Anspruch statt Arbeit
Die Journalistin Simone Schmollack wirft den nach 1995 Geborenen vor, überzogene Erwartungen an die Berufswelt zu haben. Eine Boomerin, die die Generation Z kritisiert – darauf war das Internet nicht vorbereitet. Unter dem Instagram-Post mit Schmollacks Zitat tobt deshalb ein Sturm von ihr widersprechenden Kommentaren. Diese heftige Gegenreaktion zeigt, dass Schmollack einen wunden Punkt trifft.
Die Work-Life-Balance ist zum heiligen Gral der Generation Z geworden. Schon der Begriff sagt viel über die Arbeitsmoral, die dahintersteht: „Work“ ist etwas Anstrengendes, was mit möglichst viel „Life“ kompensiert werden muss. Der Gedanke passt auch gut, wenn man sich einen Workaholic mit 60 Stunden-Woche oder eine völlig überlastete Krankenpflegerin anschaut. Immer öfter fordern aber auch Angestellte mit regulärer 40 Stunden-Woche eine bessere Work-Life-Balance. Im Klartext heißt das: weniger arbeiten für das gleiche Geld. Gegen diese Anspruchshaltung wendet sich Simone Schmollack. In ihrem Beitrag bei Deutschlandfunk Kultur legt sie schlüssig dar, dass grundsätzlich weniger zu arbeiten kein zukunftsfähiges Modell ist. In einem Land mit immer weniger Fachkräften und einer immer älteren Bevölkerung sieht sie junge Menschen in der Pflicht, ihre Erwartungen an die Realität anzupassen.
Unter diesem Statement kommentierte ein User: „Im Prinzip verlangt Schmollack, dass wir uns genauso totarbeiten und das kaputte System am Laufen halten, wie alle Generationen vor uns. Danke, Simone.“ Mit über 2500 "Gefällt-Mir" Angaben ist das der beliebteste Kommentar unter dem Post. Er fasst die Arbeitseinstellung großer Teile der Generation Z gut zusammen.
Eine*r muss es machen.
Einmal wäre da das angeblich „kaputte System“, das jeden Ehrgeiz im Job überflüssig macht. Natürlich ist es keine rosige Aussicht, in eine Rentenkasse einzuzahlen, die schon vor Renteneintritt der Babyboomer*innen an der Belastungsgrenze ist. Auch in der Energiekrise eine Bäckerei zu übernehmen, erfordert deutlich mehr Mut, als noch vor 30 Jahren. Vor diesen Herausforderungen zu kapitulieren und mit minimalem Arbeitseinsatz noch mitzunehmen was geht, hat aber mit der viel gelobten Solidarität der jungen Generation nichts zu tun.
Dann ist da natürlich wieder das Ding mit den Generationen. Die Boomer*innen haben bekanntermaßen keine Ahnung, sind allein für den Klimawandel verantwortlich und grundsätzlich an allem Schuld. Beruflich sind sie aber fleißig und engagieren sich deutlich häufiger ehrenamtlich als ihre Kinder. Wenn sie in Rente gehen, stehen wir vor einem noch viel größerem Fachkräftemangel als jetzt schon. Der lässt sich leider nicht durch kürzere Arbeitszeiten kompensieren. Genau das ist aber die zentrale Forderung. Gerne sprechen junge Menschen von der 4-Tage-Woche, von Feldstudien, bei denen der Output trotz weniger Arbeit gleichgeblieben ist. In manchen trendigen Kreativ-Berufen funktioniert das vielleicht auch. Wenn aber ein*e Busfahrer*in einen Tag weniger arbeitet – dann fährt eben kein Bus.
Weniger arbeiten funktioniert also nicht in allen Berufen. Außerdem muss man sich diesen Anspruch leisten können. Als junge, studierte IT-Expertin reißen sich sämtliche Unternehmen um einen. Man kann Bedingungen diktieren und die Personalgremien nicken mit dem Kopf. Im Handwerk, an der Ladenkasse und im Pflegeheim funktioniert das nicht. Um kürzere Arbeitszeiten auszugleichen, fehlt es an Personal und an Geld. Wenn Work-Life-Balance aber nur in gut bezahlten Jobs für Akademiker*innen möglich ist, werden andere Berufe immer unattraktiver. Die Arbeitszeit wird so zur sozialen Frage.
Die 40-Stunden-Woche ist keine Zumutung.
Niemand verlangt von der Generation Z, sich „tot zu arbeiten“. Diese Unterstellung ist auch etwas zynisch, wenn man sich die Arbeitsbedingungen in vielen anderen Ländern anschaut. Dagegen haben wir in Deutschland Arbeitnehmerrechte, Teilzeitmodelle für Eltern und seit Corona auch Homeoffice-Regelungen. Wenn wir auch in Zukunft in einem Land leben wollen, das diese Dinge ermöglicht, ist es also nicht zu viel verlangt, dass auch die Generation Z eine reguläre Arbeitswoche mit angemessener Arbeitsfreude leistet.