Musikindustrie

Keine Musik ohne Sampling

Vielen Musikfans ist gar nicht bewusst, durch wie viele Hände ihre Lieblingssongs gewandert sind.
12. Mai 2023
Cro hat's von Dr. Dre und der hat's aus den Sechzigern. „Bad Chick“ und „What's The Difference“ klingen beide wie „Parce Que Tu Crois“ - ein Lied aus dem Jahr 1966. Das ist auch gut so, denn Sampling gehört in die Musikwelt wie Mikro und Studio.

2015 mussten sich die Sänger Pharrell Williams und Robin Thicke vor Gericht verantworten. Ihr Song „Blurred Lines” sei ein Plagiat des Marvin Gaye-Songs „Got to Give it Up”, was beide um rund sieben Millionen Euro erleichterte. Rechtsstreite wie diese zeigen auf, welche negativen Folgen das Sampling auf Musikschaffende hat. Oft wird Nutzer*innen von Samples auch vorgeworfen, sie seien unkreativ und würden die Arbeit anderer Musiker*innen für ihren eigenen Erfolg ausnutzen. Sie würden schließlich kein neues Werk kreieren. Eine Aussage, die nicht stimmt, betrachtet man die Charts der vergangenen Jahre.

Als Sampling bezeichnen Musikschaffende die Wiederverwendung von fertigen Tonaufnahmen in eigenen Songs, die sie kaum bis stark verändern. Oft führt das zu Anklagen seitens der rechtmäßigen Musikbesitzenden, die behaupten, ihr Lied wurde unerlaubt genutzt.


Anstatt vom Klauen und Ausnutzen zu sprechen, lohnt es sich, einen Blick auf die Vorteile solcher Debatten zu werfen. Bleibt man bei dem Beispiel, stellt man fest, dass zwischen „Blurred Lines” und dem Original satte 36 Jahre liegen. Somit liegen die Zielgruppen beider Songs in der Altersgruppe weit auseinander. Der Aufruhr rund um den Prozess sorgte aber dafür, dass Fans des Pharrell-Songs einen Berührungspunkt mit dem längst verstorbenen Marvin Gaye fanden. So bleibt das Vermächtnis des Funk-Sängers doch über mehrere Generationen in Erinnerung. Voraussetzung hierfür ist natürlich das rechtmäßige Anfragen bei dem*der Besitzer*in des Liedes - etwas, was selbst große Interpret*innen wie Jay-Z und Beyoncé beachten. Beide sind bekannt dafür, auch die kleinsten Teilhabenden am Entstehungsprozess ihrer Musik in den sogenannten „Credits” zu erwähnen.

Auch muss beachtet werden, dass Gerichtsprozesse dieser Größe sehr selten sind, zumal Plagiatsvorwürfe auch bei Songs ohne Sample-Inhalte mittlerweile fast schon an der Tagesordnung stehen. Ein Beispiel hierfür ist der Hitsong „7 Rings” von Ariana Grande. Diesem wurde gleich von drei verschiedenen Musizierenden vorgeworfen, zu ähnlich zu klingen wie ihre eigenen Releases. Der Popsängerin konnte schließlich nichts in der Richtung vorgehalten werden und ein Großteil des Publikums beschäftigte sich wochenlang mit einer Diskussion um Tonfall und Melodie, statt um clever genutzte Metaphern in den Lyrics.

Viel wichtiger ist jedoch, welche Wirkung Samples auf die Zuhörenden haben. Den durchschnittlichen Fan interessiert der rechtliche Hintergrund schlicht und einfach nicht. Sampling ermöglicht es, Genres, Styles und Sprachen zu kombinieren. Ein Musterbeispiel stellt Rapper Jay-Z dar, indem er die britische Soul-Sängerin Hannah Williams auf seinem Song „4:44” samplet. Als Ergebnis entstand der emotionale und dramatische Titelsong des gleichnamigen Albums, das sich über mehrere Wochen in den Top 20 der Charts hielt. Außerdem schätzte Williams den Anruf seitens Jay-Z, in dem er sie nach Erlaubnis bat, den Song nutzen zu dürfen.

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Jay-Z nutzt Teile aus Hannah Williams' Song ,,Late Nights & Heartbreak'' | Quelle: Spotify

Es steht außer Frage, dass Samples in die heutige Musikindustrie gehören. Sie öffnen Sänger*innen und Rapper*innen zahlreiche Türen und motivieren zum Herumexperimentieren mit Musik. Geht man respektvoll mit der Musik anderer um – etwa indem man um Nutzungsrechte bittet –, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, eine Hommage an den Lieblingsmusiker oder die Lieblingsmusikerin mit einem modernen, eigenen Touch zu verbinden.