Landwirtschaft

Landwirt – ein Beruf ohne Zukunft?

Ein landwirtschaftlicher Familienbetrieb – Früher vs. heute
21. Jan. 2023
Jeder von uns möchte frische Lebensmittel auf seinem Teller haben. Doch rentiert sich der Beruf als Landwirt? Bernhard Preitsameter hat den Beruf aufgegeben, aber dennoch seine Leidenschaft beibehalten.

Stell dir vor ...

… du bist auf eine Hochzeit eingeladen, musst aber um 17:30 Uhr die Feier verlassen.

... du kannst an keinem Tag in deinem Leben mehr ausschlafen, weil du um 05:30 Uhr im Stall sein musst.

… du kannst nie wieder in deinem Leben in den Urlaub fahren.

… deine Existenz hängt dauerhaft von übergeordneten Bedingungen ab, die du nicht beeinflussen kannst.

Das sind nur wenige Umstände, mit denen sich tausende Landwirte abfinden müssen. Für Bernhard Preitsameter war das jedoch nicht der Grund, seinen Jahrhunderte alten Familienbetrieb aufzugeben.

Der heute 51-jährige ist auf dem landwirtschaftlichen Hof seiner Eltern aufgewachsen. Als Nesthäkchen mit drei Brüdern in der oberbayerischen Gemeinde Scheyern erlebte er schon früh den Arbeitsalltag. Von klein auf half er beim Pflügen der Felder oder dem Kühe melken. Er merkte schnell, dass er eine Leidenschaft für diese Arbeit entwickelte und beschloss, nach seinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Landwirt zu absolvieren, um den Familienbetrieb in nächster Generation weiterzuführen.

Bernhard betrieb die Vieh-, Feld- und Forstwirtschaft zusammen mit seinen Eltern und war nebenbei im Klostergut Scheyern angestellt, in dem er ähnliche Arbeitsbereiche ausübte. Über die Zeit hat er immer mehr Aufgaben, die seine Eltern ausgeübt hatten, selbst übernommen. Doch als 2016 sein Vater schwer erkrankte, musste er sich Gedanken über die Zukunft des Hofes, der Kühe und seiner eigenen Laufbahn machen.

Damit war er nicht allein, denn in den letzten Jahren mussten sich immer mehr Landwirte dazu entscheiden, ihren Beruf aufzugeben. Einige aus ähnlichen Beweggründen wie Bernhard.

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Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland. | Quelle: Statistisches Bundesamt.

Welche Gründe sind ausschlaggebend für die Hofaufgabe?

Wenn die Leidenschaft für einen Beruf noch da ist, es sich aber finanziell vom hohen Zeitaufwand nicht mehr lohnt, ist es kein leichter Schritt, den Hof aufzugeben. Bei Bernhard waren es vor allem die Gründe des schwankenden Milchpreises, des fehlenden Personals und die veraltete Technik im Kuhstall, deren Modernisierung zu teuer gewesen wäre. 

2016 ist der Preis pro Kilogramm Milch kontinuierlich bis zu einem Tiefpunkt von 23,1 Cent gesunken. Im Vergleich: Ein Milchbauer bekommt mittlerweile 60,6 Cent für ein Kilogramm Rohmilch von den Molkereien.

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Die Geldverteilung von 1 Liter Milch in 2016. | Quelle: Hamburger Abendblatt, Deutscher Landwirtschaftsverlag GmbH

Eine noch größere Herausforderung war der Personalmangel. Nachdem Bernhards Eltern pflegebedürftig wurden, fielen sie als wichtige Hilfskräfte in der Landwirtschaft auf dem Hof aus. Die Arbeit, welche zuvor drei Personen untereinander aufgeteilt haben, hätte er somit allein bewältigen müssen. Wirtschaftlich würde es keinen Sinn ergeben, externes Personal anzustellen und zu bezahlen.

Der letzte und ausschlaggebendste Grund für die Hofaufgabe, war die veraltete Technik im Kuhstall. Die Milch-Tankanlagen sind schon mehrere Jahrzehnte alt und Bernhard hätte somit hohe Geldsummen in die Modernisierung stecken müssen. Diese enormen Investitionen hätten sich im Zusammenhang mit den anderen auftretenden Schwierigkeiten nicht mehr gelohnt. Es hätte eine lange Zeit gedauert, bis er dieses Geld wieder eingebracht hätte.

Im September 2016 entschloss sich Bernhard, seine 80 Kühe zu verkaufen.

Doch wie geht es jetzt weiter? 

Bernhard ist gerade dabei, seine leerstehenden Stallungen in eine Lagerhalle umzubauen. In dieser möchte er später Stellplätze vermieten. Die Maschinen für die Viehzucht hat er verkauft. Sein Land will er aber nicht aufgeben. Er bewirtet weiterhin seine 30 Hektare. Dies ist ein guter Ausgleich zu seinem neuen Angestelltenverhältnis in der Hebebühnentechnik. Wenn er in seinen Traktor steigt, vergisst er die Welt um sich herum und geht seiner Leidenschaft nach. Seiner Berufung.

Bernhard ist der Meinung, aktuell ist Ackerland so begehrt wie nie zuvor. Es würde sich rein wirtschaftlich für ihn mehr rentieren, seine Felder zu verpachten, als sie selbst zu bearbeiten und die Erzeugnisse im Anschluss zu verkaufen. Doch dann würde er seine Leidenschaft aufgeben.

Selbstständigkeit vs. Angestelltenverhältnis

Für Bernhard war diese Entscheidung selbstverständlich nicht leicht. Denn der Hof existiert schon seit mehr als 500 Jahren. Dennoch ist es nicht das komplette Aus, da er in seinem neuen Beruf nur eine Vier-Tage-Woche hat und somit an den restlichen Tagen seiner Leidenschaft nachgehen kann, als Nebenerwerbslandwirt. Im Vergleich zu der Selbstständigkeit als Landwirt, hat er nun entspanntere und geregeltere Tage mit sicherem Einkommen. 

Aber Bernhard gibt zu, auch wenn er jetzt ein entspannteres Leben hat, hätte er seinen landwirtschaftlichen Betrieb gerne erhalten, soweit es möglich gewesen wäre.

Das hätte sich ändern müssen

Landwirt ist ein Beruf, der für uns alle relevant ist. Denn jede*r möchte frische Milch, Obst, Gemüse, oder Getreide auf dem Teller. Nachfrage regelt auch hier das Angebot. Wenn wir als normale Verbraucher*innen weniger oder auch günstigere Milch nachfragen, so leiden darunter auch die Produzent*innen und somit die Milchbauer*innen. Trotzdem könnte jede*r von uns darauf achten, nur regionale Landmilch zu kaufen. Zusätzliche Subventionen vom Staat wären hier natürlich auch eine Lösung, die aber bei Bernhard nur wenig gebracht hätte.

Heutzutage kann laut Bernhard nur der/die Landwirt*in sein, der/die den Familienbetrieb mit viel Ackerland vererbt bekommen hat und bei dem/der alle Generationen von jung bis alt mithelfen. 

Für Bernhard Preitsameter ist der Beruf Landwirt ohne Zukunft, dennoch ist es seine Berufung mit Zukunft.

 

Die Redakteurin steht in familiärer Beziehung zu dem Protagonisten.