„Wir sind in der Lage, mit erneuerbaren, flüssigen Treibstoffen schnell eine positive Klimawirkung zu erzielen.“
Der Traum vom nachhaltigen Fliegen
Speiseölreste, Pflanzen, und sogar Stroh oder Alkohol – das sind Beispiele für Stoffe, aus denen nachhaltiges Kerosin hergestellt werden kann. Diese Sustainable Aviation Fuels (SAF) können bis zu 80 Prozent CO2 gegenüber ihrem fossilen Vorgänger einsparen. Um den Kerosinersatz so CO2-neutral wie möglich zu machen, setzt man bei der Herstellung auf erneuerbare Energien.
Eine der vielversprechendsten Möglichkeiten synthetische Kraftstoffe herzustellen, ist das Power-to-Liquid-Verfahren, erklärt Andreas Huber vom Institut für Verbrennungstechnik der Luft- und Raumfahrt der Universität Stuttgart: „Man braucht nur erneuerbaren Strom, CO2 und Wasser. Das CO2 kann beispielsweise von Zementwerken abgefangen werden. Im besten Fall holen wir es aber mit Hilfe von ,direct-air-capture‘ direkt aus der Luft.“
Direct-air-capture
CO2 wird direkt aus der Umgebungsluft gefiltert und anschließend so aufbereitet, dass es gespeichert oder weiterverarbeitet werden kann. Die Luft strömt durch einen Abscheideapparat, der einen Teil des CO2 entzieht. Das gefilterte Kohlendioxid kann beispielsweise als Rohstoff für die Chemieindustrie oder für die Herstellung von CO2-neutralen Brennstoffen genutzt werden.
Wie funkioniert das Power-to-Liquid-Verfahren?
Um mit dem Power-to-Liquid-Verfahren Kerosin herstellen zu können, braucht es nur Wasser, CO2 und erneuerbaren Strom. Mit Hilfe der umgekehrten Wassergas-Shift-Reaktion erhält man Wasserstoff und CO, ein Synthesegas, das im nächsten Schritt über Katalysatoren wieder zusammengebaut wird. Dabei entstehen verschiedenste Moleküle, die in einem letzten Schritt zu langen Molekülketten umgewandelt werden. Diese Ketten ergeben den gewünschten Kerosinersatz. „Bei diesem Verfahren entstehen zudem sehr wenige Abfallstoffe, man kann gezielt herstellen, was man braucht. Bei Biogasen ist das anders“, nennt Huber als entscheidenden Vorteil.
Obwohl das CO2, mit dem das synthetische Kerosin hergestellt wird, aus der Luft gefiltert wird, liegt die CO2-Bilanz am Ende nicht bei 100 Prozent, sondern bisher nur bei etwa 80 Prozent. Das liegt daran, dass der Herstellungsprozess nicht komplett CO2-neutral ist. „Wenn wir es schaffen, die Katalysatoren und den erneuerbaren Strom möglichst CO2-neutral zu machen, dann kommt man an die 100 Prozent heran. Wenn man es dann noch schafft, CO2 zu absorbieren, hat man die Chance, die 100 Prozent zu erreichen. Und das muss das Ziel sein. Es ist klar, wo wir hinmüssen, und das müssen wir auch erreichen“, sagt Huber.
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Alternativen zu den SAFs
Parallel zu den Sustainable Aviation Fuels wird auch an Batterien, Brennstoffzellen und Wasserstoffantrieben geforscht. Zu deren Stärken und Schwächen erklärt Huber: „In Zukunft wird man elektrisch Kurzstrecken mit 15 bis 20 Passagieren fliegen. Mehr wird da nicht möglich sein.“ Brennstoffzellen produzieren neben Strom auch viel Wärme , die irgendwohin muss. Mittel- und Langstrecken seien auch hier schwierig. Und Wasserstoff ist am Ende ein Gas, das viel Platz brauche. In Flugzeugen müsse aber alles möglichst klein und leicht sein. Huber gibt zu bedenken: „Verflüssigt man den Wasserstoff, muss man ihn bei -260 Grad Celsius kühlen und die Isolation der Tanks ist sehr aufwendig.“
Die Vorteile liegen hier bei den SAFs. Die klassischen Flugturbinen seien nach wie vor am effizientesten und könnten weiterverwendet werden. Sogenannte Drop-in-Kraftstoffe kann man den herkömmlichen Kraftstoffen einfach beimischen, Near-drop-in-Kraftstoffe schon mit nur leichten Veränderungen der Gasturbinen des Flugzeugs. Zudem kann man die bisher bestehende Infrastruktur weiterverwenden. Das spart Zeit, Ressourcen und Geld. „Wir müssen ehrlich mit uns sein und uns klar machen, dass wir schnell etwas ändern müssen. Sustainable Aviation Fuels geben uns die Möglichkeit, schnell zu handeln“, betont Huber.
Synthetisches Kerosin sprudelt aber nicht einfach aus dem Boden, es muss hergestellt werden – und das verursacht Kosten. Derzeit liegt der Preis für einen Liter biobasiertes SAF bei 2 US-Dollar, Power-to-Liquid ist noch deutlich teurer. Bis 2050 hält Huber 70 bis 80 US-Cent pro Liter SAF für realistisch. Das entspricht etwa dem heutigen Kerosinpreis. Allerdings sei nicht nur der Preis entscheidend, man müsse auch etwas an der Einstellung ändern, so Huber: „Mit dem 19-Euro-Flug nach Mallorca habe ich ein Problem und auch die 300 Euro nach New York sehe ich nicht. Man muss nicht um jeden Preis überall hinfliegen.“
Die Zukunft des nachhaltigen Fliegens
Die Klimaziele der Regierung sind ambitioniert, die nachhaltigen Kraftstoffe sollen eingesetzt werden und ihren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten. Deutschland will bis 2026 0,5 Prozent des Kerosins mit nachhaltigen Alternativen ersetzen, 2030 sollen es zwei Prozent sein und 2050 sollen schon mehr als 50 Prozent ersetzt werden. Die EU will im Vergleich dazu bis 2025 sogar schon bei 2 Prozent sein und 2030 bei 5 Prozent. „Bis SAFs in großen Mengen hergestellt werden können, wird es noch einige Jahre dauern.“, erklärt Huber. Raffinerien müsse man umbauen, damit dort nachhaltiges Kerosin hergestellt werden kann. Zudem müssten Flugzeugflotten nach und nach ersetzt werden, da die neuen, nachhaltigen Antriebe mit den alten Modellen nicht genutzt werden können. Huber sagt: „Das geht nicht von heute auf morgen. Wir in der Forschung sind dran, den Herstellern beim Aufbau der Verfahren zu helfen, damit wir vielleicht sogar schneller noch mehr erreichen können. Aber auch wir sind abhängig von Politik und Gesellschaft.“
Nur eine Maßnahme wird das Problem der Belastung durch Flugzeugabgase schlussendlich nicht lösen können. Stattdessen wird es eine Vielzahl an Lösungen geben müssen: unterschiedliche, klimafreundliche Antriebsarten, veränderte Flugzeugtypen, verbesserte Aerodynamik, effizientere Fluggasturbinen. Huber ist sich sicher: „Daran, dass wir Verbrennung brauchen, wird sich erst mal nichts ändern. Wir werden nur anderen Treibstoff verbrennen. Wir sind in der Lage, mit erneuerbaren, flüssigen Treibstoffen schnell eine positive Klimawirkung zu erzielen. “