„Wir sind ja nicht mehr in der Lage, unsere Mitarbeiter wirklich so zu bezahlen, wie es eigentlich adäquat wäre.“
Der Preis ist heiß: Apotheken und ihre Medikamentenpreise
„Ich würde gerne viel mehr vorne an der Theke sein, aber das wird verhindert durch eine immer größere Bürokratie.“ erzählt Dr. Matthias Oechsle, Apotheker aus Stuttgart-Vaihingen. Eines von verschiedenen Problemen der Apotheke vor Ort. „Ich bin in fünfter Generation Apotheker“, sagt er stolz. Seit er 2007 die Filiale Bärenapotheke übernahm, haben schon vier Apotheken in Vaihingen geschlossen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zeigt: Deutschland liegt mit 21 Apotheken pro 100.000 Einwohnern weit unter dem europäischen Durchschnitt von 32 Apotheken. Aktuell haben wir den niedrigsten Stand der Apothekendichte seit 2000. 17.571 Apotheken sind es Ende 2023. Das sind knapp 500 Apotheken weniger als im Vorjahr.
In der Apotheke herrscht reger Betrieb. Die Türklingel schellt fast ununterbrochen. 3.250 Kunden im Monat. Zurzeit läuft es gut in seiner Filiale. Dr. Oechsle sieht die Lage dennoch kritisch. Im November 2023 streikten Apotheken in Deutschland. „Also es ist ne komische Sache, Apotheker streiken normalerweise nicht, aber irgendwann ist ja auch mal gut.“ sagt Oechsle. Warum?
Gründe sind Probleme in der Arzneimittelversorgung, die großen Mehraufwand für Apotheken mit sich bringen. Personalmangel und die fehlende Honoraranhebung erschweren den Apothekenalltag. Das Honorar errechnet sich teils aus den gesetzlich vorgegebenen Einnahmen (Aufschläge) der Apotheke. Dieses ist seit 2004 auf demselben Niveau geblieben. „Wir sind ja nicht mehr in der Lage, unsere Mitarbeiter wirklich so zu bezahlen, wie es eigentlich adäquat wäre“, sagt Oechsle. Apotheken seien unterfinanziert.
Medikamente per Mausklick
Betrifft diese Lage auch den Versandhandel? Es gibt Apotheken, die Medikamente versenden und ausländische Online-Versandapotheken. Apotheken müssen nach deutschem Recht immer einem oder einer Apotheker*in gehören und sind stark reguliert. Strikte Apothekenvorgaben sind nicht in jedem Land gleich.
Doc Morris aus der Schweiz ist laut Statista mit 74 Prozent Markenbekanntheit die zweitbekannteste Online-Versandapotheke. Die Grundidee: „Es wird so vieles online gehandelt und geregelt. Warum soll das in der Arzneimittelversorgung nicht auch der Fall sein können?“ erzählt Dr. Reiner Kern, Group Director Communications & Public Affairs von Doc Morris. „Aufgrund des demografischen Personalmangels machen wir ein alternatives Versorgungsangebot über Telepharmazie und helfen damit als zweite Säule der Versorgung, die Flächendeckung in Zukunft sicherzustellen, auch wenn die Zahl der Apotheken vor Ort zurückgeht.“ Betäubungsmittel oder Leistungen vor Ort zum Beispiel, findet man nicht in Ihren Angeboten.
Preis-Puzzle
Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (RX-Präparate) sind die Preise in Deutschland staatlich reguliert, bei rezeptfreien herrscht freie Preisbildung. Für Rezeptur-Arzneimittel gibt es besondere Regeln.
RX-Präparat und Generika
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Medikamenten: Patentgeschütze Arzneimittel sog. Originalpräparate und Generika (auch Nachahmerprodukt genannt).
Ein neues Medikament steht zuerst unter Patentschutz. Läuft der Patentschutz aus können nun auch andere Unternehmen diesen Wirkstoff produzieren und unter anderen Namen verkaufen, dieses ist dann ein Generikum. Der Preis ergibt sich im Wettbewerb.
RX steht für rezeptpflichtig. Ein RX-Präparat ist also ein verschreibungspflichtiges Originalmedikament und ist zu unterscheiden vom OTC-Medikament. OTC steht für „Over the counter“ und meint rezeptfreie Medikamente. Diese können freiverkäuflich oder apothekenpflichtig sein.
