Wer hat Angst vor der Schwarzen Frau?
Es hört sich vielleicht erst einmal nach dem Trailer eines Action-Filmes oder einer Szene aus einem Rapvideo an. Dahinter verbirgt sich jedoch ein rassistisches Stereotyp, das in den Medien und vor allem in der Popkultur zur Unterhaltung vermittelt wird. Das Narrativ der wütenden Schwarzen Frau ist problematisch, da es Betroffenen das Recht auf Wut abspricht. Auch ich bin davon betroffen!
Es begann schon früh, in meiner Schulzeit, um genau zu sein. Als eines von insgesamt vier Schwarzen Kindern auf der gesamten Schule, war es dort nicht immer einfach für mich. Die Schulglocke klingelt zur ersten Unterrichtsstunde. Wir sitzen in einem Stuhlkreis. Meine Lehrerin beginnt ein Gespräch, stellvertretend für meine Mitschülerin. Völlig unerwartet wendet sie sich mir zu. „Deine Sitznachbarin will sich umsetzen, weil sie Angst vor dir hat“, erklärt mir meine Lehrerin. Ich wusste sofort, worum es hier ging. Einen Tag zuvor hatte mich meine Sitznachbarin rassistisch beleidigt, worauf ich natürlich verärgert reagierte und mich verbal verteidigte. Nach dem Unterricht sprach ich meine Mitschülerin auf die Stuhlkreis-Situation an. Daraufhin bekam ich eine Antwort: „Ich habe Angst vor dir, weil du so dunkel und groß bist und gestern so böse reagiert hast“, sagte sie mit zitternder Stimme. An meine Reaktion kann ich mich heute nicht mehr erinnern, nennen wir es ein verdrängtes Trauma.
weiß: „Wird kursiv geschrieben, denn weiß meint nicht lediglich den Hautton einer Person, sondern eine gesellschaftlich dominante Machtposition, die mit Privilegien verbunden ist.“
Schwarz: „Wird großgeschrieben, da es, ebenso wie weiß, nicht den Hautton einer Person meint, sondern eine Selbstbezeichnung ist, die die politische und gesellschaftliche Positionierung einer Person beschreibt. Das Schwarze Subjekt ist gesellschaftspolitisch und strukturell immer untergeordnet. Schwarz umfasst alle Personen(-gruppen) afrikanischer Herkunft.“
Quelle: Süddeutsche Zeitung Magazin
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War das womöglich meine erste Konfrontation mit diesem rassistischen Narrativ? Bis heute höre ich immer noch Sätze von weißen Menschen wie „Komm mal runter“, „Chill mal“ oder „Du bist immer so aggro“, wenn ich wütend reagiere. Da ist es wieder einmal. Das Gefühl, meine berechtigte Wut herunterschlucken zu müssen, um nicht wieder die Angry Black Woman zu sein. Ich schlucke sie gezwungen herunter, wie den Broccoli, welchen ich als Kind so hasste. Laut der afrodeutschen Journalistin Ciani-Sophia Hoeder gibt es genug Gründe für Schwarze Frauen, wütend zu sein. Rassismus, Diskriminierung, körperliche Erwartungen und Exotisierung sind dabei nur die Spitze des Eisberges.
