"Jeder Mensch hat eine Idee im Kopf und will sich verwirklichen. Und wenn er das der KI überlässt, dann ist das superlangweilig."
Maschinen in der Kunst
2022 gewann der Künstler Jason M. Allen den ersten Platz der Colorado State Fair Annual Art Competition in der Kategorie „digital art/digitally manipulated photography“. Das Bild hatte er, nach eigenen Angaben, mit der Künstlichen Intelligenz Midjourney erstellt. Spätestens seitdem bekommen KI-Softwares wie Midjourney, DALL-E2 oder Stable Diffusion große Aufmerksamkeit. Diese sind nur drei von vielen Programmen, mit denen man in Sekundenschnelle und zum Teil auch kostenlos Kunst erschaffen kann, ohne einen Pinsel in die Hand zu nehmen.
DALL-E2, Midjourney und Stable Diffusion sind Text-zu-Bild-Generatoren. Das bedeutet, dass man einen Text formuliert, mit dem die KI dann selbstständig ein Bild generiert.
Die KIs entwickeln sich schnell und werden immer besser. „Konnte man vor einem Monat noch auf Anhieb den Computer als Urheberin eines Kunstwerks entlarven, kann man sich zum Beispiel seit Midjourney Version 5 in den meisten Fällen nicht mehr sicher sein“, sagen kennedy+swan, eine Künstler*innengruppe, die mit KI arbeitet.
KIs bringen viele Möglichkeiten mit sich, aber auch Ängste. Eine Studie von Goldman Sachs besagt, dass KIs Änderungen in der Arbeitswelt hervorbringen werden, die das Äquivalent von 300 Millionen Vollzeitstellen bedrohen. Durch das Aufkommen von KI in der Kunst stellt sich nun die Frage, ob die Maschine auch in diesem Bereich eine Konkurrenz darstellt. Werden Farbe, Pinsel, Stein und Meißel überflüssig? Ist Künstliche Intelligenz eine echte Bedrohung für den Künstler*innenberuf?
Angewandte Kreativbereiche vs. Bildende Kunst
Um einschätzen zu können, wie real diese Gefahr ist, muss man die Bildende von der Angewandten Kunst unterscheiden. Angewandte Kreativbereiche wie Game- und Conceptdesign, Story- und Moodboards, architektonische Visualisierungen oder Modedesign seien laut kennedy+swan durchaus bedroht. Auch die Kuratorin der SHIFT-Ausstellung im Kunstmuseum in Stuttgart, Eva-Marina Froitzheim, sieht diese Gefahr: „Früher gab es Werbekampagnen, wo Autos in die Wüste transportiert und dann fotografiert wurden. Heute nimmt man ein 3D-modelliertes Auto und setzt das in alle erdenklichen Umgebungen. Da werden sicherlich auch Arbeitsplätze und Aufgabengebiete wegfallen.“ Sie zweifelt jedoch daran, dass man ganz auf den Menschen verzichten kann, der „das Produkt nachher so hinbringt, wie das Ergebnis sein soll“.
Eine Gefahr für die Bildende Kunst könnte aber in der einfachen Bedienung der KIs liegen, da plötzlich alle Kunst schaffen können, die Zugriff auf so ein Programm haben. „Musste man noch vor zwei Jahren eine gesunde Portion Nerdhaftigkeit mitbringen, ist heutzutage eine überzeugende Bild- oder Textgenerierung ohne Vorwissen nur ein paar Klicks entfernt“, sagen kennedy+swan. Ein Studium oder jahrelanges Erlernen sind also plötzlich keine Voraussetzung mehr, um Kunst zu schaffen. Aber wie auch Froitzheim glaubt Franziska Sophie Geissler, eine Künstlerin aus Stuttgart für Malerei, Skulptur und Bücher, nicht, dass die KI den Menschen ersetzen wird: „Der Mensch benutzt die KI, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich komplett von ihr leiten lässt. Weil der Mensch einfach lebt. Jeder Mensch hat eine Idee im Kopf und will sich verwirklichen. Und wenn er das der KI überlässt, dann ist es superlangweilig.“
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Was menschliche Kunstschaffende ausmacht
Zur Kunst gehört also viel mehr, als nur zu produzieren. Es gehöre Empathie dazu, Gefühle, vielleicht auch Leiden, um Kunst zu entwickeln, meint Froitzheim. Auch Geissler bezweifelt, dass der Mensch sich damit zufriedengeben wird, den Ausdruck von Gefühlen Maschinen zu überlassen. Außerdem gehe es bei Bildender Kunst schon lange nicht mehr um Schönheit, sondern um Ideen, Konzepte, die Handschrift des Künstlers, das Unperfekte, so kennedy+swan. Künstler sein bedeute, Kontakte zu pflegen, Ausstellungen zu kreieren und eine Präsenz aufzubauen. Das kann die Maschine nicht übernehmen. All das sind Alleinstellungsmerkmale der menschlichen Künstler*innen, die so schnell nicht weggenommen werden können und in denen die Maschine vom Menschen abhängig ist. Das betont auch Froitzheim, indem sie erklärt, dass die Konkurrenz zwischen Mensch und Maschine schon an den technischen Voraussetzungen scheitert: Die Programme seien noch lange nicht so weit entwickelt, wie viele vielleicht glauben. Die Kapazitäten eines neuronalen Netzwerks einer KI in heutigen Zeiten seien noch nicht einmal vergleichbar mit denen eines Kindes.
