Ein Leben mit Herzfehler
Auf Instagram zeigt sie sich fröhlich mit ihren Pferden. Ein Bild vom Urlaub in Namibia, dann eines mit einer Tasse Tee in der Hand und einem komischen Gerät am Finger. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine ganz normale Instagram-Seite einer jungen Frau. Doch Nia ist anders. Sie musste mehr durchmachen als viele in ihrem Alter.
Als Kind allein im Krankenhaus
Nia war vier, als die Ärzte bei ihr erst merkwürdige Herzgeräusche hörten, dann die Diagnose Ventrikelseptumdefekt (VSD) stellen, ein Loch in der Herzscheidewand. Dadurch hat sich ein Bluthochdruck in der Lunge entwickelt, weshalb die Sauerstoffsättigung ihres Blutes nur bei durchschnittlich 75 Prozent liegt. Ihre Familie fährt mit ihr in das Herzzentrum nach Berlin, dort können die Ärzte ihr helfen. Das Loch im Herzen können sie jedoch nicht mehr schließen. Mit dieser Zeit verbindet sie viele schlechte Erinnerungen. Ständige Untersuchungen, etliche Spritzen und Katheter, tagelang als Kind alleine im Krankenhaus.
Ein Ventrikelseptumdefekt (VSD) ist ein Loch in der Herzscheidewand zwischen der rechten und linken Herzkammer. „Dies sei kein seltener Herzfehler“, sagt Doktor Christian Apitz, Leiter der Kinderkardiologie des Universitätsklinikums Ulm. Jedes hunderte Neugeborene habe einen angeborenen Herzfehler. 20 bis 25 Prozent davon seien ein VSD. Von Fall zu Fall sind die Folgen, die die Krankheit haben kann, unterschiedlich. Wenn das Loch zu groß ist und zu spät diagnostiziert wird, kann es zu Bluthochdruck in der Lunge führen, eine pulmonale Hypertonie, wie es bei Nia der Fall ist. Dies stört zusätzlich den Blutkreislauf im Herzen und durch das Loch vermischt sich nun sauerstoffreiches mit sauerstoffarmen Blut, so auch bei Nia. Das hindert sie nicht daran, sich an gefährliche Dinge heranzuwagen. „Ihre Aktivitäten sind etwas Besonderes“, sagt Apitz beeindruckt.
Ein ganz normaler Alltag – trotz Krankheit
Mittlerweile haben sich ihre Werte eingependelt. Nia macht eine Ausbildung zur Fachinformatikerin in Teilzeit und hat eigentlich einen ganz normalen Alltag. Aber immer noch läuft ihre Haut blau an, muss sich ausruhen, wenn sie sich angestrengt hat. Vor allem körperliche Aktivitäten sind für sie schwer. Treppen kann sie zum Beispiel nicht laufen, ohne eine Pause danach zu machen. Dennoch sitzt sie nicht tagelang nur am Schreibtisch und ruht sich aus. Sie ist trotz Krankheit so aktiv wie möglich und macht Dinge, die für einen gesunden Menschen normal sind, für sie jedoch eine Herausforderung. Sie ist sogar nach Namibia geflogen und hat dort einen Fallschirmsprung gemacht. Zwei Dinge, von denen die Ärzte normalerweise abraten.
„Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann ziehe ich das auch durch“, sagt sie. Die Entscheidung, einen Fallschirmsprung zu machen, war eher spontan, aber trotzdem ging sie das Risiko ein. Ihr damaliger Arzt warnte sie davor, einen Sprung von über 2.000 Meter Höhe zu machen. „Vor dem Sprung muss man ja einen Zettel ausfüllen, ob man etwas am Herz oder Ähnliches hat, ich habe bei fast allem 'ja' angegeben“, sagt sie und lacht dabei. Durch ihre Krankheit nimmt sie den Fallschirmsprung als etwas Besonderes wahr, als ein Privileg.
Daneben hat sie noch ihre Leidenschaft für das Reiten. Mit vier Jahren saß sie das erste Mal auf einem Pferd, seitdem reitet sie und macht sogar bei Turnieren mit. Für sie eine besondere Leistung. „Es fühlt sich gut an, dass ich mich trotz meiner Krankheit mit gesunden Menschen messen kann“, sagt sie. Auch wenn sie nach Turnieren blau angelaufen vom Sauerstoffmangel erst einmal lange Pausen braucht. „Pferde sind etwas Besonderes, auf einem Pferd habe ich das Gefühl von Freiheit und kann die Strecken gehen, die ich sonst nie gehen könnte.“
Nia schenkt anderen diese Kraft
In der Grundschule wurde sie für ihre Krankheit gehänselt, die Kinder hätten sie oft nicht verstanden und haben sie deshalb aufgezogen. Doch trotzdem hat sie sich davon nie unterkriegen lassen. Halt gibt ihr ihre Familie und ihre Schwester. Diese haben sie immer wie einen gesunden Menschen behandelt und sie ständig ermutigt, aktiv zu sein. Daneben geben ihr ihre Pferde noch weiteren Ansporn. Diesen teilt sie mit anderen über Social Media.
Ihren Weg und ihre Geschichte postet sie auf Instagram und YouTube. Dort versucht sie zu zeigen, dass man trotz Krankheit voll im Leben stehen kann und sich nicht unterkriegen lassen soll. „Hätte ich damals jemanden gehabt, der mir gesagt hätte, dass man trotzdem sein Leben genießen kann, hätte ich so einige schlimme Zeiten besser überstanden“, sagt sie. Durch ihren Webauftritt baut sie immer mehr Kontakte auf. Sie habe schon mal eine Frau kontaktiert, die dieselbe Krankheit hat wie sie. „Sie war erstaunt, dass ich es geschafft hatte, nach Namibia zu fliegen, obwohl Ärzte davon meistens abraten, da es mit dem Sauerstoff in der Höhe oft schwer werden kann“, sagt Nia. Aber nicht nur Menschen mit einer ähnlichen Krankheit sollen durch ihre Postings Kraft bekommen, auch Familien und Angehörige sollen schwere Zeiten dadurch besser überstehen können.
Was die Zukunft bereithält, weiß sie noch nicht genau und macht sich auch nicht zu viele Gedanken darüber. Bis jetzt sind ihre gesundheitlichen Werte sehr gut und sie hofft, dass sie weiter so gut bleiben. Vielleicht ein Haus, eine Familie, doch bis dahin genießt sie ihr Leben, trotz Krankheit.