Kulturen achten 3 Minuten

Mit westlichen Privilegien im Gepäck

Ein Tempel auf Bali
Es gibt etwa 20.000 Tempel auf Bali, jedes einzelne Haus auf Bali verfügt über einen eigenen Haustempel. | Quelle: Lili Lubkowitz
04. Jan. 2025

Reisen ist für uns zum Inbegriff von Freiheit geworden. Doch während wir mit gepacktem Rucksack neue Länder erkunden, verlieren wir oft den Blick für die Werte der Menschen vor Ort – geblendet von unseren eigenen Vorstellungen der Normalität. Ein Kommentar.

Mit einem Klick ist das Ticket gebucht, der Rucksack gepackt und schon steht uns die Welt offen. Die Vorstellung, dass wir überall, wo wir hinreisen, unseren Lebensstil ausleben können, ist für uns längst selbstverständlich. Reisen gilt als Ausdruck von Freiheit, als Möglichkeit, neue Kulturen kennenzulernen. Doch was bleibt oft zu Hause? Der Respekt für die Kulturen, die wir besuchen.

Bali, die Insel der Götter, zieht jährlich Millionen Reisende an – bekannt für tropische Strände, prachtvolle Tempel und eine tief verwurzelte Spiritualität. Doch viele Besucher bringen eine westliche Selbstverständlichkeit mit, die lokale Kultur eher ignoriert als respektiert. Heilige Orte werden zu Kulissen für Instagram-Bilder, traditionelle Handwerkskunst weicht Massenproduktion und Jahrtausend alte Traditionen verkommen zur Touristenattraktion. Der Tourismus auf Bali zeigt, wie schnell eine Kultur ihre Identität verliert, wenn die Wünsche der Besucher über allem stehen.

Andere Länder, andere Sitten

In vielen Ländern begegnen wir Regeln und Traditionen, die sich von den westlichen unterscheiden. Diese Unterschiede sollten wir jedoch nicht als Einschränkung unserer persönlichen Freiheit sehen, sondern als Gelegenheit, unseren Horizont zu erweitern. Es geht hier nicht um Freiheitseinschränkung, nein. Es geht vielmehr darum, respektvoll mit den Bräuchen und Normen umzugehen, die in anderen Kulturen von Bedeutung sind.

Ein Beispiel: Auf Bali gibt es klare Regeln für den Tempelbesuch. Tempel dürfen nicht mit offenen Wunden bzw. blutend betreten werden. Das gilt auch für Frauen während ihrer Menstruation. Diese Vorgabe ist keine Form von Diskriminierung, sondern ein Ausdruck der spirituellen Reinheit, die für diese Orte wichtig ist. Für die Balines*innen ist dieser Brauch ein Zeichen des Respekts vor dem Heiligen. Für Tourist*innen hingegen, die diesen Kontext nicht verstehen (wollen), wirkt es wie Diskriminierung. Viele westliche Reisende beschweren sich über diese Vorgaben und fordern Toleranz. Doch wie tolerant ist es, sich in einem fremden Land über Regeln hinwegzusetzen, die tief im Glauben und Selbstverständnis der Menschen verwurzelt sind?

Die Kehrseite des Tourismusbooms

Länder wie Indonesien profitieren aber auch stark vom internationalen Tourismus, da viele Menschen auf die Einnahmen angewiesen sind. Reisende unterstützen die lokale Wirtschaft und tragen zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei. Doch dieser Blick auf den Tourismus ist einseitig. Die Kultur wird zunehmend zu einem Produkt für die Besucher*innen, das an deren Erwartungen und Bedürfnisse angepasst wird. Ursprüngliche Bräuche und Traditionen werden oft vereinfacht, und an vielen Orten entsteht eine inszenierte Version der Kultur, die den Tourist*innen ein Gefühl von Authentizität vermitteln soll, aber wenig mit dem tatsächlichen Leben der Einheimischen zu tun hat. Auch Bali hat sich so sehr an die Wünsche der Reisenden angepasst, dass die Insel dabei ist, ihre eigene Identität zu verlieren.

Ein Appell für Respekt

Man muss nicht jede Tradition oder Praxis gutheißen. In Ländern, in denen Frauenrechte eingeschränkt oder Menschenrechte verletzt werden, ist es völlig legitim, solche Missstände abzulehnen. Doch während wir diese Probleme verurteilen, sollten wir darauf achten, nicht in unsere Reiseblase zu flüchten und dabei die Herausforderungen der Einheimischen durch unsere westlichen Privilegien zu übersehen. Bevor wir ein fremdes Land bereisen, sollten wir uns aktiv darüber informieren.

Wir als Gäste tragen die Verantwortung, uns anzupassen und respektvoll mit den lokalen Normen und Werten umzugehen. Wer sich dieser Verantwortung nicht stellen möchte, sollte lieber zuhause bleiben.

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Ja, ich informiere mich und respektiere die Regeln vor Ort.

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Nein, ich reise eher, ohne mich intensiv mit den lokalen Traditionen auseinanderzusetzen.

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