„Die Pauke ist wie eine Riesen-Pille.“
Pauken statt Pillen
Überall auf der Welt hört und macht man Musik. Sie verbindet und ist dabei eine besondere Art der Kommunikation, die völlig ohne Worte auskommt. Töne und Klänge beeinflussen unsere Stimmung und können uns gleichermaßen zum Lächeln bringen und zu Tränen rühren. Musiktherapie hat daher eine große Wirkung auf unsere Hirnstruktur. Sie beschäftigt sich mit Fragen, wie sich Musik auf den Körper und den Geist eines Menschen auswirkt und das Gehirn auf musikalische Impulse reagiert.
Was ist Musiktherapie überhaupt?
Bereits vor 40.000 Jahren benutzten die Menschen erste Instrumente, wobei musikalische Geräusche wie Klatschen, Trommeln, Rasseln und vor allem der Gesang laut wissenschaftlichen Untersuchungen schon weitaus früher existierten. „Sowohl das Hören von Musik als auch das Musizieren lösen eine Flut von Hormonen in unserem Körper aus“, meint Ulrike Gutzeit. Die Musiktherapeutin ist seit 2002 in verschiedenen psychosomatischen Kliniken tätig. Dabei wird das limbische System im Gehirn, das für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich ist, aktiviert.
Der Patient steht im Mittelpunkt
„Jeder Mensch ist anders, deswegen wird die Art der Therapie und die Verwendung der Musikinstrumente auf den jeweiligen Patienten abgestimmt. Der Patient wird bei dieser Entscheidung immer miteinbezogen“, betont Gutzeit. Für Patienten in einer solchen Klinik gehöre eine Musiktherapie oft zur Behandlung dazu, allerdings spreche nicht jeder gleichermaßen darauf an. Um für Musik empfänglich zu sein, müssen wir uns eben darauf einlassen. Dann könne eine solche Art der Therapie als Raum für die Seele im Gegensatz zu den oft kalten Kliniken dienen.
Welche Krankheiten werden behandelt?
„Mir fallen auf Anhieb kaum Krankheiten ein, die man nicht mit Musiktherapie behandeln kann“, bemerkt Gutzeit. Musiktherapie kann sowohl bei psychischen als auch bei physischen Erkrankungen eingesetzt werden und trägt somit zur Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung im emotionalen und körperlichen Bereich bei.
Dieser Satz verdeutlicht, dass Musik durchaus ein Ersatz für Medikamente sein kann. Besonders häufig wird sie bei Depressionen eingesetzt. Aber auch Patienten mit Ängsten und emotionaler Instabilität werden mit Musiktherapie behandelt. Oft kommen während und nach der Therapie durch die Musik verborgene Gefühle, Ängste und längst vergessene Erinnerungen wieder zum Vorschein.
„Ich hatte erst neulich eine extrem ängstliche, gehörempfindliche Patientin, die zu Beginn der Therapie völlig panisch war. Niemand aus ihrer Therapiegruppe durfte lauter als sie spielen und sie durfte sich jederzeit die Ohren zuhalten oder den Raum verlassen. Nach nur wenigen Wochen war sie in den Therapiestunden wie ausgewechselt und konnte sogar einen Bezug zu ihrer Vergangenheit herstellen. In ihrer Kindheit wurde sie oft geschlagen, wenn ihre Mutter der Meinung war, dass die Kinder zu laut waren.“
Bereits Embryos reagieren auf Töne von außen. Daher ist die begleitende Musiktherapie in der Schwangerschaft ebenfalls eine gängige Methode, um die Verbindung zwischen Mutter und Kind zu stärken. Im fortgeschrittenen Alter kann Musik zum Beispiel bei Kindern mit auffälligen Entwicklungen, bei Problemen mit der Motorik oder bei Autismus eine heilende Wirkung erzielen. Bei Jugendlichen kann sie beispielsweise das Selbstwertgefühl stärken. Essstörungen, Burn-out, Parkinson, Sprachverlust oder Lähmungen sind nur wenige der Bereiche, in denen die Musiktherapie heute ebenfalls angewandt wird.
Muss ich ein Instrument spielen können?
„Nein!“, erwidert Ulrike Gutzeit energisch. Bei der Musiktherapie werden immer leicht spielbare Instrumente verwendet, die oft eine große Eigenschwingung besitzen. Von herkömmlichen Instrumenten wie Gitarre, Klavier und Trommeln bis hin zu Klangschalen, Glockenspielen und Daumenklavieren ist alles dabei. Falsche Töne gibt es nicht!