„Diese hohen Temperaturen können die Delfine rein physiologisch nicht schaffen“
Flussdelfine: eine Spezies in Not
Seit den 1980er Jahren sind die Flussdelfin-Populationen laut der Naturschutzorganisation WWF weltweit um 73 Prozent zurückgegangen. Somit sind die Tiere „stark gefährdet“, da die Anzahl in den vergangenen zehn Jahren um mindestens 70 Prozent kleiner geworden ist. Der starke Rückgang ist das Ergebnis eines Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Fernando Trujillo, wissenschaftlicher Leiter von Omacha, einer Artenschutzgesellschaft in Kolumbien, veranschaulicht, dass Dürreperioden nicht nur die Wasserqualität beeinträchtigen, sondern ganze Teile der Flüsse austrocknen. Dr. Lorenzo von Fersen, Vorsitzender der Artenschutzorganisation Yaqu Pacha erklärt, dass die Tiere zu hohe Wassertemperaturen physiologisch nicht schaffen können, denn in manchen Flüssen, wie zum Beispiel im Amazonas herrschen Temperaturen von bis zu 40 Grad.
Der Bau dutzender Dämme am Amazonas zählt laut WWF zu einer großen Bedrohung. Delfin-Populationen werden dadurch getrennt und davor zusammenhängende Lebensräume zerstückelt. Zudem werden Flussdelfine oftmals Opfer von Beifängen in großen Fischernetzen und ertrinken qualvoll. Auch werden vor Ort laut Fernando Trujillo die Tiere getötet, um diese dann als Fischköder zu verwenden, oder ihre Zähne zu verkaufen. Ein weiteres Problem sei für den Lebensraum der Flusssäuger der in vielen Ländern Südamerikas praktizierte illegale Goldabbau mit Quecksilber. Hierdurch werde das Wasser, die Fische und Flussdelfine vergiftet, was zum Massensterben der im Fluss beheimateten Lebewesen führe.
Fernando Trujillo weist darauf hin, dass in abgelegenen Gebieten, wie entlang des Orinoco-Flusses in Venezuela, während der Corona-Pandemie, ein wenig bekanntes Problem auftrat: Menschen begannen, Flussdelfine zu töten, um das Öl der Delfine als Heilmittel gegen Corona zu verwenden. Laut Fernando werde mittlerweile versucht, dieses Töten am Orinoco zu stoppen, doch es sei sehr schwer und ein langwieriger Aufklärungsprozess.
Dabei ist das Problem des Rückgangs der Flussdelfin-Population nicht neu. Bereits 2018 warnen Artenschützer*innen, wie Dr. Lorenzo von Fersen, davor, dass die Flussdelfin-Population in den nächsten Jahren massiv abnehmen würden, wenn man nicht entschlossen handele. Jetzt fünf Jahre und viele Flussdelfin leben später, sagt von Fersen: „Es ist noch nicht zu spät. Es gibt Sachen, die kann man auch heute noch machen. Und man muss natürlich weiter Strategien erarbeiten, um in Zukunft mit der Situation umzugehen.“ Er ist sich sicher, dass die momentan bereits dramatische Situation nur der Anfang ist. Wetterphänomene wie zu hohe Wassertemperaturen und Dürreperioden werden sich wiederholen und ihre Wirkung als Gefahr für bedrohte Arten noch weiter verstärken.
Globale Erklärung zum Schutz der Flussdelfine
Nach den wiederholten Warnungen zahlreicher Wissenschaftler*innen und Menschen in den betroffenen Gebieten, ist die Öffentlichkeit endlich auf das Thema aufmerksam geworden und es gibt einen ersten Hoffnungsschimmer: Elf Staaten haben am 24. Oktober 2023, dem internationalen Tag des Flussdelfins nach Angaben von WWF, einen Vertrag unterzeichnet, um gemeinsam gegen das Delfinsterben vorzugehen. Die Unterzeichnenden verpflichten sich zu verschiedenen Maßnahmen. Es wird geplant, ein Bewusstsein für die Bedrohung der Flussdelfine zu schaffen. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit Unternehmen, um Probleme mit der Wasserqualität zu bewältigen. Die Förderung von Forschung und Monitoring der Flussdelfine ist ebenfalls wichtig. Zusätzlich wird die Abschaffung nicht nachhaltiger Fischereipraktiken angestrebt. Die Planungen umfassen die Errichtung eines Netzwerks geschützter Flusslebensräume und die Verbesserung des Managements von Flussdelfin gebieten. Dr. Lorenzo von Fersen steht dem Abkommen allerdings kritisch gegenüber: „Das ist ein sehr guter Anfang. Doch es gibt Länder wie Venezuela, in denen es sehr schwer werde, Gelder für die Maßnahmen aufzubringen, da in Summe viel zu wenig Mittel zur Verfügung stehen, um sie in den Schutz der bedrohten Delfine zu stecken.“
Die Zukunft wird zeigen, wie ernst die Länder den Schutz dieser einzigartigen Spezies nehmen und wie konsequent die Ansätze des Elf-Staatenabkommens umgesetzt werden können.