Aller guten Dinge
Trotz all der öffentlichen Diskussionen, dem vielen Daumen drücken und zahlreicher, wie er sie nennt „Hexenjagden der Lügenpresse“, bleibt es unwahrscheinlich, dass Donald Trump am Ende des laufenden Amtsenthebungsverfahrens seinen Posten als Präsident der USA verlieren wird. Trump ist einer von nur drei US-Präsidenten, die in der kurzen Geschichte des Landes „impeached“ wurden. Es gab eine offizielle Untersuchung gegen ihn, woraufhin das Repräsentantenhaus, welches Teil des amerikanischen Kongresses ist, seine Amtsenthebung verlangte. Der Senat, zweiter Teil des Kongresses, diskutiert jetzt seit Mitte Januar den Erlass des Repräsentantenhauses und vollzieht ihn dann gegebenenfalls.
Johnson und die Gefahr des Präzedenzfalles
Andrew Johnson war 1868 der erste Präsident, den das Repräsentantenhaus seines Amtes entheben wollte. Die Abgeordneten stimmten 126 zu 47 für die Entlassung Johnsons, ihre Bemühungen scheiterten allerdings wenig später vor dem Senat. Damaligen Experten zufolge fehlte nur eine Stimme bis zu der benötigten Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Senat habe Sorge gehabt, einen Präzedenzfall zu schaffen, also einen Fall, der in ähnlichen Situationen richtungsweisend ist und als Muster dient. Doch haben die Senatoren mit der Vermeidung der Amtsenthebung Johnsons nicht auch einen Präzedenzfall geschaffen? Nämlich einen Präzedenzfall der Nicht-Verurteilung, der jetzt, 152 Jahre später, relevanter ist als je zuvor?
Der republikanische Senat
Die anderen beiden Präsidenten, die vor Trump ein Amtsenthebungsverfahren hinter sich gebracht haben, hatten den Senat, zumindest parteipolitisch gesehen, nicht auf ihrer Seite. Und doch wurde bis jetzt noch nie ein Präsident aus dem Amt gedrängt.
Johnson, ein Demokrat, hatte ein dominant republikanisches Repräsentantenhaus, mit 175 zu 47. Auch in seinem Senat gab es mit 57 zu 9 deutlich weniger Demokraten als Republikaner. Der Präsident der Präzedenz wird nicht aus dem Amt geschickt.
Bill Clinton, ebenfalls Demokrat, hatte zwar ein Repräsentantenhaus, bei dem die Demokraten leicht in der Überzahl waren (223 zu 211), allerdings war auch sein Senat hauptsächlich mit Republikanern besetzt. Bei ihm waren es 55 Republikaner gegen 45 Demokraten. Parteipoltisch gesehen hätte man meinen können, dass das Glück eher gegen Johnson und Clinton stand, und doch wurde ihnen ihr Amt nicht entzogen.
Der Einzige, bei dem der Prozess ganz anders zu verlaufen schien, war Richard Nixon. Die Watergate Affäre brachte ihn in eine so prekäre Lage, dass er sein Amt freiwillig aufgab, bevor das Repräsentantenhaus offiziell über seine Amtsenthebung abstimmen konnte. Als bekennender Republikaner stand er einem Repräsentantenhaus gegenüber, dass mit 242 zu 192 mehr Demokraten als Republikaner aufwies. Auch sein Senat wurde von demokratischen Politkern geprägt: 56 zu 42. Laut damaligen Berichten war es sehr wahrscheinlich, dass der Kongress Nixon aus dem Amt entlassen hätte. Er wäre damit nicht nur der erste Präsident geworden, bei dem dies gelungen wäre, sondern auch der Erste, der einem nicht-republikanischen Senat gegenüberstand. Es wäre interessant gewesen, zu sehen, ob ein demokratischer Senat möglicherweise eher zu einer Amtsenthebung tendiert, als ihre republikanischen Kollegen. Donald Trumps Fall erinnert eher an den von Clinton, nur, dass Trump selbst Republikaner ist und von der Mehrheit an Republikanern im Senat profitieren wird: Das aktuelle Haus der Repräsentanten dominieren die Demokraten, 235 zu 199, doch der Senat ist mit 45 zu 53 republikanisch.
Konservieren, was geht
Die Chance, dass Trump aus dem Weißen Haus vertrieben wird, ist also, basierend auf den Ergebnissen der vorherigen Verfahren, gering bis nicht-existent. Vielleicht ist das auch das Bezeichnende am amerikanischen Zeitgeist: das Konservieren. Die Einstellung „So haben wir das schon immer gemacht, so machen wir das jetzt weiter“ zieht sich wie ein roter Faden durch die kurze amerikanische Geschichte: Waffen konnte jahrzehntelang jeder haben, soziale Krankenversicherungssysteme sind zu revolutionär kommunistisch und da man ja auch quasi gerade eben noch Sklaven besitzen durfte, will man sich nicht zu schnell verändern und bleibt unbestreitbar systematisch rassistisch. Genau deswegen wird Trump, ebenso wie seine Vorgänger, wahrscheinlich auch nicht vom Senat aus dem Amt geschickt werden. Denn die wichtigste Regel der konservativen Republikaner, die den Senat dominieren, lautet: „never change a winning team.“