Is' mir Schnuppe
Es war eine wolkenlose, aber trotzdem recht laue Sommernacht. Meine große Schwester und ich haben am Morgen dieses Tages in der Zeitung gelesen, dass ein Sternschnuppen-Regen den Himmel in der kommenden Nacht verzaubern soll. Wir haben uns mit Matratzen und Decken ausgestattet und haben uns damit auf dem Balkon meines Opas ein gemütliches Bett gerichtet. Wir mussten gar nicht lange warten, da ging es auch schon los: eine Sternschnuppe folgte der nächsten. „Ich wünsche mir, dass mein Crush mich endlich beachtet, dass ich gute Noten in der Schule bekomme, dass meine Familie und Freunde gesund bleiben, dass die Sommerferien verlängert werden, dass ich mein Wunschgewicht erreiche, dass ich sportlicher werde, dass ich mich weniger mit meinen Eltern und Geschwistern streite.“ Mit zugekniffenen Augen ratterte ich eine ganze Liste an Wünschen herunter, denn bis zu meinem Geburtstag und Weihnachten dauerte es einfach noch zu lange. Nur im Stillen für mich natürlich. Klar, wenn man Wünsche laut ausspricht gehen sie bekanntlich nicht in Erfüllung. In keiner einzigen Sekunde hielt ich inne und fragte mich: Was mache ich da überhaupt? Warum wünsche ich mir etwas von verglühenden Bruchstücken eines Meteors?
Nach einer Statistik mit dem Namen „Welcher Aberglaube hat für Sie eine Bedeutung, auf welchen geben Sie selbst immer acht?“ messen 40 Prozent der Befragten Sternschnuppen eine große Bedeutung zu. Beliebter sind nur noch vierblättrige Kleeblätter. Woher der Aberglaube kommt, ist nicht so richtig klar. Man sah in den Sternen einst göttliche Lichtfunken, die die Engel putzen mussten, wobei die Sternschnuppen entstanden. Wer eine am Nachthimmel sah, hoffte also auf einen eigenen Engel an seiner Seite.
Aber sind wir mal ehrlich: Uns ist egal, was Sternschnuppen wirklich sind. Uns ist egal, was sie für die Menschen früher bedeuteten. Uns ist egal, ob da oben am Nachthimmel eine himmlische Wunschmaschine vorbeizieht oder wir unsere Zeit mit Wünschen verschwenden, die nie in Erfüllung gehen. Wir wollen manche Dinge nicht wissenschaftlich betrachten. Wir wollen manchmal einfach nur abergläubisch sein. Wir wollen glauben, dass da oben etwas ist, das unsere Wünsche erfüllt und unser doch sehr hartes Leben etwas leichter macht. Ich finde, wir haben das gute Recht dazu.
Und sollten unsere Sternschnuppenwünsche nicht in Erfüllung gehen, dann hat das Ganze trotzdem etwas Positives an sich, wie ich finde. Dadurch, dass Sternschnuppen nur kurz aufleuchten, müssen wir unsere Wünsche auch so prägnant wie möglich formulieren. Ein Herumeiern geht einfach nicht, dafür ist die Zeit zu kurz. Dadurch lernen wir schnell, was uns wirklich wichtig ist, was uns am Herzen liegt. Heute ist das vermutlich nicht mehr mein Crush.
Hier geht es zu einem weiteren Teil der Kolumne "Aber glaub doch was du willst".