Wir gehen davon aus, dass ein Großteil der Hunde unüberlegt angeschafft wurden.
Unvermittelbar? Hunde ohne Heimat
Fisco lebt die ersten fünf Jahre seines Lebens in einem Stall mit drei weiteren Hunden und zehn Katzen. Man kümmert sich nicht um ihn und später wird er wegen Überforderung im Tierheim abgegeben. Dort fällt er als besonders liebenswürdig auf, sucht die Nähe zum Menschen und versteht sich gut mit anderen Tieren. Er wird vermittelt. In seiner neuen Familie lebt er sich gut ein und wird von allen geliebt.
Nur das eine Problem hat Fisco: Die Angst vor anderen Rüden (männlichen Hunden). Wenn der 40 Kilogramm schwere Hund frei nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ auf andere Hunde zustürmt, bekommt man es erst einmal mit der Angst zu tun. Eines Tages wird auf diese Art und Weise eine Frau verletzt und muss sogar in ein Krankenhaus eingeliefert werden. In diesem Moment ist Fisco seinem alten Schicksal wieder sehr nahe...
Überforderte Herrchen?
Laut dem deutschen Tierschutzbund e.V. landen jährlich ungefähr 75.000 Hunde in deutschen Tierheimen. Dafür gibt es natürlich diverse Gründe. Häufig ist der angegebene Grund nicht deckungsgleich mit dem Gefühl der Mitarbeiter eines Tierheims. Wie Heidi Renner vom Tierheim Reutlingen erzählt, bekommen diese oft widersprüchliche Geschichten zu hören. Denn sieht man einmal genauer hin, fällt auf, dass die abgegebenen Fellnasen ihren vermeintlichen „Findern“ oftmals vertraut hinterhersehen und doch eine Verbindung zum früheren Herrchen besteht. Dann kann man daraus schließen, dass diese Besitzer überfordert waren.
Dies ist oft ein großes Problem für die Tierheime. Wenn im Sommer ein neun Monate alter Hund abgegeben wird, kann man relativ schnell davon ausgehen, dass es sich hierbei um ein Weihnachtgeschenk handelt. Denn zu Weihnachten war der Welpe noch klein und süß und im Laufe des Jahres merken viele, dass der Hund heranwächst und doch mehr Arbeit macht, als gedacht. Man muss wissen, dass ein Hund teuer in den Unterhaltungskosten ist. Nur mit den Futterkosten hat es sich nicht getan.
Verlassene Vierbeiner
Tierheime sind verpflichtet, ausgesetzte Tiere aus ihrem Landkreis aufzunehmen. Dies ist vor allem vor den Pfingst- und Sommerferien ein großes Problem. Hunde werden oft auf dem Weg in den Urlaub ausgesetzt. Es gibt auch Fälle, bei denen die Vierbeiner direkt vor dem Tierheim an einen Baum angebunden werden.
Das Aussetzen eines Hundes ist auch keinesfalls ein Kavaliersdelikt, denn es ist gemäß §3 Tierschutzgesetz sogar verboten. Wie der Tierschutzbund mitteilt, zählt es als Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 25.000€ Strafe belangt werden kann. Zumal das Aussetzen völlig verantwortungslos ist und man in Kauf nimmt, dass der Hund noch stärkere Schmerzen erleidet. In diesem Fall kommt dann noch die Tierquälerei als Straftat dazu.
Tierschutzgesetz § 3, Satz 3
Es ist verboten, ein im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehaltenes Tier auszusetzen oder es zurückzulassen, um sich seiner zu entledigen oder sich der Halter- oder Betreuerpflicht zu entziehen.
Heidi Renner vermutet hinter solchen Aktionen Menschen, die den Hund aus Scham nicht persönlich abgeben und die Folgekosten vermeiden wollen.
Wer zahlt das alles?
Zurzeit beträgt die monatliche Beteiligung der ehemaligen Halter bis zur Vermittlung 50€. Das deckt nicht annähernd die Kosten. Auch die Fundtierkostenpauschale mit 0,80€ pro Einwohner ist viel zu gering. Gespräche des Tierheims mit der Stadt Reutlingen waren erfolglos. So kostet ein Hund das Reutlinger Tierheim pro Tag 24€. Darin enthalten sind Kosten für Futter, Tierarzt, Mitarbeiter und laufende Kosten wie z.B. Heizöl. Ohne Mitgliedsbeiträge, Spenden, Zuwendungen aus Erbschaften und die Tierheimfeste sind die Kosten nicht zu decken. Die von manchen als hoch empfundene Vermittlungsgebühr zwischen 200€ und 450€, ist vor diesem Hintergrund unumgänglich für das Tierheim.
Traumatisierte Tiere
Neben ausgesetzten Hunden gibt es auch Abgabetiere. Gründe hierfür sind z.B.: Tod des Besitzers, entwickelte Allergien, Unverträglichkeit mit Nachwuchs oder anderen Haustieren, Scheidung, Wohnungswechsel oder Beschlagnahmung.
Oft sind beschlagnahmte Tiere durch Erlebnisse in der Vergangenheit traumatisiert und müssen durch geschulte Trainer resozialisiert werden. Nicht immer können Tiere wieder vermittelt werden, wie Catwiesel und Elvis. Die beiden wurden vor über 10 Jahren durch das Veterinäramt aus sehr schlechter Haltung beschlagnahmt. Sich selbst überlassen und ohne menschliche Betreuung aufgewachsen, lassen sie sich bis heute nicht anfassen.
Die Entscheidung für einen Hund muss gut überlegt sein.
Tierheimhunden eine Chance geben
Ist nach reiflicher Überlegung die Entscheidung zur Anschaffung eines Hundes gefallen, muss dieser nicht unbedingt vom Züchter sein. Hierzu ein Appell von Heidi Renner.
Falls du dich fragst, was aus Fisco geworden ist. Er wird nicht wieder im Tierheim abgegeben. Mit ihm wird trainiert und er macht gute Fortschritte. Sein bester Freund ist mittlerweile sogar ein Rüde.