„Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Zwischen Selbstbestimmung und Mord
Nur noch drei Monate hätte es bis zur Geburt gedauert. 25 Wochen lebte in Sara* ein kleines Wesen, das alles mit ihr teilte – und sie alles mit ihm. Es war das erste Kind von Sara und Max*. Die beiden konnten es kaum erwarten. Doch dann die Diagnose: Trisomie 18. Entweder ein vererbbarer Gendefekt oder wie in Saras Fall ein dummer Zufall der Natur, der für ihr Baby nur eins bedeutete: nicht lebensfähig. Drei Wochen lang rang Sara mit der Entscheidung, bis sie es endlich wusste: Ein Schwangerschaftsabbruch in einer Klinik ist das Richtige. Nachdem die Geburt künstlich ausgelöst worden war, brachte sie ihr Kind normal zur Welt, bevor es kurz nach der Geburt an Herz- und Lungenversagen starb. „Viele Menschen verstehen nicht, wie Frauen ihr Kind unter solchen Bedingungen noch normal gebären können“, sagt Katrin K., Saras Hebamme. „Doch diese Zeit ist extrem wichtig, damit sich die Familien von ihren Babys verabschieden können."
Ein so später Schwangerschaftsabbruch wie bei Sara ist nur in physischen oder psychischen Sonderfällen, wie etwa einer schweren Krankheit des Kindes, straffrei. Denn laut Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist eine Abtreibung immer noch illegal.
Der Schwangerschaftsabbruch ist straffrei, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Dies ist bei etwa 96,4 Prozent der Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland der Fall.
HILFE, ICH BIN UNGEWOLLT SCHWANGER!
- Du weißt nicht, wie es weitergehen soll? Atme erst mal tief durch. Du bist nicht allein.
- Sprich mit den Menschen, denen du am meisten vertraust, oder suche dir Hilfe von Außenstehenden, zum Beispiel bei der 24-stündigen Lebenshelfer Hotline (0800 - 36 999 63).
- Information ist alles! Wende dich an seriöse Anbieter wie pro familia oder zum Beispiel diese Städtische Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen und Schwangerschaftskonflikte in Stuttgart.
- Am wichtigsten: Mach dir bewusst, dass es nicht darum geht, was richtig oder falsch ist. Es geht um dich. Es ist deine Entscheidung. Es ist dein Leben.
Eine solche Lebensentscheidung zu treffen, ist schon in Deutschland eine unbeschreibliche Herausforderung. Hier kann man sich jedoch auf gute Beratung und eine professionelle Behandlung verlassen – ohne die Androhung einer Haftstrafe. Das ist nicht überall selbstverständlich. Besonders streng und konservativ sind die Gesetze in Monaco, Liechtenstein, Polen und Malta. Hier sind Abtreibungen entweder komplett verboten oder nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt – zum Beispiel bei einer starken Missbildung oder Inzest. In den meisten anderen europäischen Ländern sind die Gesetze denen in Deutschland sehr ähnlich. Frauen können sich bis zur 14. Schwangerschaftswoche für einen Eingriff entscheiden. Eine extreme Ausnahme ist Holland. Hier ist eine Abtreibung bis zum sechsten Monat möglich. Auch in England ist dies erlaubt, allerdings nur dann, wenn zwei Ärzte bescheinigen, dass die Schwangerschaft der Frau physisch oder psychisch schaden könnte.
Wenn man in Deutschland bemerkt, dass man ungewollt schwanger geworden ist und eine Abtreibung in Erwägung zieht, dürfen seit der Befruchtung nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sein. Anschließend ist eine gesetzlich vorgeschriebenen Beratung Pflicht, zum Beispiel bei pro familia. Hier erhält die Betroffene einen Beratungsschein und eine Liste mit Ärzten, die die Abtreibung durchführen können. Ohne diese Liste ist es fast unmöglich, einen Arzt zu finden, denn laut Gesetz ist es Ärzten europaweit verboten, mit diesem Dienst zu werben. Wer dies doch tut, muss eine hohe Geldstrafe befürchten. Der Abbruch erfolgt frühestens am vierten Tag nach Abschluss der Beratung. Doch was genau passiert überhaupt, nachdem man einen passenden Arzt gefunden hat?
Die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch ist eine der schwersten, die einem im Leben begegnen können. Sara und Max hatten das Glück, wieder schwanger zu werden. Seit einem Jahr sind sie Eltern eines gesunden Kindes. Nun gehören beide Kinder in ihr Leben – das Gestorbene und das Neugeborene. Doch egal welches Land, welche persönliche Geschichte oder welche Religion: Die Entscheidung der Frau sollte immer respektiert und niemals verurteilt werden.
* Name von der Redaktion geändert