„Nach der deutschen Tollwut-Verordnung muss ein Welpe bei der Erstimpfung mindestens zwölf Wochen alt sein."
Wie viel ist ein Leben wert?
Verängstigt, ausgehungert und dehydriert sitzen wir in unseren engen Käfigen. Seit Stunden sind wir hier gefangen, die Dunkelheit umschließt uns. Wo sie uns hinbringen, wissen wir nicht. Plötzlich verstummen die Fahrgeräusche und das Ruckeln hört auf. Die Tür des Transporters öffnet sich. Geblendet von dem grellen Licht der Taschenlampen, erkennen wir zwei fremde Gestalten. Erschrocken blicken sie uns entgegen. Was passiert hier, ist das unsere Rettung?
So ähnlich müssen sich wohl die Hundewelpen gefühlt haben, die vor einigen Wochen in der Nähe von Stuttgart entdeckt wurden. Der illegale Tiertransport war mit knapp 100 Hundewelpen und Katzenbabys in der Slowakei gestartet. Das Ziel war vermutlich Spanien.
Illegaler Welpenhandel ist nichts Seltenes in Europa. Wöchentlich werden Tierbabys durch ganz Europa transportiert. Meistens werden die Tiere von osteuropäischen Ländern nach Deutschland oder Spanien verkauft. Gefälschte Ausweisdokumente oder die falsche Haltung der Tiere machen den Handel illegal. Ein häufiges Problem bei den gefälschten Impfbescheinigungen ist die Tollwutimpfung: Denn gesetzlich gesehen müssen in Deutschland einreisende Tiere dagegen geimpft sein.
Die Tiere sind meistens viel zu jung, um überhaupt geimpft zu werden, da bei zu früher Impfung mit Organversagen der kleinen Körper zu rechnen ist. Dazu kommt, dass Hundewelpen erst nach acht bis zwölf Wochen vom Muttertier getrennt werden dürfen. Rettung für die kranken Welpen gibt es selten. „Meistens werden die Tiere im Internet auf Plattformen angeboten und dann zum jeweiligen Besitzer gefahren“, erklärt Lea Schmitz, Pressesprecherin des Tierschutzbund. Manchmal jedoch haben die Tiere Glück und werden wie in Stuttgart zufällig entdeckt.
Petra Veiel, Pressesprecherin des Tierheims Stuttgart, in dem die Hundewelpen nun wieder aufgepäppelt werden, hat fast täglich mit den Folgen illegalen Tierhandels zu kämpfen. Denn nicht nur, wenn ein Transporter gestoppt wird, ist sie damit konfrontiert: Immer wieder werden todkranke oder verhaltensauffällige Tiere ins Heim gebracht. Im Gespräch mit den Besitzern wird die Ursache sofort klar: Das Tier wurde über das Internet gekauft. Auch die Anfang April geretteten Hundewelpen aus der Slowakei, die meisten gerade vier Wochen alt, haben immer noch mit Folgekrankheiten zu kämpfen – hervorgerufen durch schlechte Haltungsbedingungen und den langen Transport. „Die Tiere werden im Keller geboren, sitzen in ihrem eigenen Kot und stecken sich gegenseitig an“, sagt Veiel. Neben den Welpen kämpfen auch die Muttertiere in den Zuchtstationen ums Überleben.
Der Handel mit Tierbabys zählt nach Drogen und Waffen zu den größten Einnahmequellen des europäischen Schwarzmarkts. Regelrecht mafiös ist er bis auf das Kleinste strukturiert. Beteiligt sind nicht nur die Züchter, sondern auch Tierärzte. In diesem Zusammenhang redet man jedoch von Vermehrern und nicht mehr von Züchtern, betont Petra Veiel.
Die Mittelsmänner verkaufen den Wurf Rassehunde über Internet-Plattformen wie „Ebay Kleinanzeigen“. Für den unerfahrenen Käufer sehen diese Anzeigen aus, als wären die Welpen in einem artgerechten Umfeld bei diesen Zwischenhändlern geboren. Rückschlüsse auf illegalen Tierhandel sind deshalb schwer zu schließen.
Der Fall in Stuttgart spiegelt hier nur die Spitze des Eisbergs wider. Von den knapp 100 befreiten Tierbabys sind schon in der Nacht der Rettung einige verstorben. Ein Verlust von bis zu 60 Prozent der Tiere wird von den Händlern einkalkuliert. Selbst in diesem Falle profitieren sie finanziell enorm, was das Ausmaß dieser Massenabfertigung verdeutlicht. Bis heute sind noch 39 Welpen aufgrund der körperlichen Folgen des Transports in Quarantäne.
Das Leid der Welpen hört mit der Befreiung aus den Händen der Vermehrer nicht auf. Bleibende Schäden, beispielsweise aufgrund der fehlenden Sozialisierung in der Prägungsphase, bestehen bei vielen Tieren ein Leben lang. Nicht nur die Vermehrer tragen Schuld, sondern auch die Gesetze bezüglich des Tierhandels der EU sind mitverantwortlich. Eine Lösung sieht Petra Veiel vor allem in den Grenzkontrollen:
Letztendlich darf nicht vergessen werden, dass auch der Käufer eine tragende Rolle spielt. Denn bekannter Weise regelt die Nachfrage das Angebot. Und dieses ist riesig. 300 bis 500 Euro hören sich verlockend an. Bei einem deutschen Züchter kosten die Welpen rund das Vierfache – 1200 bis 2000 Euro.
Petra Veiel wünscht sich für die Zukunft, dass mehr Menschen die Möglichkeit in Betracht ziehen, ihren Hund im Tierheim zu kaufen anstatt über das Internet. Doch allein das wird am Schwarzmarkt nichts ändern. Auch Europa müsste seinen Teil dazu beitragen: