„Der erste ‚Auftritt' war also wahrscheinlich mit vier Jahren oder so, als ich für meine Eltern den Ketchup Song performt habe."
Nach der Vorlesung ist vor den Festivals
Morgens sitzt Jule Borchhardt in Vorlesungen für ihr Lehramtsstudium. Abends steht sie als „jules“ im Rampenlicht: Denn die Studentin aus Böblingen schreibt auch Musik. Im Sommer veröffentlicht die Musikerin nun ihre Debüt-EP mit fünf Songs. Die erste Single „Anti Anti-Girl“ wurde auf Spotify bereits mehr als 40 Tausend Mal gestreamt. Im Gespräch mit edit. spricht Jule über ihr Studium und ihre anstehenden ersten großen Festival-Shows.
Wo siehst du dich in fünf Jahren? Auf der Bühne oder als Lehrerin im Klassenzimmer?
Ich sehe mich eher auf der Bühne als im Klassenzimmer. Im Moment kann ich mir nichts anderes vorstellen, als irgendwann Musik in Vollzeit zu machen. Denn die Musik ist meine größte Leidenschaft.
Wie gut lässt sich dein Lehramtsstudium denn überhaupt mit einer Musikkarriere verbinden?
Ganz gut. Ich bin jetzt im siebten Semester und ich glaube in den höheren Semestern geht das schon irgendwann, wenn man sich seine Kurse besser aufteilt. Wenn man etwas wirklich will, dann kriegt man es auch hin. Manche haben einen Vollzeit-Job neben dem Studium und schaffen das auch. Es ist natürlich trotzdem viel Aufwand.
Wie viel deiner Zeit fließt denn dann noch ins Studium?
Kommt drauf an wem ich antworte! (lacht)
Was würdest du deinen Professor*innen sagen?
Die Professor*innen, mit denen ich mich gut verstehe, wissen, dass ich mehr Zeit in die Musik investiere statt in die Uni. Aber im nächsten Semester habe ich zum Beispiel nur drei chillige Kurse. Das habe ich mir extra so gelegt. Gerade weil jetzt im Sommer auch immer mehr Auftritte anstehen. Da habe ich dann weniger Zeit fürs Studium.
Mit ihrem Auftritt auf der Kulturbühne des Kesselfestivals Stuttgart gewann Jule Borchhardt mit ihrem Projekt „jules“ 2022 den Newcomer Band Contest und darf bei der diesjährigen Ausgabe die Hauptbühne eröffnen. Im Jahr 2023 folgte dann der Bandcontest des Happiness Festivals in Straubenhardt, den sie bei einer Abstimmung über die sozialen Medien für sich entscheiden konnte. Dort darf sie ebenfalls auf der Hauptbühne spielen.
Im Sommer stehen ja gleich zwei große Festivalauftritte an. Auf welches Festival freust du dich denn mehr: Kesselfestival oder Happiness Festival?
Das ist assi! (lacht) Ich war bisher nur auf dem Kesselfestival und der Gewinn des Newcomer Contests war eines der ersten großen Ziele, das ich erreicht habe. Deswegen würde ich jetzt spontan sagen: Kesselfestival. Aber frag mich nochmal, wenn ich auf beiden Festivals gespielt habe.
Jetzt verbringst du im Sommer viel Zeit auf der Bühne. Stehst du denn auch gerne mal davor?
Ja, Konzerte sind richtig geil. Es gibt andere Musiker*innen, die gar nicht auf andere Konzerte gehen. Das kann ich gar nicht verstehen. Ich ziehe aus Konzerten immer richtig viel Inspiration. Die Bühnenpräsenz und die Intros, das ist einfach das Beste. Und wenn man dann merkt, da hat jemand richtig was drauf, dann ist das richtig cool. Ich bin schon immer ein riesiger Taylor Swift-Fan und sowas schaue ich mir dann an. Aber auch kleinere Gigs von lokalen Musiker*innen, mit denen ich inzwischen befreundet bin, schaue ich mir immer wieder an.
Wann war denn dein erster Auftritt?
Ich glaube, der ist ewig her. Der erste „Auftritt“ war wahrscheinlich mit vier Jahren oder so, als ich für meine Eltern den Ketchup Song performt habe. Meine Eltern sind beide keine Musiker, aber es lief schon immer viel Musik bei uns. So richtig angefangen mit der Musik habe ich, als ich mit dem Gitarrenunterricht angefangen habe. Da war ich zehn Jahre alt. Meinen ersten „Gig“ hatte ich dann mit zwölf. Mein Gitarrenlehrer hat mich damals immer mitgenommen und das war wirklich cool.
Hast du damals auch schon eigene Songs geschrieben?
Mit 13 Jahren habe ich richtig schlechte Songs geschrieben. Aber schon immer auf Englisch! Damals hat man halt mit den Wörtern geschrieben, die man aus der Schule schon kannte. Also ganz basic irgendwas zusammengemischt. Aber veröffentlichen kann man die wirklich nicht.
Im Sommer veröffentlichst du jetzt deine Debüt-EP. Was darf man als Hörer*in erwarten?
Auf jeden Fall etwas anderes als das, was man in den letzten Jahren von mir gehört hat. Da war es vor allem viel Indie mit der Gitarre oder meiner Ukulele. Für die EP sind wir jetzt mehr in Richtung Alternative-Pop mit rockigeren und elektronischeren Elementen gegangen. „Anti Anti-Girl“ war der erste Song. Die neue Single heißt „Karma“. Da ist der Chorus eigentlich nur instrumental und geht einfach ab. Dann gibts aber auch wieder ruhigere Songs. Aber es ist definitiv anders als meine alten Songs.
„Jetzt kann ich mich nicht mehr hinter den ruhigen und seichten Melodien verstecken."
Also gibt es nicht mehr so viel Herzschmerz, sondern ein bisschen mehr Rock und Party. Wie kam es zu diesem Genre-Wechsel?
Ich hatte einfach Bock drauf! Früher habe ich viel über die gebrochenen Herzen von Freund*innen und so geschrieben. Aber ich bin eigentlich ein sehr lebensfroher Mensch, der auch sehr selbstbewusst für Sachen einsteht. Ich schreibe jetzt viel mehr über Female Empowerment und Empowerment generell. Dass man einfach sagt, was man denkt. Jetzt kann ich mich nicht mehr hinter den ruhigen und seichten Melodien verstecken. Außerdem habe ich angefangen, mit einem anderen Produzenten zu arbeiten. Wir haben einfach geschaut: Auf was haben wir Bock? Dann kamen wir da drauf und haben einfach immer weiter gemacht.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit deinem neuen Produzenten Jonas Frank?
Klar, man muss sich erstmal kennenlernen, denn Musik ist etwas sehr Persönliches und es kann manchmal gruselig sein, sich den Leuten zu öffnen. Dafür muss man sich schon vertrauen können. Aber bei uns hat es von Anfang an richtig gut funktioniert.
Die erste Single deiner EP heißt „Anti Anti-Girl“. Was macht dich zu einem “Anti Anti-Girl“?
Ich versuche mich immer für Mädels und andere Frauen einzusetzen und mich stark zu machen. Ich finde es einfach scheiße, wenn Leute unnötig gegen andere Leute schießen, ohne wirklich einen Grund zu haben. Das nervt mich einfach. Vor allem, da das in unserer Gesellschaft meistens für Frauen gilt. Da wird immer extra die Lupe draufgesetzt: Wo liegt der kleine Fehler? Ich nutze jede Möglichkeit, um darüber aufzuklären.