Fußball 4 Minuten

Kicken bis zum Bruch

Auf dem Rasen liegen ein Kalender, Fußballschuhe sowie medizinisches Equipment.
Durch den eng getakteten Terminkalender kommt es im Profifussball häufig zu Muskel- und Bänderverletzungen. | Quelle: Linus Schwarz
12. Dez. 2024

Immer mehr Spiele, immer weniger Erholung. Der europäische Spitzenfußball treibt seine Spieler an Ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus. Die Ausweitung der Spielpläne hat drastische Folgen für alle Beteiligten.
 

Dienstag, 17. September 2024, Pressekonferenz Manchester City vor dem Champions League Duell gegen Inter Mailand. Der nun amtierende Weltfußballer Rodri äußert sich kritisch zu den hohen Belastungen als Fußballprofi und denkt öffentlich über einen Streik nach. Wie sich im Nachhinein herausstellt, eine Pressekonferenz mit fadem Beigeschmack. Nur fünf Tage später reißt sich der Spanier im Ligabetrieb gegen den FC Arsenal das Kreuzband. Saisonaus! 

Der Terminkalender für die Mannschaften in den europäischen Topligen wird immer voller und die Fußballprofis werden stetig höheren Belastungen ausgesetzt. Schuld daran sind die neu geschaffenen Wettbewerbe der mächtigen Fußballverbände FIFA und UEFA. In den vergangenen Jahren reformierten die beiden Big Player etliche Wettbewerbe. Zur Saison 2018/2019 wurde mit der Nations League ein komplett neuer Wettbewerb für die Nationalmannschaften geschaffen. 

Seit der laufenden Runde wurde zum Beispiel auch die UEFA Champions League reformiert. Im Zuge der Reform wurde ein Ligasystem eingeführt und die Anzahl der teilnehmenden Mannschaften erhöht. Durch die Aufstockung von 32 auf 36 Teams im Wettbewerb stehen für die Clubs nun mehr Partien auf dem Spielplan. Zudem kommt mit der neuen Klub Weltmeisterschaft, die im Sommer 2025 erstmals ausgetragen wird, nach der laufenden Saison noch ein weiterer Wettbewerb hinzu. Anstelle einer langen Sommerpause, die der wichtigen Erholung dient, nehmen die Profis also erneute Reisestrapazen in die Vereinigten Staaten auf sich, um bei einem weiteren Wettbewerb anzutreten. Die Vereine profitieren dabei von zusätzlichen Einnahmen, sowie neuen Vermarktungsmöglichkeiten. Die Fußballstars hingegen spielen in einem für sie weiteren Wettbewerb.

Auch junge Spieler sind betroffen

Diese Entwicklung macht auch nicht vor jungen Spielern halt. Eine Statistik der internationalen Spielergewerkschaft FIFPRO, mit Sitz in Brüssel zeigt die Spielzeit von deutschen Spielern im Klub und in der Nationalmannschaft vor ihrem 21. Geburtstag. Während Michael Ballack und Thomas Müller seit Ihrem Profidebüt mit knapp 19 Jahren, 4.175 Minuten bzw. 8.330 Minuten bis zur Vollendung Ihres 21. Lebensjahres auf dem Platz standen, sind es bei Deutschlands Ausnahmetalent Florian Wirtz schon 11.501 Minuten bis zu seinem 21. Geburtstag. Allerdings debütierte Wirtz schon im Alter von 17 Jahren im Profifussball.

Infografik von Linus Schwarz

Um den Inhalt anzuzeigen müssen Sie zuvor der Nutzung von Marketing Cookies zustimmen.
Seit 1997 sind junge Profis bis zu ihrem 21. Lebensjahr immer höheren Belastungen ausgesetzt. | Quelle: FIFPRO

Wie häufig sind die Mannschaften gefordert?

Geht man davon aus, dass ein Club in der nationalen Meisterschaft, im nationalen Pokal sowie in einem internationalen Wettbewerb wie der Champions League oder der Europa League am Ball ist, stehen die Fußballprofis alle drei bis vier Tage auf dem Platz. Hinzu kommen oft noch hunderte Kilometer zur Anreise an den Spielort sowie Hotelübernachtungen fern von Freunden und Familie. Dieser Entwicklung steht Sportmediziner Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule aus Köln kritisch gegenüber: „Die Entlastungsblöcke werden durch die eng getakteten Spielpläne immer weniger. Der Körper benötigt nach einer intensiven Partie vier bis fünf Tage zur Regeneration. Somit können die Spieler nicht ausreichend regenerieren und bieten keine maximale Performance über eine ganze Saison.“ 

„Die körperlichen Grenzen des Menschen können nicht verschoben werden.“

 

Prof. Dr. Wilhelm Bloch, Sportmediziner

Die Liste der Beschwerden wird länger. Nach mahnenden Worten von Weltfußballer Rodri, haben sich nun weitere prominente Stimmen des Fußballs zu dieser Thematik geäußert. Neben BVB-Coach Nuri Sahin, den Trainergrößen Pep Guardiola und Jürgen Klopp sowie dem aktuellen Bayern-Trainer Vincent Kompany, äußerte auch Freiburgs Kult-Trainer Christian Streich kritische Worte. „Es ist mental und physisch zu viel für viele Spieler. Es ist auch nicht damit zu rechtfertigen, dass sie so viel Geld verdienen“, so Trainer-Rentner Streich in einem Interview mit dem Sportmagazin Kicker. Auch Sportmediziner Bloch reiht sich bei diesen Beschwerden ein: „Die körperlichen Grenzen des Menschen können nicht verschoben werden, es ist lediglich eine Optimierung innerhalb dieser Grenzen möglich.“

Im Schnitt zweieinhalb Verletzungen pro Spieler

Verletzungen treten im europäischen Spitzenfußball immer wieder auf. Viele Profis haben häufiger mit diversen Blessuren zu kämpfen, die sie außer Gefecht setzen. Im Durchschnitt haben die Vereine pro Saison ca. zweieinhalb Verletzungen pro Akteur zu verzeichnen. Diese Verletzungen reichen von kleineren Blessuren, wie Blutergüssen über muskuläre Probleme, bis hin zu längeren Ausfällen, beispielsweise durch einen Kreuzbandriss. Doch nicht nur die Akteure leiden unter diesen Belastungen, sondern auch die Qualität des Spiels und somit auch die Fans in den Stadien oder vor den Fernsehgeräten. Das sieht auch Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der deutschen Spielergewerkschaft VDV, so: „Auch im Hinblick auf die Spielqualität ist eine gute Belastungssteuerung wichtig. Denn nur fitte und ausgeruhte Spieler können Topleistungen erbringen.“ 

Welches Ausmaß die Ausweitung der Spielpläne mit sich trägt, lässt sich an einem Ereignis aus dem vergangenen Oktober deutlich machen. Die bereits erwähnte Spielergewerkschaft FIFPRO sowie der Verband der Europäischen Ligen, reichten Klage gegen die FIFA bei der EU-Kommission ein und hofften damit den Fußballverband aufzuwecken und ein Handeln zu bewirken. Es bleibt also abzuwarten, wie der europäische Spitzenfußball sich weiterentwickeln und verändern wird. Genauso gespannt wird die Fußballwelt auch nach Manchester auf Weltfußballer Rodri schauen ob er nach seiner Genesung mit Kollegen beim Streik gesichtet wird.