„Die Wahrscheinlichkeit für Lernprobleme, Depressionen und Diabetes bei Schülern wird bei der dauerhaften Umstellung auf die Sommerzeit massiv erhöht.“
Grundsätzlich richte der Mensch seine innere Uhr nach dem Zeitpunkt, an dem die Sonne am höchsten steht, der biologische Mittag. So beschreibt die Diplom-Biologin und Medizin- und Wissenschaftsjournalistin Maren Schenk die Zusammenhänge zwischen Organismus und Zeitumstellung in der Deutschen medizinischen Wochenschrift des Thieme Verlags Stuttgart, erschienen am 25. Oktober 2012. Wird die Uhr eine Stunde vorgestellt, auf die sogenannte Sommerzeit, so gerate dieses System in eine Art Ungleichgewicht, weshalb viele Menschen unter der Zeitumstellung leiden und über Schlafstörungen und organische Beschwerden klagen.
Das Online-Magazin „Riffreporter“ veröffentlichte passend dazu am 29.03.2018 den Artikel „Die Zeitumstellung ist kein Mini-Jetlag, sondern schlimmer“: Chronobiologe Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilians-Universität in München sieht hier nicht allein die Uhrenumstellung als ein gesundheitliches Risiko, sondern den ohnehin bestehenden Schlafmangel der Bevölkerung. „Die derzeitige Sommerzeit-Regelung verlegt unsere sozialen Verpflichtungen einfach eine Zeitzone weiter nach Osten, ohne dass wir dabei unsere biologische Zeitzone verlassen“, so Roenneberg. Vor allem Schüler und Studenten seien von der dauerhaften Sommerzeit betroffen, denn im jungen Alter verschiebe sich der innere Rhythmus des Menschen. Bei zu wenig Schlaf falle es zunehmend schwer, den gelernten Stoff zu verarbeiten. Nach obigen Aussagen ist eine biologische Anpassung an die geänderte Uhrzeit für den Menschen also nicht ohne weiteres möglich. Die Uhrenumstellung, ohne dass die Sonne ihren Lauf ändert und sich der chronobiologische Rhythmus an die Umstellung anpasst, kann deshalb zu dauerhafter Schläfrigkeit und Erschöpftheit beim Menschen führen.
Schlechter Schlaf führt zu gesundheitlichen Problemen
Auch das Schlafhormon Melatonin spielt bei der Diskussion der dauerhaften Umstellung auf die Sommerzeit eine große Rolle. Das Hormon beeinflusst die biologische Uhr des Körpers enorm. Es wird in der Dunkelheit von der Zirbeldrüse des Gehirns ausgeschieden. Bricht der Tag an, sinkt der Melatoninspiegel wieder. Wird der biologische Rhythmus ignoriert oder manipuliert, wie bei der Verschiebung der Zeit oder bei der Nachtschichtarbeit, kann dies zu erheblichen gesundheitlichen Folgen führen. Das Fachmagazin „Life Sciences“ veröffentlichte die Studie „Association between light at night, melatonin secretion, sleep deprivation, and the internal clock: Health impacts and mechanisms of circadian disruption“ am 15. März 2017. Diese zeigt, dass gerade bei Schichtarbeitern die Einwirkung von künstlichem Licht und somit die Unterdrückung der natürlichen Melatoninausschüttung bei Nacht zu einer Störung des zirkadianen Systems, des Schlaf-Wach-Rhythmus des Menschen und zu chronischem Schlafentzug führt. Zahlreiche epidemiologische Studien belegen, dass diese Desynchronisation bei Nachtschichtarbeitern langfristig gesundheitsschädliche Folgen wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Risiken und Fettleibigkeit hat.
Durch die Umstellung auf die Sommerzeit wird der Anpassungsprozess des Organismus an die Lichtverhältnisse also erheblich gestört, was sich, wie oben bereits erwähnt, auch auf andere biologische Prozesse im menschlichen Körper auswirkt. So publizierte die medizinische Fachzeitschrift „Der Internist“ am 16. März 2011 einen Fachartikel mit dem Titel „Schlechter Schlaf als Risikofaktor für das metabolische Syndrom“. Nach epidemiologischen Untersuchungen gäbe es eindeutige Indizien für einen Zusammenhang von Schlafdauer, Schlafqualität und dem Risiko für die Entstehung von Diabetes mellitus als Teil des metabolischen Syndroms, der Kombination aus abdomineller Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Insulinresistenz. Nach dem Fachblatt belegen mehrere Studien, dass das Risiko für die Entwicklung von Diabetes mellitus Typ 2 durch eine Schlafdauer von weniger als fünf oder mehr als 9 Stunden im Vergleich zu einer 8-stündigen Schlafdauer doppelt so hoch sei, darunter die Studie „The Nurses Health Study“ aus den 1980er-Jahren.
Experten legen Wert auf eine differenzierte Betrachtung
Doch nicht nur die Schlafdauer, auch die Schlafqualität habe einen Einfluss auf die Entstehung von Diabetes. Klinisch experimentelle Studien wie „Slow-wave sleep and the risk of type 2 diabetes in humans“ im Jahre 2008 zeigten, dass schlechter Schlaf Ursache für die Störung des Energiestoffwechsels sei. Dies führe zu einer Verminderung der Insulinsensitivität, also der Empfindlichkeit der Körperzellen gegenüber Insulin, einem erhöhten Appetit- und Hungergefühl sowie zu einem Bewegungsmangel im Alltag. All dies seien Faktoren und Auslöser für die Entstehung des metabolischen Syndroms beim Menschen. Diabetes und das metabolische Syndrom können sicherlich auch durch andere Schlafstörungen ausgelöst werden. Der Endokrinologe Priv. Doz. Dr. med. Norbert Lotz vom Diabeteszentrum Kempten im Allgäu ist jedoch der Ansicht: „Eine gehäufte Koinzidenz von Diabetes mellitus bzw. Metabolischem Syndrom und Schlafstörung darf nicht auf ein Schlafapnoe-Syndrom zurück zu führen sein.“ Daher muss auf jeden Fall vor Wertung der beschriebenen Zusammenhänge eine Schlafapnoe, also gehäufte nächtliche Atempausen mit Sauerstoffmangel im Gehirn, im Vorfeld diagnostisch ausgeschlossen werden; denn diese Erkrankung führe nachweislich zu einem erhöhten Diabetesrisiko. Der Rückschluss, dass Schlafmangel generell zu erhöhtem Risiko für diese Stoffwechselerkrankung führt, sei nicht ausreichend durch randomisierte Studien belegt. Hier bestehe noch erheblicher Forschungsbedarf.
Wie die unterschiedlichen Betrachtungsweisen zeigen, ist es schwierig die Aussage des deutschen Lehrerverbands, die Uhrenumstellung führe zu Schlaf- bzw. Lernproblemen sowie zu Depressionen und Diabetes, als gegebene Tatsache anzusehen. Die dauerhafte Umstellung auf die Sommerzeit birgt sicherlich Risiken für Lern- und Schlafprobleme. Eindeutige Beweise für die Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2, Metabolischem Syndrom und definierten psychischen Erkrankungen durch allgemeinen Schlafmangel bestehen aufgrund der aktuellen medizinischen Studienlage derzeit nicht.