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit
Bei RX-Präparaten ist die Apotheke verpflichtet, das günstigste Präparat abzugeben, wenn der Arzt die Ersetzung durch ein Generikum auf dem Rezept nicht ausgeschlossen hat.
Versicherte zahlen für jedes Arzneimittel zu der gesetzlichen Krankenversicherung pro Packung zehn Prozent dazu. Höchstens zehn Euro und mindestens fünf Euro. Die Zuzahlung beträgt nie mehr als die tatsächlichen Kosten des Mittels. Da dies auch für Online-Apotheken gilt, gibt es für den Patienten keinen Preisunterschied. Beispiel: Kostet ein Medikament 10 Euro, zahlt der Patient 5 Euro. Kostet es 400 Euro, zahlt er 10 Euro. Kostet es 4,75 Euro, zahlt er 4,75 Euro.
Was steckt hinter den Preisen
Bei Versandhändlern aus dem Ausland wird mit Rabatten und Boni, wie bei Doc Morris, geworben. Für rezeptfreie Medikamente ist das erlaubt. So stehen auch Apotheken vor Ort im Wettbewerb miteinander.
Der Europäische Gerichthof (EuGH) beschloss 2016, dass sich die EU-Staaten nicht an die deutsche Preisbindung der RX-Präparate halten müssen, aufgrund des freien Preiswettbewerbs.
2020 kam das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vom Bundesministerium für Gesundheit, indem steht: „Für gesetzlich Versicherte gilt künftig der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel – unabhängig davon, ob sie diese in der Vor-Ort-Apotheke oder über eine EU-Versandapotheke beziehen. Versandapotheken dürfen gesetzlich Versicherten keine Rabatte mehr auf rezeptpflichtige Arzneimittel gewähren.“
Am 7. März 2024 hat das Oberlandesgericht München nach einem Verfahren mit einer ausländischen Versandapotheke entschieden, dass die deutschen Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung weder nach der früheren noch der aktuellen Rechtslage gegen die europäische Warenverkehrsfreiheit verstoßen. Der Fall wird dem Bundesgerichtshof zur Revision zugelassen. Zu Nachfragen der Verfahren möchte sich die Pressestelle von Doc Morris nicht äußern.
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Wettbewerb um Beratung
Abgesehen vom Preis herrscht ein Service-, Leistungs- und Qualitätswettbewerb. Darunter fällt die Beratung. Mit Menschen in direkten Kontakt zu kommen, macht die Apotheke vor Ort aus.
Kern sagt es sei gleichwertig, ob die Beratung in der Apotheke vor Ort oder in der Online-Apotheke ist. „Wir haben bei DocMorris um die 170 Apotheker*innen oder pharmazeutisch-technische Assistent*innen (PTA), die für die Patientenbetreuung da sind.“ Sie bieten Beratung über Telefon, E-Mail und Videosprechstunden mit individuell zugeschnittenem Beipackzettel an. Die Lieferzeiten seien bei Apotheken vor Ort und der Online-Versandapotheken äußerst schnell. Bei beiden Parteien sei also eine schnelle Medikamentenversorgung möglich.
Mission Apotheke vor Ort
Ariel Wagner, PTA in der See-Apotheke Ludwigshafen, macht sich mit der Kampagne: Mission Apotheke vor Ort stark für die wirtschaftliche und politische Lage der Apotheken in Deutschland.
Er warnt davor, dass Patienten auch Medikamente oder Leistungen brauchen, die Plattformbetreiber nicht abdecken und anbieten können. „Medikamente sind aber kein Wirtschaftsgut. Sie sollen der Gesundheit dienen.“ Auch wünscht er sich ein politisches Bekenntnis für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln in der Vor-Ort-Apotheke. „Was die Apotheke vor Ort unbedingt braucht, ist eine Honoraranpassung an die Inflation. Dann wäre die Vor-Ort-Apotheke besser stabilisiert.“
„Medikamente sind aber kein Wirtschaftsgut. Sie sollen der Gesundheit dienen.“
„Der größte Feind des Apothekers ist der Apotheker.“ Laut Oechsle sei das schon lang vorbei. Man helfe auch in anderen Apotheken aus wo man kann. Auch er wünscht sich die Honoraranhebung, es würde den Beruf wieder attraktiver machen. Denn die Inflation betreffe nun mal jeden.