„Europa hat bereits den worst case erreicht.“
Wir müssen etwas ändern
So eröffnet der 37-jährige das Interview. Weshalb ist das so? Dabei bezieht John sich auf die anhaltende Flüchtlingskrise. Seit vier Jahren beschäftigen sich John und seine Kollegen vom National Theatre of Greece mit den Flüchtlingskindern in ihrer Heimat Thessaloniki. Im Rahmen eines Integrationsprojektes werden zusammen mit den Flüchtlingskindern und Kindern aus der Region als Regisseure und Schauspieler Theaterstücke geplant, vorbereitet und aufgeführt.
Dabei erfährt John jeden Tag von deren Leidensgeschichten. „Diese Kinder möchten einfach nur Kinder sein, wie jedes andere Kind auf der Welt auch“, teilt John mit. „Die Familien leben zum Teil seit vier Jahren in Zelten in einem Camp vor meiner Haustür“, beschwert er sich über deren aktuellen Lage.
Macht der Kirche
Vieles davon schiebt er auf die Kirche in Griechenland. „Wir erleben jeden Tag eine Diskriminierung, auch vonseiten der Kirche“, erzählt John. „Die Kirche hat in Griechenland wesentlich mehr Macht als in Deutschland“, verrät der Vater von drei Kindern. Sie verweigere den Flüchtlingen den Zugang zur Bildung, da sie keine Muslime an ihren Einrichtungen, wie etwa den kirchlichen Schulen, zulassen wolle. „Die Muslime würden unsere Religion beschmutzen und deswegen wollen sie sie nicht“, fügt John wütend hinzu. In seinen Augen ist das nicht nachvollziehbar. „Kein Vergleich zu Deutschland“, meint er außerdem nachdenklich. Der Musiker hat bereits früher Deutschland besucht und sich ein Bild von der Flüchtlingslage und der Macht der Kirche im Vergleich zu der in Griechenland gemacht.
„Europa ist nicht das, was es zu sein scheint“, betont er. In seinen Augen sollte mehr für die Flüchtlinge getan werden. Es ärgert ihn, dass es bisher so schleppend vorangeht. Dadurch hat sich sein Bild von Europa auch nachhaltig verschlechtert. Das lässt darauf schließen, dass seine Vorstellung von Europa früher eine andere war – aber welche? „Damals habe ich nur daran gedacht, einen guten Abschluss zu machen. An Europa als Ganzes habe ich gar nicht gedacht. Ich habe lediglich bei meinen Freunden, die zum Beispiel drei Jahre lang in England studiert haben, gemerkt, dass dieser Abschluss nichts gebracht hat. In Griechenland muss man für einen Abschluss vier Jahre lang studiert haben. Das fand ich ungerecht“, erklärt John. Der Entschluss, bei „Europe Speaks out“ teilzunehmen, kam durch die Situation der Flüchtlinge. Außerdem regt John zum Denken an: „Ich möchte die Leute bitten, sich mehr Gedanken über andere Menschen in einer Flüchtlingssituation zu machen.“
Das Theaterstück „Europe Speaks Out“
Dafür steht auch das Theaterstück „Europe Speaks Out“ des Schauspielhauses Stuttgart. John und acht weitere Darsteller werden jeweils zehn Minuten lang alleine auf der Bühne stehen und erzählen, was ihre Ansicht von Europa ist. Was sich ändern sollte. Was bleiben sollte. Worüber aber möchte John genau reden? „Ich appelliere an die USA und andere große Länder, die sich bisher aus der Flüchtlingskrise so gut es geht rausgehalten haben. Mit einer gesunden Prise Sarkasmus!“, erzählt John. „Ich bedauere, dass so viele Menschen auf dem Sofa sitzen und nur darüber philosophieren, was passiert, statt wirklich etwas zu tun. Und genau das möchte ich mit meiner Darstellung ausdrücken.“ John will zeigen, dass es anders geht und dass es anders gemacht werden muss. Er nimmt außerdem eine Rolle bei „6x20 - A Trip Through Europe“ ein. Bei diesem Stück wird die aktuelle Lage Europas innerhalb von zwanzig Minuten von den Akteuren auf unterschiedliche Weise beleuchtet. Dabei denkt John bereits an weitere Projekte und Theaterstücke mit dem Thema Europa. Wird er an mehr Stücken teilnehmen? „Unbedingt. Ich finde es sehr wichtig, sich mit dem Europa, wie wir es kennen, auseinanderzusetzen. Europa sollte sich dennoch überlegen, wie es in Zukunft aussehen möchte“, appelliert John an alle Europäer und Europäerinnen.
Europas Zukunft
Wie könnte Europa in Zukunft aussehen? Diese Frage stellen sich nicht nur die Darsteller des Festivals „Future of Europe“, sondern auch 20 Wissenschaftler und Politiker aus der EU, der östlichen Nachbarschaft und Russland. Im Rahmen einer Studie („Scenario Group EU+East 2030: The EU and the East in 2030 - Four Scenarios for Relations between the EU, the Russian Federation, and the Common Neighbourhood“) der Friedrich-Ebert-Stiftung untersuchten sie 2014, wie die Beziehungen zwischen Europa, der östlichen Nachbarschaft und Russland 2030 aussehen könnten.
Das Theaterstück „Europe Speaks Out“ kann am Mittwoch, 6. Juni, und Samstag, 9. Juni, ab jeweils 19:30 Uhr besucht werden. Der Eintritt kostet 19 Euro.