Scrollen wir uns einsam?

Die durchschnittliche tägliche Bildschirmzeit von Jugendlichen liegt laut der JIM-Studie 2024, einer jährlichen Umfrage unter Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren zur Mediennutzung, bei 224 Minuten – ein Wert, der seit der Pandemie auf einem Rekordniveau geblieben ist. Während Videotelefonie, Chats und Streaming die Kommunikation erleichtern, ist ein Großteil der Zeit durch soziale Medien geprägt. Studien, wie von der University of Pennsylvania und Pittsburgh zeigen: Hohe Bildschirmzeiten stehen oft in direktem Zusammenhang mit Einsamkeit und psychischen Belastungen. Plattformen wie Instagram oder TikTok nutzen Algorithmen, die Inhalte gezielt so ausspielen, dass Nutzer möglichst lange verweilen. Belohnungsmechanismen wie Likes oder Kommentare verstärken diesen Effekt – und das sogenannte „Doom-Scrolling“ wird zur Dauerschleife.
Eine Generation vor dem Bildschirm
Laut der DAK-Studie zur Mediensucht (2024) weisen 24,5 Prozent der Jugendlichen ein riskantes und 6,5 Prozent ein pathologisches Social-Media-Verhalten auf. Ein riskantes Nutzungsverhalten bezeichnet problematische Verhaltensmuster, während ein pathologisches Nutzverhalten bereits eine schwerwiegende Störung ist, die einer Sucht ähnelt. Die Zahlen verdeutlichen, wie stark soziale Medien das Verhalten beeinflussen. Doch was macht diese Nutzung mit der Psyche?
Neben Schlafmangel und Stress leiden Jugendliche zunehmend unter toxischen Vergleichen. Plattformen zeigen idealisierte Darstellungen von Körpern, Erfolgen und Lebensstilen, die oft unerreichbar bleiben. Dies führt bei vielen Jugendlichen zu Minderwertigkeitsgefühlen und verstärkt den Druck, sich anzupassen. Die negativen Erlebnisse gehen jedoch über Selbstzweifel hinaus: Laut der erwähnten JIM-Studie berichten fast 60 Prozent der Jugendlichen von Hass, Beleidigungen, Extremismus und verstörenden Inhalten. Diese Erfahrungen hinterlassen oft tiefe Spuren und tragen zur Verschärfung von psychischen Belastungen bei.
Einsamkeit trotz ständiger Vernetzung
Obwohl soziale Medien den Eindruck erwecken, immer verbunden zu sein, fühlen sich viele Jugendliche isoliert. Laut einer repräsentativen Erhebung des IFT-Nord, eine Forschungseinrichtung mit Schwerpunkt auf Prävention, Gesundheitsförderung und Suchtforschung, geben 31 Prozent der befragten Schüler*innen an, sich regelmäßig einsam zu fühlen. Bei jungen Erwachsenen von 16 bis 30 Jahren steigt diese Zahl für moderate emotionale Einsamkeit auf fast 46 Prozent.
Soziale Einsamkeit entsteht durch mangelnde Einbindung in ein soziales Netzwerk, während emotionale Einsamkeit durch das Fehlen enger Bezugspersonen wie eines Partners verursacht wird. Die virtuelle Welt kann diese Lücke selten schließen. Im Gegenteil, soziale Medien verstärken häufig dieses Gefühl, anstatt es zu mildern. Der Grund: Virtuelle Interaktionen bleiben meist oberflächlich, und Algorithmen priorisieren Inhalte, die starke emotionale Reaktionen hervorrufen – oft auf Kosten des Wohlbefindens der Nutzer.
Während die Zeit vor dem Bildschirm steigt, berichten Jugendliche immer häufiger von Einsamkeit. Die dargestellten Daten zeigen zwar Zusammenhänge, aber keine direkte Kausalität. Auch andere gesellschaftliche Entwicklungen wie familiäre Probleme, soziale Isolation oder schulischer Druck können eine Rolle spielen. Deutlich wird jedoch, dass Jugendliche die sich bereits einsam fühlen, dazu neigen, noch mehr Zeit auf Bildschirmen und sozialen Medien zu verbringen. Langeweile, Ablenkung, Dopamin. Diese digitale Spirale ersetzt echte soziale Verbindungen und fesselt Nutzer*innen an die Bildschirme – eine Entwicklung, deren Gefahren oft unterschätzt werden.