Tätowieren 6 Minuten

„Ich muss mich oft beweisen“

Frau, in einem Tattoostudio.
In ihrem eigenen Studio tätowiert Emma seit über drei Jahren. | Quelle: Benedikt Gebert
01. Juli 2024

Das Surren der Tätowiermaschine durchdringt den Raum. Konzentriert blickt die junge Frau auf die feinen Umrisse. Wie man sich als junge, selbstständige Tätowiererin behauptet und welche Hürden auf dem Weg entstehen, erfahrt ihr im Interview mit Emma.

Das Tätowieren ist kein offiziell anerkannter Ausbildungsberuf. Dennoch besteht die Möglichkeit, das Handwerk in einem Tattoostudio unter fachkundiger Anleitung zu erlernen.

Wie haben deine Eltern reagiert, als du nach dem Abitur angefangen hast, bei einer Tätowiererin eine Ausbildung zu machen, anstatt zu studieren?

Meine Entscheidung, nach dem Abitur eine Ausbildung bei einer Tätowiererin zu beginnen, kam nicht von heute auf morgen zustande. Ich habe bereits vor und auch während des Abiturs angefangen zu tätowieren und in die Branche reinzuschnuppern. Allerdings waren meine Eltern, besonders meine Mum, anfangs skeptisch. In unserer Familie war ich die Erste, die tätowiert war und in dem Sinne auch ein bisschen rebellischer. Am Anfang war es deshalb schon sehr herausfordernd und ich musste erstmal beweisen, dass ich damit Geld verdienen kann und Kunden habe. 

Wie lief die Ausbildung dann genau ab?

Ich war während Corona über ein Jahr in einem Studio in der Nähe von Heilbronn. Dort habe ich von einer anderen Tätowiererin verschiedene Techniken und den Umgang mit der Tätowiermaschine gelernt. Das ist anfangs ziemlich anstrengend für das Handgelenk und die ganze Körperhaltung. Zudem habe ich die ganzen Vorschriften und Standards rund um die Hygiene beim Tätowieren gelernt. Außerdem habe ich auch viel auf Kunsthaut geübt und vereinzelt auf Schweinehaut. Zu meinen Tattoos habe ich dann Feedback und Verbesserungsvorschläge bekommen. 

Warum hast du dir das Tätowieren nicht selbst beigebracht?  

Beim Tätowieren kann so viel falsch gemacht werden. Es ist sehr wichtig, dass man alles rund um die Hygiene beim Tätowieren lernt und den Umgang mit der Tätowiermaschine gezeigt bekommt. Ich wollte es von Anfang an richtig lernen und meine Freunde nicht verschandeln. Bei meiner Entscheidung, die Ausbildung zu machen, ging es mir nicht nur um mich, sondern hauptsächlich um meine Kunden. Ich finde, sie haben es verdient, dass die Tattoos sauber gestochen sind.

War es anschließend nicht ein riesiger Schritt für dich, ein eigenes Studio zu eröffnen?

Ja, auf jeden Fall. Durch den Lockdown war ich allerdings voller Tatendrang und wollte etwas mit meinem Können anfangen. Das Tattoostudio war früher Bestandteil der Firma meines Opas, wo eigentlich Poolmöbel gelagert wurden. Im Laufe der Zeit wurde mir immer klarer, dass ich diesen Raum gerne nutzen würde. Also habe ich meinen Opa gefragt, der nichts dagegen hatte. Die Umsetzung ging dann recht fix: Wir haben den Raum ausgeräumt und ihn schnell für mein Studio hergerichtet.

Wie waren anfangs die ganzen Anschaffungen denn finanziell möglich? 

Anfangs war ich schon auf low-budget unterwegs. Man benötigt schon ein paar Anschaffungen, aber das ist in einem niedrigen finanziellen Bereich möglich. Ich hatte zu Beginn auch einen günstigen Tattoostuhl und habe mir erst im Laufe der Zeit ein besseres Modell gekauft. Zum Glück habe ich auch ganz gut angespart und bin nebenbei noch angestellt bei meiner Mum, die auch selbstständig ist. Ohne die ganze Unterstützung von meiner Familie wäre es aber definitiv nicht möglich gewesen.

Was sind die größten Herausforderungen, denen du als junge, selbstständige Tätowiererin gegenüberstehst? 

Ich muss mich oft beweisen. Zum einen in der Vergangenheit gegenüber meinen Eltern, zum anderen auch aktuell: Mir ist professionelles Auftreten sehr wichtig, damit ich nicht den Eindruck vermittele, ich würde nur ein bisschen zuhause herumtätowieren. Eine weitere Herausforderung ist definitiv, dass ich Arbeit und Privatleben trennen muss, um Stress und einen zu hohen Workload zu vermeiden. Das ist bei meiner Arbeit der Knackpunkt. Tätowieren ist eine Kunst und wenn ich gestresst bin, leidet meine Kreativität darunter. Und die steht beim Tätowieren einfach im Vordergrund.   

