Sorry, I don't speak Denglisch
„Hello hellooo!“ Meine Studienfreundin Millie kommt beschwingt zur Tür herein. Wir gehen in die Küche, wo ein dampfender Flammkuchen wartet. „Hmm, looks deli“, ruft sie entzückt. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie mein Mitbewohner Karl-Theodor die Augenbraue hebt. Er ist 28 und damit fast ein Jahrzehnt älter als wir. „Das ist französisch“, gibt er entgeistert zu verstehen, „nicht indisch.“ Jetzt ist es Millie, die verwirrt schaut. „Delhi – das ist die Hauptstadt von Indien“, erklärt Karl. Ich pruste los und fange mir augenblicklich einen bösen Blick meines Mitbewohners ein. „Deli, das steht für delicious, ist doch klar“, versucht Millie ihn aufzuklären, doch Karl ist not so amused. Verächtlich rümpft er die Nase: „Sagt mal, ihr studiert Journalismus und könnt nicht mal mehr Deutsch? Was wird nur aus unserer Sprache?“ Belustigt versuche ich die beiden zum Schweigen zu bringen, indem ich ihnen ein Stück Flammkuchen in die Hand drücke.
Während sie den Mund voll haben, mache ich mir Gedanken über das, was Karl gerade gesagt hat. Hat er womöglich Recht und die deutsche Sprache wird allmählich von hippen englischen Begriffen ersetzt? Oder treffen hier einfach nur der Sprachgebrauch eines leidenschaftlichen Ex-AuPairs und die Wortwelt eines 28-jährigen Mannes mit einem altdeutschen Doppelnamen aufeinander? Ehrlich gesagt, mir passiert das auch gelegentlich: Da möchte ich etwas formulieren und erwische mich dabei, wie ich mich einer anderen Sprache bediene. Warum? Das weiß ich gar nicht – irgendwie weil’s besser beschreibt, was ich sagen will. So entsteht ein wilder Sprachcocktail von dem man nicht weiß, ob das, was dabei rauskommt einen spannenden Kick haben oder einfach nicht schmecken wird.
Wenn selbst BWL zum Business Administration Management wird
Du lachst – wenn ich dich jetzt frage, wie dein letztes... sagen wir, Konzert war. Was würdest du mir antworten? Super cool! Mega nice! Ich bin so excited für's nächste Mal. Merkste, ne? Gar nicht so leicht. Es ist überall. Welcher deutsche Studiengang kommt noch ohne einen komplizierten englischen Namen aus, unter dem sich meine Oma trotzdem nichts vorstellen kann? Und was denkt sie sich wohl dabei, wenn Susanne Daubner das Jugendwort des Jahres verliest: Cringe. Naja, die Auswahl war mit sus und sheesh (was mehr einem steinzeitlichen Laut ähnelt) ja auch eher begrenzt. Worte, die nahezu immer einsetzbar sind, weil sie nichts Konkretes bezeichnen. Da verstehe ich Karls Bedenken, die Sprache würde uns verloren gehen. Aber mal von diesen Negativbeispielen abgesehen, ist das doch der Gang der Dinge, oder? Sprache entwickelt sich und das ist okay, finde ich. Die Welt wird immer internationaler. Wieso sollten wir es ihr nicht gleichtun?
Während ich abgeschweift bin, haben sich Karl und Millie brisanteren Fragen gewidmet. Überrascht muss ich feststellen, dass von den neun Stück Flammkuchen in kürzester Zeit nur eines übrig geblieben ist, das heimatsuchend auf dem Rost liegt – gierig beäugt von zwei hungrigen Studierenden, die wie Hyänen um das Blech streifen. Es ist zu spät und ich kann nur zusehen, wie Karl ein Messer zückt und das Objekt der Begierde feinsäuberlich teilt. Triumphierend reicht er Millie eine Hälfte – eine Geste der Freundschaft. Wir sehen: Wichtig ist, dass wir uns verstehen, auch ohne Worte.
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