der Bevölkerung in eine funktionsfähige Verwaltung und eine neutrale Amtsführung der einzelnen Beamt*innen. Das Einhalten dieser Ziele sei essenziell wichtig für die Funktion des Rechtsstaats und rechtfertige damit diesen Eingriff, so steht es im Gesetzentwurf.

Die Linke stimmt als einzige Fraktion gegen das Gesetz

Das Gesetz wird im Bundestag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der AfD verabschiedet. Die Fraktionen der Grünen und der FDP enthalten sich, die Fraktion der Linken stimmt dagegen. Von dieser kommt nun scharfe Kritik.

In weiten Teilen des Islams oder Judentums bilden Bekleidungsvorschriften Ausdruck der Religion und sollen auch als Teil der Religionsfreiheit öffentlich wahrgenommen werden können. „Der neutrale Staat hat zu garantieren, dass alle Menschen ihre Religion oder auch Nicht-Religion gleichermaßen ausüben können, ohne diskriminiert zu werden.“ Auch im Dienst. So Christine Buchholz, die religionspolitische Sprecherin der Linke. Das neue Gesetz sei eine erhebliche Einschränkung der individuellen Religionsfreiheit von Musliminnen im Wesentlichen, aber auch jüdischen Männern. Auch kritisiert Buchholz die Rechtfertigung der neuen Regelung unter dem Aspekt der Wahrung der staatlichen Neutralität. Es sei ein Problem, dass Angehörigen dieser Gruppen allein durch die sichtbare Zugehörigkeit einer Religion die Neutralität abgesprochen werde. Die Entscheidung darüber, was als neutral oder nicht neutral gilt, werde der Wahrnehmung außenstehender Betrachter überlassen. Damit öffne das Gesetz die Türen für weitere Diskriminierung in einer, so heißt es, ohnehin von Vorurteilen geprägten Gesellschaft.

Als einzige Partei dagegen. Die Linke übt Kritik am neuen Gesetz.

Grundlage für ein Kopftuchverbot?

Ebenfalls auf Kritik stößt das Gesetz von Seiten muslimischer Verbände. Man befürchte, dass das Gesetz die Grundlage für ein Kopftuchverbot darstellen könnte. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es, dass das Verbot nur in Einzelfällen zum Tragen kommt, nämlich dann, "wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beinträchtigen". Als Begründung wird auf die Neutralitätspflicht des Staates verwiesen.

Der Zentralrat der Muslime Deutschland positioniert sich öffentlich gegen das neue Gesetz.

Für Nurhan Soykan, stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Deutschland, werde damit vielen Musliminnen das Leben in diesen Berufen erschwert und die Integration gehindert. „Wir haben Religions- und Berufsfreiheit in diesem Land und ich finde, dass jede Christin, jede Jüdin und jede Muslimin die gleichen Zugangschancen haben muss, auch im staatlichen Bereich.  Der Staat ist das Spiegelbild der Gesellschaft und ich finde, die Gesellschaft muss sich dann auch im Staatsapparat widerspiegeln. Und das widerspricht nicht der Neutralität.“