Mit einem Studium in Biologie und einem eigenen Tattoostudio bist du in zwei sehr unterschiedlichen Welten unterwegs. Wie gelingt es dir, diese beiden Leidenschaften miteinander zu vereinen? 

Anfangs war es sehr stressig, Uni und Tätowieren zu vereinen. Ich habe mich meist an meinen Kunden orientiert, was mich gestresst hat, da ich keine wirkliche Routine hatte. Mittlerweile habe ich den Dreh raus. Mein Vorteil ist, dass ich meine Uniaufgaben von zu Hause erledigen kann und nur selten zu Blockterminen vor Ort sein muss. Ich liebe es, Pläne zu machen und habe jetzt eine klare Routine entwickelt: An vier Tagen der Woche erledige ich morgens meine Uniaufgaben und nachmittags tätowiere ich. An einem Tag in der Woche arbeite ich dann noch bei meiner Mum. Das funktioniert für mich richtig gut.       

Welchen Rat würdest du anderen jungen Menschen geben, die davon träumen, eine Karriere als Tätowierer*in zu starten und ein eigenes Studio zu eröffnen? 

Jungen Menschen würde ich raten, zu schauen, ob das Tätowieren überhaupt etwas für sie ist. Es ist ein Unterschied, tätowiert zu werden und selbst zu tätowieren. Jedes Tattoo hat mit Schmerzen zu tun. Das eine mehr, das andere weniger. Es kann für einen als Tätowierer mental sehr anstrengend sein, wenn die Person körperlich leidet. Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt, an dem auch ich noch arbeiten muss. Dessen sollte man sich bewusst sein. Sehr wichtig ist auch, dass man zeichnen kann und künstlerisch begabt ist oder zumindest daran arbeitet. Außerdem sollte man sich viel in anderen Studios ausprobieren und viele Erfahrungen sammeln, auch wenn das schwierig ist. 

In der Tattoo-Branche herrscht ein veraltetes Denken und Tätowierer helfen sich selten gegenseitig.

Emma Koska

Warum ist es schwierig, in andere Studios hineinzukommen?

In der Tattoo-Branche herrscht oft die Mentalität, in der jeder als Konkurrenz angesehen wird. Es herrscht ein veraltetes Denken und Tätowierer helfen sich selten gegenseitig. Mit der zunehmenden Anzahl von Tattoostudios auf engem Raum steigen Druck und Konkurrenz. Viele haben Angst, dass sie abgedrängt werden könnten. Obwohl Tätowieren kein klassischer Ausbildungsberuf ist, ist es wichtig, dass man es als Neuling von jemandem Erfahrenem gezeigt bekommt. Viele etablierte Tätowierer argumentieren zwar, dass sie es damals ohne fremde Hilfe gelernt haben, jedoch leiden meist die Kunden darunter und die Tattoos sind nicht sauber gestochen. Ich empfehle jedem, das Tätowieren in einem etablierten Studio zu lernen und regelmäßiges Feedback zu bekommen, da es wesentlich effizienter und sicherer ist.               

Frau, die Kunden tätowiert.
In vertrauter Umgebung tätowiert die junge Künstlerin und verwirklicht ihren Traum. | Quelle: Benedikt Gebert
Fineline Tattoo
Besonders gerne tätowiert Emma Fineline-Tattoos. | Quelle: Emma Koska
Frau am iPad.
Auf ihrem iPad kreiert Emma kreative Designs für ihre Kund*innen. | Quelle: Benedikt Gebert
Zu sehen sind zwei Arme, auf welchen zwei Bienen tätowiert sind.
Ihre Leidenschaft für Biologie spiegelt sich auch oft in Emmas Werken wider. | Quelle: Emma Koska
Frau und Mann im Tattoostudio.
Beim Tätowieren entsteht oft eine Verbindung zwischen Kund*innen und der jungen Tätowiererin. | Quelle: Benedikt Gebert
Zu sehen ist ein Tattoo mit einem Spruch.
Gerne kombiniert die junge Tätowiererin auch mehrere Stile. | Quelle: Emma Koska

Welche Trends beobachtest du in letzter Zeit? 

In letzter Zeit beobachte ich, dass Tattoos größer werden. Bodysuits, also Ganzkörpertattoos, sind gerade sehr angesagt. Trotzdem sind auch sehr feine Designs und Fineline-Tattoos im Trend. 

Was sagen deine Eltern jetzt zu deinem Tattoostudio? 

Beide sehen jetzt, dass es funktioniert. Ich verdiene mit meinem Tattoostudio Geld und habe zahlreiche Kunden. Da meine Eltern beide selbstständig sind, kennen sie die Anforderungen der Selbstständigkeit. Sie sind dem Ganzen gegenüber zwar nach wie vor skeptisch eingestellt, aber akzeptieren es immerhin. Bis hierher war es aber ein ziemlich herausfordernder Weg.