„Um mich aus dem dunklen Loch zu ziehen, in dem ich steckte, musste ich es tun!“
Ja, ich will – mich!
Die Indie Sängerin Lucy Gallant hat sich 2015 selber geheiratet. Sie war zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Band auf England Tour. Gemeinsam mit zwei Freundinnen, die sich ebenso selbst geheiratet haben, kauften sie sich „Eheringe“. Sie fanden einen idyllischen Park und beschlossen ihre Zeremonie dort durchzuführen. Die drei schrieben Gelübde für sich selbst. Diese trugen sie, umgeben von vielen schönen Bäumen, abwechselnd vor.
Die Sologamie und ihre Gründe
„Sologamie“ nennt man die Heirat einer Person mit sich selbst. Die Selbstheirat ist ein rein symbolischer Akt und hat in keinem Land eine rechtliche Anerkennung. Deshalb ist es schwierig zu ermitteln, wie viele Menschen sich selbst geheiratet haben. Schon 1993 wurde in Amerika über die Selbstheirat berichtet. Eine Frau aus Kalifornien heiratete sich damals zu ihrem 40-Geburtstag selbst. Die zuvor noch nie verheiratete Frau feierte in ihrem weißen Kleid mit 75 Gästen und sieben Brautjungfern ihre Selbstheirat. In einem Interview mit der „LA-Times“ sagte sie, es ginge darum, gewisse Sachen in die eigene Hand zu nehmen und es nicht von anderen Personen abhängig zu machen.
Laut der psychologischen Beraterin Silvia Scheller, kann eine Selbstheirat verschiedene Gründe haben. Zum einen könne es ein symbolischer Akt der Selbstliebe sein, um nach außen zu zeigen „Ja, ich liebe mich selbst!“ Teilweise sei es auch ein Akt, um das Stigma gegen das Single sein zu boykottieren und dagegenzuhalten. Oft wäre auch die Enttäuschung über gescheiterte Beziehungen ein möglicher Grund zur Selbstheirat.
Für Lucy war es ihre gescheiterte Ehe. Sie und ihr damaliger Ehemann waren in derselben Band. Doch kurz vor der England Tour 2015 trennten sie sich. Trotzdem performten sie zusammen auf dem Glastonbury Festival. Und obwohl es laut der englisch-australischen Sängerin: „Die beste Show aller Zeiten“ war, fühlte sie sich ständig sehr traurig und niedergeschlagen. Laut ihr gab es oftmals Streitigkeiten zwischen den beiden. Lucys Freundinnen merkten wie schlecht es ihr ging: „Sie haben gesehen, wie mein Ex mich behandelte und wie wir nicht miteinander klarkamen.“ Daraufhin redeten die Frauen darüber, wie ermächtigend es wäre, sich selbst zu heiraten. Es sei ein Symbol der Selbstliebe und würde ihre Unabhängigkeit festigen. Für Lucy stand fest: „Um mich aus dem dunklen Loch zu ziehen, in dem ich steckte, musste ich es tun!“
Die Zeremonien der Selbstheirat
Lucys Zeremonie war in einem kleinen Kreis zwischen Freundinnen. Doch nicht immer muss die Zeremonie der Solo-Ehe so intim und bescheiden sein. Beispielsweise heiratete Engländerin Sophie Tanner 2015 mit einer großen, öffentlichen Feier sich selbst. Nach einer gescheiterten Langzeit Beziehung gab sie sich auf den Stufen der unitarischen Kirche in Brighton das Ja-Wort. Sie war umgeben von 20 Brautjungfern und ihr Vater brachte sie zum Altar. Dort wartete ein Freund im Kardinal-Kostüm auf sie, um die Zeremonie durchzuführen. „Immer mehr Menschen versammelten sich, um zu sehen, was los war.“, verrät sie in einem Interview mit „Stylist“.
Die amerikanische Schriftstellerin Sasha Cagen dagegen beschloss sich 2014 mit einer hochzeitsähnlichen Feier ihre Selbstliebe zu verewigen. In einem Interview mit „Vice“ erzählt sie, dass die Übernahme der Traditionen einer herkömmlichen Hochzeit – das Brautkleid, die Gelübde, der Ring, die Gäste – dazu führten die Versprechen, die sie sich selbst gegeben hatte, zu festigen.
In Japan ist die Sologamie so verbreitet, dass es Agenturen gibt, die „Solo-Hochzeits-Pakete“ für Frauen anbieten. Diese sollen eine traditionelle Hochzeit imitieren und beinhalten meistens: Anleitungen für die möglichen Rituale, ein Kleid, den Blumenstrauß, die Frisur, ein Erinnerungsfotoalbum und je nach Wunsch einen „Bräutigam“. Beim Vortäusche-Bräutigam handelt es sich meistens um ein männliches Model, das einem bei der Zeremonie beistehen kann oder der auf den Fotos neben der Solo-Braut posiert.
Frauen die Hauptreiter der Solo-Ehe
Trotz dessen, dass die Sologamie jedem offen steht, reden hauptsächlich nur Frauen öffentlich über ihre Selbstheirat. Über Männer, die sich selbst das Ja-Wort gegeben haben, sieht, liest und hört man nichts. Paartherapeutin Nicole Lohmann schätzt die Situation wie folgt ein: „Für Frauen ist der Druck des Single seins stärker als für Männer!“ Laut Lohmann werden alleinstehende Männer in der Gesellschaft eher als „Lebemann oder einsamer Wolf“ angesehen, während alleinstehende Frauen dagegen eher als „einsame Jungfer“ abgestempelt werden können. „Das Bild einer Frau, die alleinstehend ist, ist wesentlich negativer als das eines Mannes.“, so Lohmann. Sie vermutet, es könne viel damit zu tun haben, dass sich Frauen von diesem Bild lösen möchten.
„Das Bild einer Frau, die alleinstehend ist, ist wesentlich negativer als das eines Mannes.“
Doch ist eine Selbstheirat notwendig, um sich von diesem Bild zu lösen? Paartherapeutin Silvia Scheller hält gegen: „Was will ich mit meiner Selbstheirat bezwecken?“ Sei es nur ein symbolischer Akt für die Selbstliebe, dann sei die Frage: Muss man sich heiraten, um sich selbst zu lieben? Scheller denkt, das müsse man nicht. Man könne sich auch ohne eine Selbstheirat wertschätzen, lieben, als auch für sich selbst einstehen. Und sollte man das nicht können, dann sei es relevant sich zu fragen: „Brauche ich da vielleicht Hilfe in Form einer Beratung, einem Coaching oder einer Therapie?“, anstelle von einer Selbstheirat.
Für Lucy steht fest, dass die Selbstheirat eine gute Entscheidung war. Die Sologamie habe ihre Sicht über sie selbst verändert. „Ich musste lernen, mich selbst zu lieben und, dass ich auch alleine ein vollständiger Mensch sein kann.“, so die Sängerin mit blonden Locken. Ihre Selbstheirat bedeutet für sie aber nicht, dass sie keine anderen Beziehungen eingeht. Ihr ging es darum: „Einfach zu schätzen am Leben zu sein, einen Körper zu haben, atmen zu können.“ Lucy empfiehlt die Solo-Ehe jedem. Sie findet, dass wir alle lernen müssen uns selber viel mehr zu lieben und zu schätzen. Lucy schmunzelt: „Vielleicht ist es das Heilmittel, um die Welt zu verändern.“