Da kommt keine Farbe unter die Haut
Fünf Jahre lang hat Oberkommissar Jürgen Prichta gegen seinen eigenen Arbeitgeber geklagt. Der Grund: Prichta wollte sich ein Tattoo auf seinen Unterarm stechen lassen. Doch das wurde ihm verwehrt. Ende letzten Jahres fasste der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dann den Beschluss. Polizeibeamten in Bayern dürfen sich an sichtbaren Stellen, wie dem Unterarm, kein Motiv tätowieren lassen. Dabei sollte die Entscheidung jedem Beamten selbst überlassen sein. Wichtig ist doch, dass die Qualität der Arbeit stimmt und nicht das Äußere.
Die oberste Dienstbehörde in Bayern kann den Beamten und Beamtinnen vorschreiben, was sie während ihres Dienstes zu tragen haben. Dazu zählen auch die Frisur oder der Bart und Körperschmuck wie Piercings oder Tattoos. Das besagt der Artikel 75 im Bayerischen Beamtengesetz. Wer sich also ein Tattoo stechen lassen möchte, muss einen Antrag stellen. Doch was ist mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit, die im Artikel 2 des Grundgesetzes festhalten ist? Wenn ein Polizeibeamter im Dienst keine langen Haare tragen darf, trägt er gezwungenermaßen auch privat keine. Das gleiche gilt für Tattoos. Damit greift die Dienstbehörde in sein Persönlichkeitsrecht ein. Das steht ihr nicht zu.
Studie: Jeder fünfte Deutsche ist tätowiert.
Wie das Erscheinungsbild der Polizei in Bayern auszusehen hat, wurde in den letzten 15 Jahren kaum geändert. Die einzige Veränderung im Jahr 2018 war es, dass bayerische Beamten ab sofort nur noch blaue statt grüne Uniformen tragen. Das Nachbarland Baden-Württemberg hingegen hat schon im Herbst 2017 die Kriterien für Polizisten gelockert. Sie haben erkannt: Tattoos sind mittlerweile fast schon üblich. Schließlich hat sich das Erscheinungsbild von Tätowierten in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Früher ließen sich nur Seeleute und Prostituierte Farbe unter die Haut stechen. Heute hat jeder Fünfte in Deutschland ein Tattoo, wie eine Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2016 herausfand. Das zeigt: Tattoos werden immer beliebter und sind längst in unserer Gesellschaft angekommen. Menschen mit Tattoos bekennen sich öffentlich zu ihren Interessen und Werten. Warum dürfen das nicht auch bayerische Polizeibeamte? Sie sind genauso Teil der Gesellschaft.
Tattoo-Verbot – eine Schutzmaßnahme?
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshofbegründet seine Entscheidung damit, dass durch ein Verbot von sichtbaren Tattoos das Ansehen der Beamten geschützt wird. Er geht also davon aus, dass Tattoos zu weniger Vertrauen und Respekt der Bevölkerung gegenüber Polizisten führen. Urteilen Menschen wirklich so oberflächlich? Die meisten von ihnen haben selbst ein Tattoo und können sich vielleicht sogar mit den Beamten identifizieren. Schwierig wird es, wenn die persönlichen Interessen und Werte der Polizisten nicht den demokratischen und liberalen Werten Deutschlands entsprechen. So können auch Tattoos diesen Ansichten widersprechen, wenn sie extremistische, sexistische und gewaltverherrlichende Motive enthalten. Damit ist das Ansehen der Beamten gefährdet. Das Tattoo-Verbot in Bayern ist in dem Fall nichts anderes als eine Schutzmaßnahme. Jedoch sollte jemand, der in den Diensten des deutschen Staates handelt, auch die Werte unseres Landes übernehmen und dafür einstehen. Tut er das, darf ihm ein Tattoo nicht verwehrt bleiben.
Dieses Prinzip sollte auch für Prichta gelten. Sein Wunsch war es, sich den Schriftzug „Aloha“ tätowieren zu lassen. „Aloha“ steht unter anderem für Nächstenliebe. Ein Aspekt, der zu den liberalen Werten Deutschlands gehört. Warum ihm also das Motiv verbieten? Wir müssen anfangen, Menschen nicht nach Äußerlichkeiten zu bewerten und genau hinsehen. Nur so ist für Sicherheit in unserem Land gesorgt. Ein verhältnisloses Verbot von Tattoos trägt dazu hingegen nicht bei.