Der Ursprung des Bösen
Die afroamerikanische Professorin für Psychologie, Carolyn M. West, hat sich mit dem Ursprung des Stereotyps beschäftigt: In den frühen 30er Jahren produzierten zwei weiße Männer eine Radioshow namens „Amos n Andy“. Inhalt der Show war es, Schwarze Charaktere nachzuäffen und zu synchronisieren. Eine grandiose Idee, nicht wahr? Alles natürlich im Sinne der Unterhaltung, versteht sich. Diese Show hatte in den 50er Jahren ihre TV-Premiere. Diesmal bestand der Cast jedoch aus vorwiegend Schwarzen Schauspielern. Besonders die Rolle der Sapphire Stevens gewann an Beliebtheit. Sie verkörperte eine aggressive, dominante und maskuline Frau mit kurzer Zündschnur. Die Angry Black Woman war also geboren. Als Synonym wird deshalb auch der Sapphire Begriff verwendet. Obwohl die Sendung Jahre später abgesetzt wurde, bedienen sich Massenmedien bis heute noch an diesem rassistischen Bild, wodurch es immer weiter und weiter reproduziert wird. Dies ist in Deutschland natürlich nicht an uns vorbeigegangen. Wir sind schließlich Teil einer globalisierten Welt und werden ebenfalls von amerikanischen Medien und Popkulturen beeinflusst. Fabienne Sand, Autorin und Journalistin mit dem Schwerpunkt Rassismus, sieht dies ähnlich. Sie erkennt außerdem einen Zusammenhang zwischen den negativen Zuschreibungen und der Art und Weise, wie Schwarze Frauen „gelesen und verstanden werden“.
Das Stereotyp Hand in Hand mit Colorism
Viele Betroffene des Stereotyps werden zusätzlich mit Colorism konfrontiert, so auch Perla Londole. Als darkskinned-Schwarze Frau wird sie häufiger ausgegrenzt und diskriminiert im Gegensatz zu mir, als lightskinned-Schwarze Frau. Perla ist Jurastudentin und Gründerin der Black Community Foundation in Deutschland und wurde schon oft als Angry Black Woman abgestempelt.
Colorism/Kolorismus beschreibt die Diskriminierung aufgrund der Helligkeit einer Hautfarbe bzw. deren Haut-Schattierung. Der Begriff stammt von der afroamerikanischen Schriftstellerin Alice Walker. „Colorism unterscheidet sich von Rassismus, denn Rassismus ist die Diskriminierung bestimmter ethnischer Gruppen, während Colorism nur einen Teil dieser ethnischen Gruppe diskriminiert“. „Colorism wird nicht nur von weißen Menschen praktiziert, sondern von jeder anderen ethnischen Gruppe“. Problematisch ist es außerdem, wenn sogar Ausgrenzungen aufgrund der Helligkeit der Hautfarbe in Schwarzen Communities stattfinden. Dies sorgt nämlich für eine Spaltung innerhalb der Community. Je heller man als Schwarze Person (lightskin) ist, desto mehr Privilegien hat man in einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Schwarze Personen mit dunkler Haut (darksin) werden schlechter behandelt.
Quelle: wmn.
Es ist kein Einzelfall, dass die Angry Black Woman oft mit darkskinned-Schwarzen Frauen verbunden wird. In einigen Serien und Filmen beispielsweise, treten lightskinned und darkskinned Schwarze Frauen als Freundinnen auf. Die Problematik hierbei ist, dass die Schwarze Freundin mit dem helleren Hautton häufig als hübscher, freundlicher und wohlerzogener dargestellt wird. Die Freundin mit dunklerem Hautton wird gegensätzlich als böse, unerzogen und garstig abgebildet. Eine typische Angry Black Woman eben. Je näher man als Schwarze Person an der weißen Norm oder dem europäischen Schönheitsideal ist, desto akzeptabler wird man von der Gesellschaft wahrgenommen. Auch dies ist ein Beispiel für Colorism.
Gleiches Recht für alle
Die Angry Black Woman ist nur eines von vielen Stereotypen, welches Schwarzen Frauen täglich auf die Stirn geschrieben wird. Es braucht Zeit und Selbstreflexion, zu verstehen, was meinen Charakter wirklich ausmacht. Ich definiere mich selbst und lasse mich nicht von rassistischen Zuschreibungen definieren. Das sollte ich wohl zu meinem persönlichen Mantra machen! Um es jetzt nochmal für alle deutlich zu machen: Schwarze Frauen haben das Recht auf Wut wie jedes andere Individuum auch!