So kann KI noch keine direkte Bedrohung für menschliche Kunstschaffende sein, aber sie ist schon jetzt ein wichtiger Bestandteil der Kunst und erfüllt einen bestimmten Zweck, wenn es zur Beantwortung gesellschaftlicher Fragen kommt. Darin sieht Froitzheim eine große Chance für die Kunst: „Ich finde es toll, dass es ein Nachdenken gibt, über diese Dinge. Und dass da Neugierde ist, auf solche Technologien, inwiefern sie einzusetzen sind und welche Themen sich dann daraus entwickeln. Künstler denken über solche Dinge nach und setzen KI-Tools an den richtigen Stellen ein. Das ist auch eine Form von Kunst.“
Das Problem mit dem Urheberrecht
Ein großes Nachdenken hat es auch im rechtlichen Bereich gegeben. Denn mit dem Aufkommen der KIs wird eine urheberrechtliche Debatte heiß diskutiert: In den Datensätzen, mit denen die KIs arbeiten, befinden sich auch urheberrechtlich geschützte Bilder, die ohne das Wissen oder die Entschädigung der Künstler*innen genutzt werden.
Um Bilder generieren zu können, müssen die Programme verstehen, was in dem Text beschrieben wird. Ermöglicht wird dies durch Technologien aus dem Bereich Machine Learning, welche mithilfe von großen Bild-Datensätzen erlernen, bestimmte Eigenschaften zuzuordnen.
Getty Images hat aus diesem Grund auch gegen Stability AI, das Unternehmen hinter Stable Diffusion, geklagt und auch gegen Midjourney und DeviantArt liegt eine Klage vor. Durch die Nutzung von geschützten Bildern stellt sich die Frage, wer die eigentliche Urheberschaft an den KI-generierten Kunstwerken hat. Dies ist jedoch nicht einfach zu bestimmen. „Das deutsche Urheberrecht geht von einem Werkbegriff aus, wobei das (Kunst-)Werk von einem Menschen geschaffen worden sein und zudem eine gewisse „Schöpfungshöhe“ aufweisen muss“, erklärt Martin R. Handschuh, Rechtsanwalt und Rektor der Freien Kunsthochschule in Stuttgart. „Die Einordnung bei der Verwendung von KI“, so Handschuh, „ist äußerst schwierig, weil derjenige, der Textanweisungen etwa zur Gestaltung eines Bildes eingibt, auf diese bildliche Gestaltung selbst keinen unmittelbaren Einfluss nimmt, also nicht der Mensch das Werkzeug in der Art eines Künstlers bedient.“
Wird die Kunst in Zukunft den Maschinen gehören?
Aufgrund der rasanten Entwicklung der KIs in kurzer Zeit gibt es bisher kaum Studien und Statistiken, sondern nur Einschätzungen von Fachleuten. Aus diesen geht hervor, dass, auch wenn sie Veränderungen mit sich bringt, an die man sich anpassen muss, die KI mehr Werkzeug als Bedrohung für Kunstschaffende der Bildenden Kunst ist. Aber ihre Macht ist nicht zu unterschätzen: Sie prägt Ausstellungen, Kunstwerke, gewinnt Kunstpreise. Dennoch leitet noch immer der Mensch die Maschine an, entwickelt kreative Konzepte und Ideen, lebt Kunst aus. „Ein solches System müsste uns ja mit irgendeinem Ergebnis überraschen, was wir bis dato noch nicht gesehen haben“, überlegt Froitzheim. „Aktuell sehe ich nicht, dass es in absehbarer Zeit ein System geben wird, was selbständig kreative Lösungen entwickelt. Ob das in 100 Jahren so sein wird, klar, das weiß ich nicht.“