Reinigungskraft 6 Minuten

Die stille Heldin im Krankenhaus

Ottilie vor dem Klinikum Crailsheim.
Ottilie Plonka (Mitte) ist stolz auf ihre Arbeit. | Quelle: Ottilie Plonka
21. März 2025

Seelsorgerin, Dolmetscherin und KinderbetreuerinAls Reinigungskraft hat Ottilie Plonka mehr Aufgaben als ausschließlich das Krankenhaus sauber zu halten. Wie vielfältig und erfüllend ihre Arbeit dabei sein kann, erzählt sie im Interview.

Eine schwangere Patientin kommt mit Wehen im Krankenhaus an. Ärzte und das Pflegepersonal machen sich sofort an die Arbeit, die Schwangere zu versorgen. Neben ihrem Ehemann ist auch ein kleines Kind mit ins Krankenhaus gekommen, welches jedoch nicht in den Kreißsaal darf. Weil das Kind jedoch nicht alleine warten soll, übernimmt Reinigungskraft Ottilie Plonka diese Aufgabe und kümmert sich während der Entbindung der Mutter um das Kind. Sie ist seit 22 Jahren Reinigungskraft im Klinikum Crailsheim und unterstützt das Team im Krankenhaus – nicht nur mit dem Putzen. Davon und von noch mehr solcher Situationen erzählt Ottilie im Interview.

Warum hast du dich dafür entschieden Reinigungskraft zu werden?

Als ich 1989 mit meinen Kindern und meinem Mann von Polen nach Deutschland gekommen bin, habe ich überlegt, ob ich mit der Schule weitermache, aber mir waren die Kinder wichtiger. Mir war es wichtig, dass sie die Mama zu Hause haben, so wie ich das früher auch hatte. Vor allem, weil für meine Tochter der Wechsel nach Deutschland sehr schwierig war. Dann habe ich angefangen zu putzen, damit auch etwas Geld fließt, um sich was Kleines aufzubauen.  

Was würdest du dir wünschen, was die Leute mehr über den Beruf verstehen sollten?

Du bist zwar Reinigungskraft, aber du siehst vieles: Blut, gebrochene Körperteile, Erbrochenes. Das ist vielen nicht bewusst. Manche, die neu angefangen haben, haben auf einmal gesagt: „Aber ich kann kein Blut sehen.“ Dann bist du hier falsch, weil Du solltest in dem Beruf keinen Ekel haben. Am Anfang habe ich mich in solchen Situationen schon gefragt: „Was suche ich hier?“ Aber man gewöhnt sich daran. Einmal kam zum Beispiel eine Familie mit einem Kind, das sich immer wieder übergeben hat, da habe ich mich direkt um das Kind gekümmert und ihm eine Tüte gebracht und natürlich auch alles geputzt. Da muss man schon hart mit sich selbst umgehen, aber das macht einem nach ein paar Jahren nichts mehr aus.

Was ist dir in deinem Beruf wichtig?

Das Soziale ist mir sehr wichtig. Manchmal fühle ich mich dort wie in einer Familie. Die Patienten sind wie ein offenes Buch. Gerade die Putzfrau, die reinkommt und mehr Zeit dort verbringt, kommt dann auch ins Gespräch mit ihnen. Die Patienten wissen, wenn eine Putzfrau reinkommt, dass sie etwas länger bleibt und man sich mit ihr unterhalten kann. Man kann dabei auch viel Gutes tun. Als ich einmal auf der Intensivstation geputzt habe, hat mich ein Mann gefragt, ob ich ihm eine Zeitung bringen kann. Dann habe ich ihm eine gekauft, und er war so dankbar, obwohl das nur eine Kleinigkeit für mich war. Für ihn war das aber unmöglich. Sowas macht mich sehr glücklich. 

Also übernimmst du mehr Aufgaben als nur die Reinigung des Gebäudes?

Ja, man kommt ja mit Mopp und Lappen und putzt zum Beispiel den Nachttisch. Da wird man auch gleich gefragt, ob man jemanden ein Wasser einschenken kann und kommt so ins Gespräch. Manche Leute brauchen mehr Zuneigung als Medizin. Wegen dem Personalmangel ist es leider so, dass sich die Pflegekräfte wenig Zeit nehmen können, auch wenn sie ihr Bestes versuchen. Dafür hat dann die Putzfrau Zeit. 

