Glaube per Lastschrift
Eine Gemeinde, die dich mit offenen Armen empfängt, bei der sich die Mitglieder für dich interessieren – der Traum vieler Menschen. Auf den ersten Blick scheint die pfingstliche Freikirche Hillsong Germany all das zu bieten. Doch wirft man einen Blick hinter die Fassade, offenbart sich ein System, in dem Menschen die viel Spenden, deutlich mehr Anerkennung in der Gemeinde genießen. Möchte man als Gläubige*r eine Gemeinde, in der das finanzielle Investment eine enorm große Rolle spielt?
Das unabhängige Medienhaus „Correctiv“ hat sich im vergangenen Jahr mit dem Umgang von Spendengeldern in der deutschen Hillsong Kirche kritisch auseinandergesetzt. Ihre Recherchen ergaben Unstimmigkeiten bei der Verwendung der Spendengelder, so sollen zum Beispiel verdächtig hohe Reisekosten für Luxushotels und Flüge mit Spenden bezahlt worden sein. Hillsong dementiert alle Vorwürfe, erklärt allerdings, dass Ausgaben der globalen Kirche in der Vergangenheit im kirchlichen Kontext hinterfragt werden müssen.
Profitcenter oder Predigtclub?
Die Freikirche Hillsong ähnelt einem Start-Up: Der Wunsch nach schneller und großer Expansion hat hohe Priorität. Die Mitwirkenden investieren viel Zeit und Geld in die Verwirklichung ihrer Vision. Das Image ist hip, modern, sogar progressiv. Um den Apparat Hillsong anzutreiben, wurde ein hierarchisches System entwickelt, sodass ein Vorbeikommen an der Spendenkultur nicht möglich ist.
Hillsong Germany kategorisiert die Spendenden in der Gemeinde nach drei Kategorien. Die größte Gruppe ist die der „Zehnte Teil-Bringer“. Sie spenden zehn Prozent ihres monatlichen Bruttoeinkommens. Der Begriff beruht auf der biblischen Grundlage, ein Zehntel seines Ertrags oder Einkommen an Gott zu geben. „Vision Partner“ und „Kingdom Builder“ zahlen mehr als ihren monatlich zehnten Teil, „Kingdom Builder“, zusätzlich mindestens 3.000 Euro im Jahr.
Laut Freimut Haverkamp, Gründer und Leadpastor von Hillsong Germany, wurden „Kingdom Builder“ von Gott dazu auserkoren, ihre Finanzen in besonderem Maße in die Hillsong Kirche einzubringen. 60 Mitglieder haben im Jahr 2022 insgesamt 652.589 Euro gespendet und sich damit als „finanziellen Wegbereiter“ der Hillsong Kirche „hochgezahlt“. Ein Club der Reichen hat sich gebildet. Exklusive Events und persönliche Gespräche mit den Star-Pastor*innen werden als Dank für ihre finanzielle Leistung geboten. Diese Sonderbehandlung zeigt: Je mehr Geld, desto höher der Rang in der Kirche.
Fragwürdige Gemeinnützigkeit
Hillsong Germany ist als gemeinnütziger Verein eingetragen, dadurch zahlt die Organisation keine Steuern auf ihre Spendengelder und Spendende können ihren Beitrag von der Steuer absetzen. Das Steuerparadies kann ins Schwanken kommen, wenn Spenden nachweislich nicht freiwillig oder unter hohem sozialem Druck getätigt werden. In Gottesdiensten von Hillsong Germany hört man Aussagen wie: „Deswegen wollen wir unsere Finanzen ins Reich Gottes bringen, um Ihn zu ehren, was Er uns anvertraut hat.“ Per Überweisung, SEPA, Paypal, Kreditkarte oder sogar eigener „Hillsong-Geben“-App werden Anhänger*innen dazu aufgefordert zu spenden. In den meisten Kirchen wird der Kollektenbeutel unauffällig weitergereicht – bei Hillsong Germany ist es unmöglich, dem stets präsenten Fokus auf Geld zu entkommen.
Die Problematik der Spendenkultur zeigt sich nicht in dem Spendenaufruf an sich, sondern viel mehr in dem Anspruch, den die Hillsong-Leitung an ihre Mitglieder stellt. Haverkamp betonte in einer Predigt im letzten Jahr, dass jede*r Gläubige in den Himmel komme, auch wenn er*sie nicht spenden würde. Direkt im Anschluss erklärte er allerdings, dass alle, die die Barmherzigkeit Gottes einmal erfahren haben, gar nicht anders können, als etwas ins Reich Gottes zurückzugeben. Konkret also an die Hillsong Kirche zu spenden, die sich als bereitwilliger Vermittler inszeniert. Das Spenden sei laut Haverkamp für die Gläubigen vorausbestimmt und die logische Handlung jedes Mitglieds. Mögliche Zweifel über die Richtigkeit der Spendenkultur nimmt er dadurch vorweg. Haverkamp genießt durch seinen Posten als Leadpastor und Gründer von Hillsong Germany besonderes Ansehen und Autorität gegenüber den Gemeindemitgliedern. Seine Aufforderungen und Meinungen haben demnach hohes Gewicht.
Unter dem Deckmantel von Religion und Glaube hat sich ein System des Wachstums gebildet, das die Mitglieder unterschwellig dazu drängt, Geld an Hillsong zu spenden. Ein Blick in den Jahresbericht zeigt: Das „Profitcenter Hillsong“ gibt jedes Jahr rund zehn Prozent für Spenden und Beiträge an andere Organisationen aus. Den Großteil von rund 90 Prozent der Spendengelder werden aber für eigene Zwecke wie Personal, Mieten, Werbe- und Reisekosten verwendet. 2023 waren das ca. 2,77 Millionen Euro.
Bei Hillsong stehen Spenden ganz weit oben: im Gottesdienst, in Predigen, bei Online-Auftritten oder Spendentagen kommt man um das Thema Geld und Geben nicht herum. Christliche Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit geraten in den Hintergrund, weil die Gemeindeleitung viel daran setzt, ihre Mitglieder für die Expansion der Kirche zu benutzen. Bei Religionsgemeinschaften sollte der gemeinsame Glaube im Mittelpunkt stehen – unabhängig vom persönlichen finanziellen Investment. Wer also eine Gotteserfahrung erleben möchte, ohne dabei einem „Glaubenskonzern“ sein Geld hinterherzuwerfen, sollte sich lieber eine andere Gemeinde suchen.
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