Was sind Charaktereigenschaften, die du aus dem Beruf mitnimmst?

Man sieht viele Schicksale, was einen auch abhärtet. Ich kann Zuhause nicht wegen einem Wehwehchen meckern. Vielen Menschen ist nicht bewusst, in was für einem Elend manche Leute leben und wie sie kämpfen, ohne zu meckern. Auch Geduld habe ich daraus mitgenommen. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ein Patient beispielsweise unhöflich war, aber das konnte ich immer wieder glatt machen. Ein Patient hat mich mal wegen meinem Akzent gefragt, woher ich komme. Als ich ihm gesagt habe, dass ich aus Polen komme, meinte er: „Ah da klauen ja alle!“ Situationen in denen ich ausflippe hatte ich nie, aber dafür tausende Patienten, die so lieb waren. Mitgefühl ist auch eine wichtige Eigenschaft, die man aus der Arbeit lernt. Ich habe mich mal um einen Jungen gekümmert, der auf seine Mama gewartet hat, die gerade im Kreißsaal war. Er konnte kein deutsch und ich habe versucht mich zu verständigen, indem ich ihn mehrmals gefragt habe: „hungry?“ Dann habe ich ihm einen Joghurt und einen Hefezopf gebracht. Als der Vater das gesehen hat, hatte er Tränen in den Augen.

Fühlst du dich in deinem Beruf wertgeschätzt?

Ja. Im Krankenhaus hatte ich nie das Gefühl, dass meine Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Wir bekommen vom Arzt und den Pflegekräften immer Wertschätzung und Vertrauen zu spüren. Sie wissen, dass es an uns liegt, dass hygienisch geputzt wird. Die Wertschätzung ist im Krankenhaus besonders groß, weil wenn die Putzfrau ihre Aufgabe nicht richtig macht, kann der Arzt machen was er will, es entwickeln sich Keime und Bakterien. Die Chefärzte sagen uns das auch laut, dass sie dankbar für unsere Arbeit sind.

„Ich bin stolz, dass ich die Arbeit seit 22 Jahren mache.“

Ottilie Plonka

Beschäftigen dich manche Sachen noch nachträglich?

Ja. Manchmal habe ich Sachen mit nach Hause gebracht, die mich beschäftigt haben. Zum Beispiel als eine Familie aus Polen da war, deren Sohn im Sterben lag. Da sind Mama, Papa und die Schwester aus Polen hergekommen, weil sie gehört haben, dass ihr Sohn im Krankenhaus lag. Sie wussten aber nicht, wie schlimm es war und dass nur die Maschinen für ihn arbeiteten. Sie hatten nur Zloty (Anm. d. Red.: polnische Währung) dabei, weil sie natürlich nicht damit gerechnet haben, dass sie einen Monat hier verbringen würden. Sie haben in der Zeit auf Stühlen im Gemeinschaftsraum geschlafen und ich habe mich um sie gekümmert und mit der Sprache geholfen. Meine ganze Familie hat da mitgemacht. Meine Tochter hat ihnen Essen ins Krankenhaus gebracht. Sie waren auch bei mir zu Hause, da habe ich dann Kuchen gekauft und Essen gemacht, damit sie ein bisschen auf andere Gedanken kommen. Das ist etwas, was mich ziemlich lange beschäftigt hat, das Leid dieser Eltern. Ich habe bis heute noch Kontakt zu der Familie. Ihre Tochter hat mir zu Weihnachten damals geschrieben, dass sie glaubt, einen Engel getroffen zu haben und das war ich.

Was war die schönste Situation, die du in deinem Beruf erlebt hast?

Das war an einem Pfingstsonntag oder -montag als mein Enkel Noah auf die Welt gekommen ist. Ich war sowieso schon im siebten Himmel und dann haben mir auch noch alle meine Arbeitskolleginnen gratuliert. Die Atmosphäre war so schön. Ich habe mich so geschätzt gefühlt. Auch die Schwestern von der Station sind vorbeigekommen und haben uns Kuchen gebracht. Da habe ich mir gedacht: „Das ist alles weil du gesehen wirst.“